Medizin |
17.08.1998 00:00 Uhr |
Medizin
Einer Forschergruppe aus argentinien und den USA ist es im Tierversuch
gelungen, die für Alzheimer-Patienten typischen Amyloid-Plaques im Gehirn mit Hilfe
eines kleinen Peptids aufzulösen und die Entstehung neuer Plaques zu hemmen.
Im Gehirn von Alzheimer-Patienten entwickeln sich aus dem ß-Amyloid-Protein
sogenannte Amyloid-Plaques. Sie entstehen durch eine Änderung der
Sekundärstruktur des Proteins von einer alpha-Helix in die unlösliche
ß-Faltblatt-Form. Auch wenn die Auswirkungen der Plaque-Bildung bislang noch
nicht exakt geklärt sind, gehen die meisten Wissenschaftler heute davon aus, daß die
Ablagerungen eine entscheidende Rolle beim Ausbruch der Alzheimer-Krankheit
spielen.
Die amerikanischen Wissenschaftler haben jetzt einen Weg gefunden, wie die
Amyloid-Ansammlungen aufgebrochen werden können. Sie synthetisierten ein
Peptid aus fünf Aminosäuren (Leucin, Prolin, Phenylalanin, Phenylalanin,
L-Aspartat), das in seiner Struktur der zentralen hydrophoben Region des
ß-Amyloids ähnelt.
Das konstruierte Peptid erwies sich im Tierversuch als potenter "ß-sheet breaker".
Ratten, denen dieses Peptid gemeinsam mit ß-Amyloid in das Gehirn injiziert wurde,
bildeten signifikant weniger Plaques als Tieren, denen nur das ß-Amyloid injiziert
wurde. In vitro bewahrte das Peptid Nervenzellen vor der toxischen Wirkung der
Alzheimer-Fibrillen.
Einen fundamentalen Nachteil hat das in den Versuchen verwendete Peptid
allerdings: Wird es nicht direkt in das Gehirn injiziert, bauen es Enzyme im Körper
schnell ab, zudem kann es kaum die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Die Autoren
der Studie versuchen deshalb jetzt, neue Moleküle mit derselben Wirkung zu
synthetisieren, die unverändert ins Gehirn permeieren können. Eine Publikation über
diese Versuche werde bereits vorbereitet.
Grundsätzlich seien "ß-sheet breaker" ein erfolgversprechender Ansatz zur
Behandlung aller Krankheiten, die durch defekte Proteinfaltung ausgelöst werden,
schreiben die Wissenschaftler. Dazu zählen neben der Alzheimer-Krankheit auch
spongiforme Enzephalopathien wie BSE und Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sowie die
amyotrophe Lateralsklerose.
Quelle: Soto, C., et al., Nature medicine, Vol. 4, Juli 1998, S. 822-826
Onkologen setzen schon seit geraumer Zeit auf Kombinationstherapien. Diese
verringern das Risiko einer Resistenzentwicklung und erhöhen die Effizienz einer
Behandlung. Ein neuer Anwärter für die Kombitherapie könnte Angiostatin sein,
bewies ein amerikanisches Forscherteam.
Als proteolytisches Fragment von Plasminogen hemmt Angiostatin die Versorgung
von Tumorgewebe und beeinflußt damit die Größe der eigentlichen Geschwulst
sowie der Metastasen. Die Angiogenese ist essentiell für die Tumorprogression.
In einer Kombinationstherapie kommt die Potenz von Angiostatin am besten zur
Geltung. Die amerikanischen Wissenschaftler behandelten gleichzeitig mit Angiostatin
und ionisierter Strahlung. Der Radiotherapie werden immer dann Grenzen aufgezeigt,
wenn Resistenzen auftreten. Die Angiostatin-Bestrahlungs-Therapie zeigte
überadditive Erfolge im Vergleich zu den einzelnen Behandlungsvarianten. Immerhin
verkleinerte sich der Tumor insgesamt um 64 Prozent, während ihn Angiostatin nur
um 16 Prozent und radioaktive Strahlung um 18 Prozent zu reduzieren vermochten.
Das Geheimnis des synergistischen Therapieerfolges, so die Experten, scheint an
einer zytotoxischen Reaktion der Endothelzellen zu liegen. Angiostatin hemmt die
endotheliale Zellproliferation und macht dadurch die Bestrahlungstherapie selektiver.
Bei Tumorzellen findet keine Zytolyse statt, wie In-vitro-Studien ergeben haben.
Histologische Untersuchungen am Tumorgewebe beweisen, daß das Ziel der
Strahlungs- und Angiostatin-Therapie eindeutig neu gebildete Gefäße sind, die rund
um den Tumor entstehen und ihn ernähren sollen. Diese neuentstandenen
Versorgungsstraßen sind mit Endothel ausgekleidet, Tumorzellen nicht: Angriffspunkt
für Angiostatin.
Quelle: Mauceri, H. J., et al., Nature, 16. Juli 1998, Vol. 394, S. 287-291
Cannabinoid-Rezeptoren gibt es nicht nur im Zentralnervensystem, sondern auch
in der Peripherie. Die periphere schmerzstillende Wirkung von Cannabinoiden ist
offensichtlich sogar deutlich stärker als der zentrale Effekt. Zu diesem Ergebnis
kommt eine Forschergruppe um Antonio Calignano aus Neapel. Bislang gingen
Wissenschaftler davon aus, daß Cannabinoide ähnlich wie Opioide vor allem die
Schmerzleitung in Gehirn und Rückenmark hemmen.
Die neapolitanischen Forscher injizierten Ratten Formalin subkutan und lösten so
einen starken Schmerz aus. Wurden den Ratten jedoch gleichzeitig zwei synthetische
Cannabinoide injiziert, war die Antwort der peripheren Schmerzfasern wesentlich
schwächer. Als besonders potentes Analgetikum erwies sich Palmitylethanolamid
(PEA), ein Agonist der Cannabinoid(CB)-2-Rezeptoren. Die Substanz hemmte
sowohl den akuten als auch den längerfristigen (tonischen) Schmerz.
Weniger wirksam war der CB-1-Agonist Anandamid, der lediglich die frühe
Schmerzphase hemmte. Allerdings scheinen CB-1- und CB-2-Rezeptoren einen
synergistischen Effekt auszulösen. Denn die stärkste Schmerzhemmung erreichten
die Wissenschaftler durch die gleichzeitige Gabe von PEA und Anandamid.
Die Wirkung der beiden Cannabinoide ist nach den Ergebnissen der Versuche lokal.
Die systemische Gabe (i.v. oder i.p.) zeigte nur eine vergleichsweise geringe
Wirkung. Für die Wissenschaftler ein eindeutiger Beweis, daß das
Schmerzempfinden nicht ausschließlich zentral gesteuert wird, sondern auch über
periphere Cannabinoidrezeptoren.
Quelle: Calignano, A., et al., Nature, Vol. 394, 16. Juli 1998, 277-280
Zusammengestellt von Elke Wolf und Daniel Rücker, Eschborn
© 1997 GOVI-Verlag
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