Prävention und Akuttherapie von Schlaganfällen |
18.08.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Bei der medikamentösen Prävention von Schlaganfällen werden je nach
Risikokonstellation des Patienten Thrombozytenaggregationshemmer,
Antikoagulanzien oder Antihypertensiva verwendet. Sind
Thrombozytenaggregationshemmer indiziert, ist Acetylsalicylsäure (ASS)
das Mittel der Wahl. Bei Nichtansprechen oder Unverträglichkeit von ASS,
steht Ticlopidin als Alternative zur Verfügung. Eine weitere Domäne für
Ticlopidin ist die Sekundärprophylaxe nach komplettem Schlaganfall, für die
die Wirksamkeit von ASS nicht gesichert ist.
Die Ursachen für einen Schlaganfall sind unterschiedlich. Rund ein Fünftel ist auf
cerebrale Blutungen zurückzuführen, vier Fünftel auf arterielle Minderdurchblutungen
(Ischämien), wobei meist ein thrombotischer oder thromboembolischer Verschluß
vorliegt. Ein von Sanofi Winthrop unterstütztes Seminar der Neurologischen Klinik
und Poliklinik der Berliner Humboldt-Universität unter der Leitung von Professor
Dr. Karl M. Einhäupl erörterte den aktuellen medizinischen Wissensstand in
Diagnostik und Therapie des Schlaganfalls.
Beim akuten Schlaganfall hängt die Prognose entscheidend von einem frühzeitigen
Behandlungsbeginn ab. Die Therapie orientiert sich am vorliegenden Schlaganfalltyp.
Da eine zuverlässige Differentialdiagnose nur in der Klinik erfolgen kann, besteht
eine wichtige Aufgabe der ambulanten Erstversorgung in der raschen Identifizierung
und Klinikeinlieferung der Schlaganfallpatienten. Außerdem kann die Prognose
günstig beeinflußt werden durch unverzügliche
Normalisierung von Körpertemperatur und Sauerstoffversorgung,
Normalisierung der Blutglucosekonzentration,
Stabilisierung des Blutdrucks auf hohem Niveau (systolisch 150 bis 190 mmHg), um auch in vom Schlaganfall betroffenen Hirnarealen eine ausreichende Durchblutung zu erzielen.
Nach einem ischämischen Schlaganfall treten die verschiedenen schädigenden
Mechanismen in einem charakteristischen zeitlichen Verlauf auf. Aufgrund der
Ischämie kommt es zunächst zu einer gesteigerten Glutamatfreisetzung mit Anstieg
der intrazellulären Calciumionenkonzentration und erhöhter Depolarisationsneigung,
gefolgt von Entzündung und Apoptose. Der Erfolg der Akuttherapeutika, wie
Fibrinolytika, Calcium- oder Glutamatantagonisten, hängt davon ab, ob sie zum
richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden. So erweist sich die Thrombolyse nur dann als
effektiv und sicher, wenn sie innerhalb der ersten drei Stunden nach dem Infarkt
durchgeführt wird; nach sechs Stunden überwiegt das Risiko durch
Blutungskomplikationen den therapeutischen Nutzen.
Die Entscheidung für die weitere Prävention orientiert sich an den Ursachen des
Schlaganfalls:
Kardiale Embolie: Antikoagulanzien
Arterio-arterielle Embolie, In-situ-Thrombose: Thrombozytenaggregationshemmer
Lakunärer Infarkt: Antihypertensiva
30 bis 40 Prozent aller Schlaganfälle stehen im Zusammenhang mit Verengungen der
Halsschlagadern. Die ursachenorientierte Prävention besteht hier in der
Thrombi-Endarter-Ektomie, die allerdings in der Regel nur bei hochgradigen und
symptomatischen Stenosen (Verschluß über 70 Prozent) relevante Vorteile
gegenüber der medikamentösen Vorbeugung mit
Thrombozytenaggregationshemmern aufweist.
Bei der Prävention mit Thrombozytenaggregationshemmern dominiert der Einsatz
von ASS, für die Einhäupl eine Dosierung von mindestens 300 mg täglich empfiehlt.
Das im Zuge kardiovaskulärer Präventionsstudien erprobte Lowdose-Regime mit
100 mg oder noch niedrigeren ASS-Dosierungen konnten ihre Wirksamkeit bislang
in Schlaganfallpräventionsstudien noch nicht beweisen. Laut Einhäupl ist aufgrund
der bisherigen Datenlage grundsätzlich davon auszugehen, daß höhere Dosen mit
großer Wahrscheinlichkeit wirksamer sind als niedrigere. Limitierend sei dabei
jedoch die Dosisabhängigkeit der ASS-Nebenwirkungen.
Transitorische ischämische Attacke (TIA): Flüchtige Hirnischämie. deren
Symptomatik sich spätestens nach 24 Stunden zurückgebildet hat und die keine
morphologischen Veränderungen hinterläßt.
Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND):
Eine länger als 24 Stunden anhaltende neurologische Symptomatik, die sich
innerhalb von Tagen vollständig zurückbildet.
Progredienter Schlaganfall: Zunahme der Symptomatik in den ersten 60 Minuten
(bis zu 72 Stunden).
Kompletter Schlaganfall: Persistierendes neurologisches Defizit (unabhängig vom
Schweregrad).
PZ-Artikel von Susanne Hof, Berlin
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