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Killertoxine aus Hefen

01.07.2002  00:00 Uhr

Killertoxine aus Hefen

von Ulrike Wagner, Eschborn

Wer bei Hefe nur an knackige Brötchen oder frisches Bier denkt, unterschätzt die Fähigkeiten dieser Mikroorganismen. Hefepilze spielen eine wichtige Rolle in den Stoffkreisläufen der Natur. Um sich im täglichen Überlebenskampf Wachstumsvorteile zu verschaffen, greifen einige der einzelligen Pilze gar zu biologischer Kriegsführung, die in Zukunft sogar therapeutischen Nutzen verspricht.

Frank Breinig, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsteam von Professor Dr. Manfred J. Schmitt, Institut für Angewandte Molekularbiologie, Saarbrücken, hat kürzlich einen Mechanismus entschlüsselt, wie die so genannten Killerhefen wirken. Das meldet die Pressestelle der Universität des Saarlandes.

Um unerwünschte Nahrungskonkurrenz loszuwerden, bilden diese Hefen Toxine, die auf ganz unterschiedliche Weise wirken. Sie produzieren zum Beispiel ein Gift, das die Zellmembran des Angreifers zerstört, indem es sie regelrecht durchlöchert und die Zelle somit ausläuft. Breinig identifizierte ein Schlüsselmolekül in diesem Prozess und veröffentlichte seine Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Cell.

Das Hefegift entfaltet seine Wirkung in zwei Stufen. Zunächst bindet das Toxin an die äußere Oberfläche der Hefezellen. Anschließend wird es zur inneren Cytoplasma-Membran transportiert. Dort lagert sich das Toxin in die Lipiddoppelschicht der Membran ein und formt Ionenkanäle, die die Membranfunktionen zunichte machen. Die Zelle stirbt. Breinig identifizierte das lang gesuchte Protein in der Cytoplasmamembran, an das das Toxin andockt und sein zerstörerisches Werk beginnt.

Maskiertes Gift

Eine andere Möglichkeit, die Konkurrenz auszuschalten, besteht darin, sie an der Zellteilung und so an der Vermehrung zu hindern. Dazu schmuggelt sich das Gift maskiert in den Verdauungsapparat der gegnerischen Zelle und von dort weiter ins Zellinnere. Ist es hier angelangt, lässt es seine Maske - ein bestimmtes Eiweißmolekül - fallen und schlüpft in den Zellkern. Dort blockiert es die Synthese der zelleigenen Erbsubstanz und verhindert die Zellteilung.

Nicht alle Hefen sind zur biologischen Kriegsführung befähigt. Erst Viren lassen sie zum Killer werden. Hierbei trägt die Erbsubstanz des Virus, die in der Hefezelle vorliegt, sowohl die Informationen für die Produktion des Toxins als auch für Schutzmechanismen, um die Zelle selbst vor dem Gift zu schützen. Allein bei der Bäckerhefe kennt man bereits drei verschiedene Virustypen, die die Information für die Toxine K1, K2 oder K28 bereitstellen.

Die Art des Virus bestimmt dabei die Art des Giftes, das die Hefen produzieren. Die Giftstoffe werden zunächst als Toxinvorläufer (Präprotoxine) synthetisiert, die innerhalb der Zelle schließlich zum Toxin prozessiert und in die Umgebung abgegeben werden. Was die Synthese, die Prozessierung und die rezeptorabhängige Wirkungsweise angeht, ähneln die viralen Killertoxin erstaunlich stark den Hormonen höherer Organismen, so Schmitt.

Der Krieg im Reagenzglas hat einen praktischen Nebeneffekt. Da die Poren bildenden Hefegifte sehr spezifisch wirken, könnten sie möglicherweise zur Behandlung von Mykosen eingesetzt werden. Auch der zweite Trick der Einzeller, die Zellteilung des Gegners zu hemmen, wird zurzeit intensiv untersucht. Dabei geht es Schmitt und seinen Mitarbeitern um die Frage, ob und wie auch Tumorzellen auf diese Art ausgebremst werden können.

Die Forschung an den Killerhefen ist noch nicht sehr alt. Erst 1963 wurde die biologische Kriegsführung im Mikrokosmos entdeckt. Zum Vergleich: Auf die Existenz von Antibiotika, Bakteriophagen und Bakteriozinen waren Wissenschaftler bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts gestoßen. Schmitt forscht seit mehr als 15 Jahren an den vielversprechenden Giften und beschäftigt mehrere seiner 17 Mitarbeiter mit der molekularen Charakterisierung der Hefetoxine.

 

Pilzviren Auch Hefen werden von Viren befallen und das noch nicht einmal selten. Die so genannten Mykoviren, die die einzelligen Pilze letztlich zu Killern machen, liegen meist in großer Zahl im Cytoplasma der Hefen vor. Die Partikel bestehen aus doppelsträngiger RNA und einem einfach aufgebauten Kapsidprotein. Bei der Zellteilung werden die Viren auf die beiden Tochterzellen verteilt, daher spricht man von einer vertikalen Übertragung - im Gegensatz zur horizontalen zum Beispiel bei humanpathogenen Viren, die sich von Mensch zu Mensch verbreiten. Die Mykoviren unterscheiden sich von den Viren höherer Organismen zudem dadurch, dass sie wahrscheinlich keinen Infektionszyklus besitzen. Ihre Verbreitung geschieht über die Fusion von Hefezellen oder Pilzhyphen, ein in der Natur häufiger Vorgang.

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