Tumorangiogenese als neue Strategie in der Krebstherapie |
29.06.1998 00:00 Uhr |
Medizin
Etwa 95 Prozent aller Krebsarten sind solide, metastasierende Tumoren.
Ihre medikamentöse Behandlung ist immer noch unzureichend, so Professor
Dr. Dieter Marmé, Freiburg, beim 23. Kongreß der Deutschen
Krebsgesellschaft in Berlin. Der Molekularmediziner nannte die Hemmung
der Tumorangionese als neue Strategie in der Krebstherapie. Das derzeit in
Entwicklung befindliche Therapiekonzept beruht auf der Tatsache, daß alle
soliden Tumoren ein Blutgefäßsystem brauchen, um zu wachsen und zu
metastasieren.
Ein Tumor entsteht meist durch genetische Veränderungen einer Zelle auf
molekularer Ebene, die sich durch Aktivierung von Onkogenen und/oder die
Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen beschreiben läßt. Der Mechanismus der
Apoptose, die zum Zelltod führt, ist ausgeschaltet.
Fatalerweise entwickeln Krebszellen darüber hinaus die Fähigkeit, angiogene
Proteine zu produzieren, die am vorhandenen Gefäßsystem die Bildung neuer
Blutgefäße bewirken und so durch Steigerung der Zufuhr von Nährstoffen und
Wachstumsfaktoren zur rasanten Zunahme des Tumors beitragen. Gelangen
Tumorzellen durch diese neuen Gefäße in die Blutbahn, kommt es zur
Metastasierung in entfernten Organen, wo der Prozeß der Tumorangionese von
Neuem beginnt.
Entwicklung spezifischer Inhibitoren
Als wichtigsten angiogenen Faktor nannte Marmé den Vascular Endothelial Growth
Factor (VEGF), dessen Rezeptoren vornehmlich an der Oberfläche von
Endothelzellen der Tumorgefäße erscheinen. Die VEGF-Rezeptoren haben eine
intrinsische Protein-Tyrosin-Kinase-Aktivität. Wird diese durch spezifische
Inhibitoren gehemmt, findet eine Gefäßneubildung nicht statt, so Marmé, dessen
Arbeitsgruppe in Kooperation mit Novartis und Schering den spezifischen Inhibitor
CGP 79787 entwickelt hat.
Eine erste Phase-I-Studie ist für den Herbst geplant. "Am metastasierenden
Nierenzellkarzinom immunkompetenter Mäuse konnten wir nachweisen, daß sowohl
das Wachstum des Primärtumors als auch die Bildung von Metastasen erfolgreich
gehemmt wird", betonte der Tumorbiologe, der von einem innovativen,
vielversprechenden neuen Ansatz zur Therapie von Krebserkrankungen sprach.
Für die Entwicklung neuer Therapiestrategien sei auch die Tatsache von Bedeutung,
daß eine englische Arbeitsgruppe kürzlich die zwei antiangiogenen Moleküle
Angiostatin und Endostatin identifiziert hat. Über mehrere Monate seien
tumortragende Mäuse mit Endostatin behandelt worden. Es kam zu einer kompletten
Remission ohne Anzeichen für eine Resistenzentwicklung.
PZ-Artikel von Christiane Berg, Berlin
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