Arteriosklerose: Prävention durch Lebensstil |
22.06.1998 00:00 Uhr |
Medizin
Nach wie vor stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen an der Spitze der
Todesursachen in Deutschland. Die Entwicklung einer Arteriosklerose sei
jedoch kein schicksalhafter Alterungsprozeß, sondern ein Jahrzehnte
dauernde Entwicklung die neben genetischen Faktoren maßgeblich vom
individuellen Verhalten abhängt, sagte Professor Dr. Wolfgang Klaus,
Pharmakologe an der Universität Köln, auf einer Presseveranstaltung von
Bayer Vital in Helsingör, Dänemark.
Im Zentrum des pathogenetischen Geschehens stehe die Funktion des
Gefäßendothels. Dieses bildet bei gesunden Menschen Stickstoffmonoxid (NO) und
Prostaglandine, die die Adhäsion und die nachfolgende Einwanderung von Blutzellen
in die innerste Schicht der Gefäßwand verhindern. Die protektive Funktion wird
durch Noxen wie Rauchen, Bluthochdruck oder einen hohen Cholesterolspiegel
blockiert. Das oxidierte LDL-Cholesterol, das durch Sauerstoffradikale im Blut
gebildet wird, gelangt über Rezeptoren in die Endothelzellen und reduziert dort die
NO-Bildung.
Den weiteren pathologischen Prozeß erklärt Klaus wie folgt: Blutzellen wandern in
die Endothelzellen ein und verursachen dort lokale Entzündungen. Darüberhinaus
wandeln sich Monocytem zu Makrophagen um, die bei hohem Cholesterolangebot
durch dessen Aufnahme Schaumzellen bilden. Diese sind die Grundlage der
atherosklerotischen Plaques. Hauptübeltäter sei somit das oxidierte
LDL-Cholesterol. Es löse einen Teufelskreis aus, indem es die Gefäßprotektion
schwäche und gleichzeitig an der Entstehung der Schaumzellen maßgeblich beteiligt
sei.
Einig war er sich mit anderen Experten, daß dieser Prozeß am effektivsten durch
eine Änderung der Lebensführung zu stoppen ist. Das Risiko einer stabilen Angina
pectoris, eines Herzinfarktes und des plötzlichen Herztodes lasse sich durch den
Verzicht auf Zigaretten, Reduktion des Körpergewichtes und ausreichende
Bewegung deutlich reduzieren, erläuterte Professor Dr. Karsten Schrör, Universität
Düsseldorf. Erst dann folge die medikamentöse Vorbeugung.
Wie der Sportmediziner Professor Dr. Klaus Völker darlegte, sollten etwa 2000 bis
3000 Kilokalorien pro Woche durch körperliche Aktivität verbraucht werden. Wer
zwei bis dreimal pro Woche 30 Minuten Sport treibe und zusätzlich regelmäßig
Spazieren gehe und Treppen steige, erreiche diesen Verbrauch ohne sein Leben
vollständig auf Sport umstellen zu müssen. Extreme Anstrengung hält der
Sportmediziner für wenig empfehlenswert. Sinnvoll sei eine ausdauernde Belastung
großer Muskelgruppen mit niedriger Intensität.
Eine medikamentöse Prävention empfehlen die Mediziner nur für Risikogruppen,
etwa Menschen mit hohem Chlolesterolspiegel, Diabetiker oder Hypertoniker. Die
aggressive Cholesteroloxidation läßt sich nach Aussage des Krefelder Kardiologen
Dr. Friedhelm Späh mit Antioxidantien wie Vitamin E verhindern. Zwischen 200 bis
400 i.E natürliches Vitamin pro Tag seien hierzu notwendig.
Aber auch Calciumantagonisten hätten nicht nur einen gefäßerweiternden Effekt,
sondern auch eine antioxidative Wirkung. Sie verlangsamen darüber hinaus auch die
Proliferation der Gefäßendothelzellen. Diesen Effekt haben auch ACE-Hemmer. Bei
hohen Cholesterolwerten seien zudem CSE-Hemmer sinnvoll.
Thrombozytenaggregationshemmer, die die Adhäsion der Blutplättchen verhindern,
gehörten ebenfalls zu den Medikamenten, die zumindest bei Risikopatienten den
Krankheitsverlauf verlangsamen können, sagte Späh weiter. Er empfiehlt eine
Maximaldosis von 100 mg Acetylsalicylsäure (ASS) täglich. Höhere Dosen helfen
kaum mehr, haben aber stärkere Nebenwirkungen.
Nach einer britischen Studie mit 5000 Risikopatienten habe die regelmäßige
Einnahme von ASS das Infarktrisiko um 30 Prozent gesenkt. Andere Studie
belegten auch den Effekt der ASS in der Seundärprävention. Allerdings steige der
protektive Effekt stark mit dem vorher bestehenden Risiko. Von einer generellen
Prävention auch bei vollkommen gesunden Menschen rät Schrör ab.
Die bekannten Nebenwirkungen von ASS können offensichtlich durch die Einnahme
verkapselter Tabletten reduziert werden. Durch die Verkapselung wird ASS erst im
Darm freigsetzt und nicht im Magen. Studien zufolge ist die Häufigkeit von
Magenblutungen signifikant unter dem Niveau herkömmlicher ASS-Tabletten.
Umstritten ist dagegen der Einsatz von Antibiotika, mit denen eine mögliche
Chlamydien-Infektion bekämpft werden soll. Bislang sei nicht geklärt, ob
Chlamydien tatsächlich eine Arteriosklerose auslösen können oder ob es sich dabei
lediglich um eine sekundäre Infektion handele, sagte der Kölner Pharmakologe
Klaus. "Chlamydien sind ein Epiphänomen, das auf die vorhandene Erkrankung
aufsetzt." Antibiotika sollten deshalb nur verordnet werden, wenn eine
Chlamydieninfektion sicher diagnostiziert sei.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Helsingör
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