Morbus Alzheimer: Den programmierten Zelltod stoppen |
23.06.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Der programmierte
Zelltod, die Apoptose, ist erst seit den achtziger Jahren
bekannt. Zellen, die nicht mehr ihre vorbestimmten
Funktionen erfüllen, werden durch dieses
Selbstmordprogramm eliminiert. Der Marburger Pharmazeut
Privatdozent Dr. Jochen Prehn untersucht in einem
Forschungsprojekt, inwieweit apoptotische Prozesse an der
Alzheimer Krankheit beteiligt sind.
"Das zelluläre Selbstmordprogramm beginnt mit einer
Fragmentierung der DNA, später zerlegt die Zelle ihr
gesamtes Cytoplasma. Die Zelle schrumpft und wird von
ihren Nachbarn phagozytiert", erläutert Prehn.
Dieser Prozeß, der von pro- und anti-apoptotischen Genen
gesteuert wird, laufe auch im Gehirn von Alzheimer
Patienten ab. In einem von der Alzheimer
Forschung International unterstützten Projekt
untersucht der Marburger Wissenschaftler, ob durch eine
gezielte Beeinflussung der Apoptose der Verlauf der
Demenz aufgehalten werden kann.
Im Mittelpunkt seiner Untersuchungen stehe das
anti-apoptotische Bcl-x-Gen, führte Prehn auf einer
Pressekonferenz am 15. Mai in Marburg aus. Er konnte
bereits zeigen, daß gentechnisch veränderte
Nervenzellen, die dieses Gen überexprimieren, weniger
empfindlich für toxische Substanzen, etwa das
beta-Amyloid oder andere Oxidantien sind, als nicht
veränderte Zellen. Andere Antioxidantien, vor allem
Vitamin E, bewahren nach Prehns Erkenntnissen
Nervenzellen in Kultur vor dem durch oxidativen Streß
ausgelösten Untergang.
Für den Untergang von Nervenzellen im Gehirn von
Alzheimer-Patienten wird erhöhter andauernder oxidativer
Streß mitverantwortlich gemacht. Ob dieser ursächlich
durch eine mitochondriale Dysfunktion, die Bildung von
ß-Amyloid-Plaques, die Bildung von neurofibrillären
Tangels aus Tau-Protein oder das Zusammenwirken
verschiedener pathologischer Prozesse ausgelöst wird,
ist bislang nicht geklärt. Prehn: "Die Alzheimer
Krankheit ist in jedem Fall multifaktoriell, welcher
Prozeß der wichtigste ist, wissen wir nicht."
Prehn untersucht in seinem Projekt, welcher Zusammenhang
zwischen ß-Amyloid, freien Radikalen und der Apoptose
bestehen. Außerdem will er klären, welchen Effekt die
Überexprimierung eines anti-apoptotischen Gens auf die
Nervenzellschädigung hat. Denn, so führt er aus, es sei
noch unklar, ob ein Aufhalten der Apoptose per se
vorteilhaft sei. Wenn eine Zelle durch andere Prozesse so
stark geschädigt sei, daß sie funktionslos werde,
nütze es nichts, ihren Selbstmord zu verhindern.
In Zusammenarbeit mit Professor Dr. Eva Braak von der
Universitätsklinik in Frankfurt geht er der Frage nach,
ob Alzheimer-Patienten eine veränderte Expression der
Zelltod-regulierenden Gene aufweisen. So soll auch
geklärt werden, welche pro-apoptotischen Gene in das
pathologische geschehen involviert sind. In Verdacht
stehen hier die Bax-Gene.
Sollte sich die Progredienz der Alzheimer Krankheit durch
eine Apoptosehemmung vermeiden lassen, gebe es bei der
Suche nach einer geeigneten Therapie verschiedene
Ansätze, so Prehn weiter. Zum einen könnten protektive
Gene wie das Bcl-x-Gen über geeignete Vektoren, Viren
oder Liposomen, in die Nervenzellen eingeschleust werden.
Bislang ist die Erfolgsrate für die Übertragung von
Genen allerdings noch sehr unbefriedigend.
Eine Alternative zur Gentherapie sei die Suche nach
Stoffen, die selektiv den programmierten Zelltod von
Nervenzellen verhindern, also die Wirkung des Bcl-x-Gens
imitieren. Im Zentrum der industriellen Forschung auf
diesem Gebiet stehen die Caspasen, das sind Proteasen,
die den Selbstmordprozeß der Nervenzellen exekutieren.
Eine weitere Option könnten Nervenwachstumsfaktoren
sein, die einen anti-apoptotischen Schutz bieten.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Marburg
Die Alzheimer Forschung International (AFI) ist eine geminnützige Organisation, die seit 1995 in Deutschland tätig ist. Mit Hilfe von Spendengeldern will die AFI die Alzheimerforschung unterstützten und die Bevölkerung über die Krankheit informieren. Über die Vergabe von Forschungsgelder an Wissenschaftler entscheidet der Wissenschaftliche Beirat unter der Leitung von Professor Dr. Konrad Beyreuther, Heidelberg. Neben Dr. Jochen Prehn wird zur Zeit auch der Hamburger Wissenschaftler Dr. Roger Nitsch gefördert.
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