Medizin
Nicht immer ist eine Verengung
der peripheren Gefäße wirklich Ursache für die
Beschwerden des Patienten. Und selbst wenn die Diagnose
stimmt, wird oft die falsche Therapie verordnet. Mit den
derzeit gültigen Therapieschemata der peripheren
arteriellen Verschlußkrankheit (PAVK) beschäftigte sich
daher ein Symposium in Berlin.
Arteriosklerotische Prozesse gehören zu den häufigsten
Ursachen einer PAVK. Darüber hinaus kann der Blutfluß
in die Extremitäten durch Embolien, Vaskulitiden,
mechanische Verletzungen oder Gefäßtumore gestört
werden. Wird eine Verengung oder ein Verschluß
nachgewiesen, sind sie noch nicht notwendigerweise für
die Beschwerden verantwortlich. Andere Ursachen sollten
auch erwogen werden: 21 Prozent der Patienten, die wegen
einer PAVK in ein Krankenhaus eingewiesen wurden, hatten
primär neurologische Störungen; bei 18 Prozent
überlagerten orthopädische Erkrankungen den Befund,
konstatierte Professor Dr. Heinz Heidrich vom Franziskus
Krankenhaus, Berlin. Man dürfe sich dann nicht wundern,
wenn viele Behandlungen erfolglos blieben, ergänzte er.
Der Verlauf der Erkrankung wird in verschiedene Stadien
eingeteilt, die jeweils unterschiedlich behandelt werden:
Eine diagnostizierte Gefäßverengung allein ist keine
Indikation für eine bestimmte Therapie. Solange die
Patienten keine Beschwerden haben (Stadium 1), sind weder
Medikamente noch physiotherapeutische oder chirurgische
Methoden indiziert. Wichtig ist allein die Behandlung der
Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes und
Hyperlipidämie. Eindringlich sollte Rauchern der Verlauf
der Erkrankung vor Augen geführt werden. Über 90
Prozent der PAVK-Patienten rauchen, nur 10 bis 20 Prozent
kommen von der Sucht wirklich los.
Patienten, deren Schmerzen beim Gehen, nicht aber in Ruhe
auftreten (Claudicatio intermittens, Stadium 11), werden
je nach individueller Situation behandelt:
Möglicherweise kann ein gefäßchirurgischer (Bypass)
oder endovaskulärer Eingriff (Dilatation oder Stent) der
nachfolgenden Behandlung den Weg ebnen. Ist eine
gefäßchirurgische Maßnahme nicht nötig oder möglich,
ist Physiotherapie das Mittel der Wahl. Doch es gibt
Einschränkungen: Beispielsweise dürfen Patienten mit
schweren Herz-Kreislauferkrankungen oder schweren
Rhythmusstörungen nicht trainieren. Unter Aufsicht eines
gelernten Gefäßtrainers müssen die Betroffenen drei-
bis fünfmal pro Woche, am besten ganzjährig, für
mindestens eine Stunde eine bestimmte Abfolge
verschiedener Lockerungs-, Bewegungs- und
Konzentrationsübungen durchführen. Der gute Rat läßt
sich jedoch noch nicht überall in die Praxis umsetzen,
denn es gibt zuwenig Angebote für das Gefäßtraining,
und Koronarsportgruppen sind kein adäquater Ersatz.
Ungefähr ein Drittel der Patienten darf nicht
trainieren, ein weiteres Drittel ist nicht zu motivieren.
Dann sind Medikamente wie Pentoxifyllin, Naftidrofuryl
(nur peroral) oder Buflomedil indiziert. Diese
vasoaktiven Präparate sind also keine Basistherapie,
betonte Heidrich. Umstritten ist die Rolle der
Acetylsalicylsäue. Heidrich riet zur Vorsicht: Nur
Patienten mit einem schnellen Krankheitsverlauf und
gesundem Magen-Darmtrakt sollten ASS (250-300 mg pro Tag)
erhalten. Ticlopidin ist wegen der Neutropeniegefahr nur
Mittel zweiter Wahl, zu der neuen Substanz Clopidogrel
gibt es noch keine Studien, die eine Wirkung in der
Peripherie belegen.
Prostaglandin E1 wird als Infusion gegeben, wenn das
Gehtraining nicht den gewünschten Erfolg bringt. Es ist
weiterhin in den Stadien III und IV (Ruheschmerz und
Nekrosen) indiziert, wenn eine Operation, an sich Methode
der Wahl, nicht möglich ist. Zur Verwendung als Adjuvans
bei chirurgischen Maßnahmen liegen positive Pilotstudien
vor. Prostaglandin ist jedoch wirkungslos, betonte
Heidrich, wenn kein Restdruck in der Knöchelarterie und
kein Sauerstoffpartialdruck am Fußrücken mehr meßbar
sind. Kontraindiziert ist es bei nicht kompensierbarer
Rechtsherzinsuffizienz, schweren Herzrhythmusstörungen
und sechs Monate nach einem Myokardinfarkt. Neuerdings,
so Heidrich, werden auch Gefäßverengungen junger
Patienten, hervorgerufen durch den Mißbrauch von
Ecstasy, mit Prostaglandin behandelt.
In den nächsten Jahren ist jedoch auch mit einigen
Neuentwicklungen zu rechnen: Propionylcarnitin verbessert
den Muskelmetabolismus, der durch die
Sauerstoffunterversorgung verändert ist. Der Antrag auf
Zulassung in den USA liegt der FDA bereits vor. Im
Stadium der klinischen Prüfungen sind auch bereits
Untersuchungen mit zwei Wachstumsfaktoren:VEGF (Vascular
Endothelium Growth Factor) und BFGF (Basic Fibroblast
Growth Factor).
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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