Reizmagen-Schmerzen sind keine Einbildung |
08.06.1998 00:00 Uhr |
Medizin
Daß eine gestörte Motilität der Speiseröhre und/oder des Magens und
Darms funktionelle Dyspepsien auslöst, ist bekannt. Daß aber eine gestörte
viscerale Nociception gegenüber physikalisch-chemischen Stimuli die
Reizmagensymptomatik zusätzlich anfacht, konnte erst in letzter Zeit
definitiv bewiesen werden, sagte Dr. Gerald Holtmann, Universitätsklinikum
Essen, auf einer von der Gastro-Liga ausgerichteten Veranstaltung.
Patienten mit funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen nehmen mechanische und
wahrscheinlich auch chemische Reize stärker wahr als gesunde Kontrollpersonen.
Die Ursachen dieser visceralen Hyperalgesie sind bislang nicht eindeutig geklärt.
Wahrscheinlich lösen verschiedene Pathomechanismen das extreme
Schmerzempfinden aus.
So ist bekannt, daß nach akuten gastrointestinalen Infektionen ein Teil der Patienten
persistierende funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen davontragen. Außerdem
zeigen Patienten mit einer ausgeprägten Immunantwort auf Helicobacter pylori
niedrigere Wahrnehmungsschwellen als Personen mit H.-pylori-Infektion und nur
moderater Immunantwort oder Personen ohne H.-pylori-Infektion. Ob allerdings
den Patienten mit ausgeprägter Immunantwort die Sanierung der H.-pylori-Infektion
zu einem normalen Schmerzempfinden verhelfen könnte, steht noch in den Sternen.
Tierexperimentelle Untersuchungen beweisen, daß eine gestörte Funktion des
Nervus vagus in einer visceralen Hyperalgesie mündet. Bei Reizmagen-Patienten
sind Störungen des Nervus vagus häufig. So ist die Antwort auf eine
Insulinhypoglykämie, die ein Marker für die Integrität der vagalen Funktion ist,
signifikant vermindert, und Patienten mit einer gestörten Vagusfunktion weisen
signifikant niedrigere Wahrnehmungsschwellen auf als gesunde Kontrollpersonen.
Bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie sind nicht nur periphere, sondern auch
zentrale Funktionen verändert. Mit Hilfe der Positronen-Emission-Tomographie ist
nachzuweisen, daß bei Reizmagen-Patienten und Gesunden das ZNS unterschiedlich
aktiviert wird, wenn das Rektum mechanisch gedehnt wird. Dies könnte eine
veränderte zerebrale Verarbeitung visceraler Informationen bedeuten.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Oberursel
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