Medizin
Fürs tägliche Zähneputzen eine
Natriumfluorid-Zahncreme verwenden? Oder doch lieber das
Aminfluorid-haltige Pendant wählen? Bei der Beantwortung
der Frage könnte das Ergebnis folgender Studie von
Bedeutung sein: Die Überempfindlichkeit von Zahnhälsen
auf Kälte- und Wärmereize wird durch den Gebrauch einer
Aminfluorid(AmF)-haltigen Zahnpaste stärker reduziert
als durch eine Natriumfluorid(NaF)-haltige Variante.
Diese Aussage trifft um so mehr zu, je niedriger der
pH-Wert (bis auf 4,5) der AmF-Paste ist. Nach Absetzen
der Zahncremes nimmt die Empfindlichkeit auf Kälte- und
Wärmereize wieder zu, sie bleibt jedoch geringer bei der
AmF-Paste gegenüber dem Ausgangsbefund und gegenüber
der NaF-Paste.
Dies ergab eine Doppelblindstudie mit 100
Patienten, die an der Klinik für Parodontologie der
Universität Nijmegen/Niederlande von Professor Dr. Heinz
Renggli betreut wurde. Die Patienten hatten jeweils
mindestens vier hypersensible Zähne. Der
Schmerzcharakter auf Kalt- und Warmstimuli wurde mit
speziellen Methoden objektiviert. Eine Parodontalsonde
erzeugte 15 °C kalte Reize, für die Wärmereize wurde
die Luftdüse auf 40 °C erwärmt. Die Messungen
erfolgten vor Behandlungsbeginn, während des Gebrauchs
der Pasten nach zwei, vier und sechs Wochen sowie sechs
Wochen nach Absetzen der Pasten.
Der Versuch gliederte sich in zwei Teile. Zunächst
erfolgte der Vergleich zwischen der AmF- und der
NaF-Paste. Dann wurden AmF-Pasten mit pH-Werten von 4,5
und 5,0 mit der NaF-Paste verglichen. Gleichzeitig mit
der Zahnpaste erhielten alle Patienten eine neue, weiche
Zahnbürste derselben Marke. Frühere Pasten und Bürsten
wurden eingefordert. Diese kamen erst nach der
sechswöchigen Testperiode wieder zum Einsatz.
Zum ersten Teilversuch: Bereits nach zwei Wochen zweimal
täglichen Zähnebürstens zeichnete sich der positive
Effekt der AmF-Paste ab. Nach sechs Wochen war bei den
mit AmF behandelten Patienten die Empfindlichkeit auf
Kältereize um 60 Prozent (von ursprünglich 4,8 Zähnen
auf 1,9), in der NaF-Gruppe jedoch nur um 31 Prozent (von
vormals 4,5 Zähnen auf 3,3) reduziert. Beide Pasten
konnten die überempfindliche Reaktion auf Wärmereize
weniger deutlich beeinflussen. Die NaF-Paste brachte gar
keinen signifikanten Erfolg, und bei der AmF-Paste
sprachen noch 2,6 von den vormals 4,7 Zähnen
übermäßig auf Wärmereize an. Noch sechs Wochen nach
Testende reagierten die AmF-behandelten Zahnhälse
erheblich weniger schmerzempfindlich auf
Temperaturschwankungen.
Zum zweiten Teilversuch: AmF-Pasten mit pH-Werten von 4,5
und 5,0 brachten im Vergleich zur NaF-Variante eine
signifikante Abnahme der Schmerzreaktion. Dabei sprachen
mehr Zähne an, wenn die ph-niedrigere Paste verwendet
wurde. Der leicht saure pH-Wert ist nach den Vermutungen
des Studienleiters Renggli auch der Grund dafür, warum
Aminfluorid dem Natriumfluorid überlegen ist.
Jeder fünfte Erwachsene bekommt beim Essen seine
überempfindlichen Zahnhälse zu spüren. Entzündliche
und nichtentzündliche parodontale Destruktionsprozesse,
aber auch der falsche oder zu häufige Gebrauch von
Zahnbürsten können gingivale Rezessionen mit
freiliegenden Zahnhälsen bewirken. Die Empfindlichkeit
des freigelegten Dentins (Zahnbein, das das Zahnmark
umschließt) beruht auf der Reizweiterleitung in den
Dentinkanälchen. Diese haben direkten Kontakt zum
Zahnmark, deshalb die Schmerzen.
In der Einleitung der Originalarbeit heißt es, daß zur
Behandlung überempfindlicher Zahnhälse alle möglichen
Substanzen auf Tauglichkeit geprüft werden: Corticoide,
Ionophorese oder chemische Mittel wie Fluoride,
Strontiumchlorid, Calciumhydroxid, Formaldehyd, Nitrate,
Oxalate oder Lacke. Weiter heißt es: Wegen häufig
unkontrollierter Studien, dürfe ihre Effektivität
weitgehend angezweifelt werden.
Renggli erklärt sich die Wirksamkeit der AmF-Pasten
folgendermaßen: Fluorid diffundiert in die offenen
Dentintubuli, liegt dort entweder als Fluorid-Ion vor
oder - was Renggli für wahrscheinlicher hält - es wird
dort als CaF
2-Präzipitat
gebunden. Auf der Wurzeloberfläche bildet sich so eine
Deckschicht aus Calciumfluorid aus. Die regelmäßige
Zufuhr von Aminfluorid könne deshalb das Lumen der
Dentinkanälchen verengen und die Schmerzempfindlichkeit
reduzieren. Um die aufgebaute Schutzschicht beim
Zähneputzen nicht zu zerstören, ist es deshalb wichtig,
eine weiche Zahnbürste zu verwenden.
Artikel von der PZ-Redaktion
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