Medizin
Venentherapeutika sind ins
Kreuzfeuer der Erstattungspflicht-Diskussion geraten: Der
Arzneiverordnungsreport stuft sie als umstrittene
Arzneimittel ein. Und "wenn ein Therapieprinzip erst
mal in einer Ecke steht, ist es schwer, es dort wieder
rauszuholen", sagte Professor Dr. Dr. Ernst
Mutschler auf einem von Schwabe Arzneimittel und Ganzoni
ausgerichteten Workshop. Auch die Kompressionstherapie
ist erst nach langem Ringen während den Verhandlungen zu
den Neuordnungsgesetzen im Pflichtkatalog der
gesetzlichen Krankenkassen geblieben. Dabei gibt es
klinische Studien, die den Ödemprotektiva und der
Kompression gute Noten bescheinigen.
"Je früher kompetent therapiert wird, desto
leichter werden Komplikationen vermieden", riet Dr.
Eberhard Rabe von der Universitäts-Hautklinik in Bonn.
Die Kompressionstherapie gehört zu den Grundpfeilern der
Venentherapie, da der "körpereigene
Kompressionsstrumpf", die Muskelfaszie, insuffizient
geworden ist. In der Akutphase ist der
Kompressionsverband Mittel der Wahl, um das Ödem schnell
auszuschwemmen. Für die Dauertherapie empfiehlt Rabe den
Kompressionsstrumpf. Er untermauerte anhand von Studien
die Wichtigkeit dieser Therapie.
So zeigt eine randomisierte prospektive Studie mit 199
Probanden, daß ein Kompressionsstrumpf nach einer tiefen
Beinvenenthrombose in 63 Prozent der Fälle ein
postthrombotisches Syndrom verhindert. Auch auf die
Rezidivneigung bei abgeheiltem Ulcus cruris hat die
Kompressionstherapie einen günstigen Einfluß. Das
bestätigen zwei Studien von 1991 und 1996, an denen 73
beziehungsweise 56 Probanden teilnahmen. In der 91er
Studie lag die Rezidivrate nach fünf Jahren bei 29
Prozent. Zum Vergleich: Bei den Patienten ohne
Kompression hatten alle bereits nach 26 Monaten ein
Rezidiv. Diese Ergebnisse konnte die 96er Studie
bestätigen, in der die Nachbeobachtungszeit 28 Monate
betrug.
Die Kompression schafft ein Widerlager zur Muskelpumpe.
Daraus resultiert eine erhöhte Rückresorption von
Schwellungen. Die Kompression darf aber nicht als Ersatz
zum Geh- und Lauftraining angesehen werden. Zudem
verkleinert sie den Venenquerschnitt und erhöht so die
Fließgeschwindigkeit des venösen Blutes. Zusätzliche
Effekte sind eine Erhöhung der fibrinolytischen
Aktivität der Venenwand und eine verbesserte
Mikrozirkulation. Wichtig: Die Kompression übt auch
Druck auf das arterielle System aus. Deshalb stellt die
periphere arterielle Verschlußkrankheit eine der
wichtigsten Kontraindikationen dar.
Ödemprotektiva: Was können sie,
was können sie nicht?
Dr. Curt Diehm, Innere Medizin der Universitätsklinik
Heidelberg,schätzt, daß bei etwa 50 Prozent der
Patienten "der Strumpf in der Ecke landet". Die
Compliance lasse gerade bei Patienten, die den Strumpf
zur Prophylaxe tragen müßten, zu wünschen übrig. Die
Compliance ist außerdem abhängig vom Schweregrad der
Erkrankung und der Jahreszeit. Aufgrund dieser
Akzeptanzprobleme sind die Ödemprotektiva für Diehm das
zweite Standbein im Therapieregime. Klinische Studien
beweisen, daß sie die Symptome der Rückflußstörung
bessern können.
Diehm macht die unüberschaubare Zahl von Venenmitteln
dafür verantwortlich, daß diese in den letzten Jahren
in Mißkredit geraten sind. Viele seien unterdosiert oder
enthielten beliebige Kombinationen, die "nicht
wirken können". Nur wenige können überzeugende
Daten vorweisen. Positiv-Monographien der Kommission E
des ehemaligen BGAs liegen nur für
Roßkastaniensamenextrakt mit standardisiertem Aescin,
Mäusedorn mit standardisiertem Ruscogenin und Steinklee
mit standardisiertem Cumarin vor. Tierexperimentelle
Untersuchungen und klinische Studien geben auch den
Rutosiden (Troxerutin/Oxerutin 1000 mg/Tag) gute Noten.
Man schreibt den Venentherapeutika ödemverhindernde,
venenkapillarabdichtende sowie -stabilisierende und
antiexsudative Effekte zu.
In multizentrischen, placebokontrollierten Studien über
12 Wochen verringerten die Ödemprotektiva in 60 Prozent
der Fälle signifikant das Unterschenkelvolumen. Auch
subjektive Parameter wie Schmerzen besserten sich (71,4
Prozent). Eine weitere Studie vergleicht die Wirkung mit
der von Kompressionsstrümpfen. Der Effekt durch die
Medikamente setzte zwar zögerlicher ein, war aber nach
den Worten Diehms mit der Kompression vergleichbar.
Optimal scheint die Kombination zu sein: Bei Patienten,
die an chronischer Veneninsuffizienz litten, erwies sich
die Gabe von Ödemprotektiva zusätzlich zur Kompression
der alleinigen Kompressionstherapie überlegen. Der
Effekt konnte additiv gesteigert werden.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Frankfurt
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