Erreger der Katzenkratzkrankheit identifiziert |
06.04.1998 00:00 Uhr |
Medizin
In vielen europäischen Ländern hat die Hauskatze den Hund längst aus
seiner angestammten Rolle als Lieblingshaustier verdrängt. Mittlerweile
wird die Zahl der Hauskatzen in Deutschland auf rund 5,6 Millionen
geschätzt. Diese Verbreitung macht es verständlich, daß alle jene
Krankheiten zunehmend auf öffentliches Interesse stoßen, bei denen die
Stubentiger eine ursächliche Rolle spielen.
Während die Katzenhaarallergie Ärzten und medizinischen Laien inzwischen bestens
vertraut ist, war bisher bei der sogenannten Katzenkratzkrankheit nicht einmal der
Erreger bekannt. Diese Wissenslücke über die Infektionskrankheit konnte nun
geschlossen werden. In einem im New England Journal of Medicine veröffentlichten
Artikel trat die Arbeitsgruppe um Dr. Jane E. Koehler, University of California, San
Francisco, den Beweis dafür an, daß die Katzenkratzkrankheit ähnlich wie das
Schützengrabenfieber von Bakterien verursacht wird, die der Familie der Bartonellen
zugerechnet werden.
Läuse übertragen Schützengrabenfieber
Das Schützengrabenfieber wurde erstmals während des ersten Weltkriegs
beobachtet. Befallen waren über eine Million Soldaten, die über Monate unter
denkbar schlechten hygienischen Bedingungen in den Schützengräben leben mußten.
Die Soldaten waren häufig von Läusen befallen, die ihrerseits mit Bartonella quintana
infiziert waren. Die Übertragung der Krankheitserreger erfolgte durch die Läuse von
Mensch zu Mensch.
Die fieberhafte Krankheit bricht aus, sobald durch das Aufkratzen von juckenden
Läusebissen mit den Bakterien Läusekot in die Kratzwunde eingebracht wird. Nach
drei bis zehn Tagen treten dann auf der Haut erst kleine rote Flecken auf, die
Mückenstichen ähneln. Danach schwellen die regionalen Lymphknoten an, beginnen
zu schmerzen und gelegentlich auch zu eitern. Meist stellen sich Fieber, Kopfschmerz
und Krankheitsgefühl ein. Gelegentlich kommt es bei diesen Infektionen auch zu
komplizierten Verläufen. Es entwickelt sich eine Enzephalitis, Krämpfe treten auf,
und in besonders schweren Fällen sterben die Patienten.
Koehler und ihre Kollegen konnten mit Hilfe der PCR-Untersuchung anhand von 49
Patienten nachweisen, daß auch die Katzenkratzkrankheit (Cat Scratch Disease)
durch Bakterien (Bartonella henselae) ausgelöst wird, die den Erregern des
Schützengrabenfiebers nahe verwandt sind. Auch Bartonella henselae dringen über
kleine Kratzverletzungen in die Haut ein, allerdings sind nicht Läuse die Überträger
der Infektion, sondern infizierte Katzenflöhe. Die Katzen selbst sind völlig gesund.
Allein in den USA werden pro Jahr etwa 40.000 Fälle der Katzenkratzkrankheit
registriert. Sie tritt damit sehr viel häufiger auf als die durch Zecken übertragene
Lyme-Borreliose.
Effiziente Therapie möglich
Die Aufklärung der Ursache der Katzenkratzkrankheit ist auch deshalb so wichtig,
weil sie endlich den Weg zu einer rationalen und effizienten medikamentösen
Therapie aufzeigt. Schon eine einmalige Dosis des Antibiotikums Erythromycin reicht
meist aus, um die Krankheitserreger zuverlässig abzutöten. Es hat sich in den
vergangenen Jahren gezeigt, daß eine Infektion mit Bartonella quintana
beziehungsweise Bartonella henselae vor allem bei Menschen mit Immunschwäche
häufiger als in der Normalbevölkerung auftritt. Sie verläuft in diesen Fällen oft
schwerer und befällt innere Organe wie Gehirn, Leber und Milz. Häufig sind auch
Menschen betroffen, die in unhygienischen Verhältnissen leben.
PZ-Artikel von Jochen Kubitscheck, Waddeweitz
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