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Von rauchenden Großvätern und der Veranlagung zu Krebs

29.03.1999  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Von rauchenden Großvätern und der Veranlagung zu Krebs

von Ulrike Wagner, Heidelberg

"Mein Großvater hat geraucht wie ein Schlot und ist 92 Jahre alt geworden. Andere Leute haben keine einzige Zigarette geraucht und sterben trotzdem mit 45 Jahren an Krebs." Was oft als Begründung dafür herhalten muß, Lebensgewohnheiten beizubehalten, von denen wir wissen, daß sie gesundheitsschädlich sind, ist nun wissenschaftlich bewiesen. Einige Menschen haben eine Tumorprädisposition: Sie reagieren empfindlicher auf krebserregende Substanzen wie Zigarettenrauch oder Strahlen.

Das ist das Ergebnis mehrerer Forschergruppen, die ihre Studien am 24. März auf dem zehnten Symposium der Abteilung Experimentelle Krebsforschung (AEK) der Deutschen Krebsgesellschaft vorgetragen haben. Die Wissenschaftler konzentrierten sich dabei auf DNA-Reparatur-Mechanismen. Jeder Mensch ist Umwelteinflüssen ausgeliefert, die die DNA schädigen können. Dazu gehören zum Beispiel die UV-Strahlung und kanzerogene Chemikalien. Peter Schmezer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und seine Mitarbeiter haben Lungenkrebs-Patienten auf ihre Empfindlichkeit gegenüber krebserregenden Substanzen getestet. Bei Lungenkrebs waren Wissenschaftler bisher davon ausgegangen, daß die Erkrankung vor allem von Umweltfaktoren wie dem Zigarettenrauch beeinflußt wird.

...doch nicht nur die Zigaretten

Um herauszufinden, ob nicht auch erbliche Faktoren dafür verantwortlich sind, daß sich ein Tumor entwickelt, haben Schmezer und seine Mitarbeiter Blut-Zellen von Lungenkrebs-Patienten einem Mutagen ausgesetzt, das die DNA schädigt. Anschließend testeten sie, inwieweit die Zellen ihre DNA wieder reparieren können. Es stellte sich heraus, daß die Zellen von Lungenkrebs-Patienten eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Karzinogenen haben und Schäden an der DNA nicht so gut reparieren können, wie die Zellen gesunder Menschen.

Das Rauchen selbst beeinflußt die Zellen zwar in ihrer Antwort auf Mutagene. Aber auch Zellen von Lungenkrebs-Patienten die nie geraucht hatten, waren im Vergleich zu gesunden Nichtrauchern empfindlicher gegenüber krebserregenden Substanzen und hatten eine geringere Kapazität, Schäden im Erbgut zu reparieren. Es scheint also eine erbliche Komponente zu geben, die Zellen gegenüber Karzinogenen empfindlicher macht. Mit dem 92jährigen stark rauchenden Großvater hat man also höchstens ein Viertel der Miete. Wer weiß, welche Empfindlichkeiten man von den beiden Großmüttern und dem anderen Großvater mitbekommen hat?

Empfindliche Chromosomen

Zu einem ähnlichen Schluß wie die Heidelberger Forscher kam David Scott vom Paterson Institute for Cancer Research in Manchester, Großbritannien. Er und seine Mitarbeiter hatten Patienten mit Ataxia telangiectasia untersucht, einer Erbkrankheit bei der neben vielen anderen Symptomen besonders häufig Tumore entstehen. In radioaktiv bestrahlten Blutzellen fanden sie bei den Erkrankten im Vergleich zu gesunden Menschen besonders häufig Brüche in den Chromosomen. Frauen, die die seltene Krankheit zwar weitergeben, selbst aber nicht erkranken, weil nur eines der beiden Chromosomen den verantwortlichen Defekt trägt - haben ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Daher untersuchten die britischen Forscher auch die Strahlenempfindlichkeit der Zellen von Brustkrebs-Patientinnen. Auch hier wurden sie fündig. Die Chromosomen von etwa 40 Prozent der Patientinnen zeigten auch die Überempfindlichkeit gegenüber radioaktiver Strahlung. Im Gegensatz dazu ist das bei nur etwa fünf Prozent der gesunden Frauen der Fall, so Scott.

Auch auf die Frage, ob die erhöhte Empfindlichkeit gegenüber radioaktiver Strahlung vielleicht erst eine Folge der Krebserkrankung, und nicht an ihrer Entstehung beteiligt ist, fanden die Forscher eine Antwort. Sie untersuchten die Zellen gesunder Familienangehöriger und fanden heraus, daß die Überempfindlichkeit gegenüber radioaktiver Strahlung vererbt wird. Sie stellten die These auf, daß die dafür verantwortlichen Gene eine geringe Penetranz haben: Die höhere Empfindlichkeit ist zwar erblich, die Gene setzen sich jedoch nicht immer durch. Ob schließlich ein Tumor entsteht, ist dann wiederum von Umweltfaktoren abhängig.

Starkes Rauchen verursacht doch Krebs

Auch Jaqueline Cloos und ihre Mitarbeiter von der Sektion Tumor-Biologie der freien Universität von Amsterdam kamen zu dem Ergebnis, daß es in der Bevölkerung eine erblich erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Faktoren gibt, die die DNA schädigen. Nach ihren Daten führte diese Veranlagung vor allem bei starken Rauchern zu Tumoren. Deren Risiko zu erkranken stieg drastisch, wenn sie zusätzlich die ererbte Überempfindlichkeit gegenüber krebserregenden Substanzen hatten.

Welche Gene bei Menschen mit der erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Kanzerogenen defekt sind, ist noch völlig unklar. Und auch, ob wir irgendwann Risiken wie zum Beispiel das Rauchen meiden werden, weil wir ganz konkret wissen, daß unsere Gene einer solchen Belastung nicht standhalten.

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