Gleiche Therapie in anderer Reihenfolge |
23.03.1998 00:00 Uhr |
Medizin
Derzeitiger Standard der Brustkrebsbehandlung ist Entfernung des
Knotens, nach Möglichkeit unter Erhaltung der Brustdrüse, mit
anschließender Bestrahlung und Chemotherapie. Amerikanische
Studienergebnisse legen jedoch nahe, daß durch eine zeitliche Verlegung
der Chemotherapie vor die Operation bessere Behandlungsergebnisse zu
erzielen sind.
Etwa jede neunte Frau in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens an einem
Mammakarzinom. Etwa die Hälfte der Patientinnen kann durch Operation,
Bestrahlung und Chemotherapie geheilt werden. Bei einem Drittel dieser Frauen
steht jedoch eine totale Brustentfernung an. Das ist meist dann der Fall, wenn der
Durchmesser des Tumors größer als drei Zentimeter ist. Das Ziel einer weltweiten
Initiative ist es, die Rate der brusterhaltenden Operationen zu erhöhen.
Professor Dr. Bernhard Fisher vom Pittsburgh Cancer Institut in Pennsylvania, USA,
hat die systemische Chemotherapie vor die geplante Operation gelegt und damit die
Rate der brusterhaltenden Operationen signifikant verbessern können. Fisher stellte
Anfang März auf einem von Rhône Poulenc Rorer unterstützten
Brustkrebssymposium in Frankfurt Studienergebnisse der NSABP vor. Dies ist die
größte Studiengruppe auf dem Gebiet des Mammakarzinoms in den USA und wird
von Fisher geleitet.
Bei etwa 1.600 Patientinnen hatte man die Effektivität der postoperativen
Chemotherapie der präoperativen Variante gegenübergestellt. In 80 Prozent der
Fälle konnte Fisher allein durch die Chemotherapie den Tumor verkleinern; in der
Folge erhöhte sich die Zahl der Patientinnen, die nicht von einer Geschwulst im
axillären Lymphknoten befallen wurde, und die Rate der brusterhaltenden
Operationen signifikant. Nur bei drei Prozent der Patientinnen wuchs der Tumor
während der Chemotherapie weiter.
Durch die Vernichtung der Mikrometastasen vor der Operation reduziere man das
Ausmaß der operativen Eingriffe, so Fisher. Die präoperative Medikamentengabe
habe den Vorteil, daß man durch klinische Untersuchungen oder durch bildgebende
Verfahren wie Ultraschall, Kernspintomographie und Mammographie Informationen
darüber erhalte, inwieweit der Tumor gegenüber der Chemotherapie empfindlich ist.
Die Effektivität einer postoperativen Chemotherapie könne dagegen nur durch
Langzeitbeobachtungen bewertet werden.
Bei der NSABP-Studie wurden das Anthracyclin Adriamycin (Doxorubicin) und
Cyclophosphamid eingesetzt. Eine Initiative in Deutschland will jetzt das neue
Behandlungskonzept aus den USA überprüfen, allerdings mit anderen Arzneistoffen.
Die deutsche Studie hat zum Ziel, Fishers Ergebnisse noch zu übertreffen. Deshalb
setzen die Wissenschaftler anstatt Cyclophosphamid das derzeit wirksamste
Medikament beim Mammakarzinom, Docetaxel (Taxotere®) ein. Die Kombination
von Adriamycin (Adriblastin®) und Docetaxel soll sich in einer Vorstudie als sehr
effektiv und gut durchführbar erwiesen haben.
Außerdem habe sich in der Vorstudie durch Verkürzung der Zeitintervalle auf 14
Tage eine Dosisintensivierung ergeben, so daß bei vier Therapiezyklen die gesamte
Behandlungsdauer bis zur Operation nur noch acht statt zwölf bis sechzehn Wochen
betrage. In dem vergleichenden Studienprotokoll der neuen deutschen Studie
(GEPARDO Studie, German Preoperative Adriamycin-Docetaxel wird untersucht,
ob durch die gleichzeitige Gabe von Tamoxifen eine höhere Ansprechrate erzielt
werden kann. Das Antiestrogen Tamoxifen ist ein sogenannter Resistenzmodifier.
Resistenzen der Tumorzelle auf die Chemotherapie sollen umgangen werden.
Alle Patientinnen erhalten 50 mg/m² Adriamycin (15 Minuten i.v.-Infusion) und 75
mg/m² Docetaxel (1 Stunde i.v.-Infusion). Patientinnen der Gruppe I erhalten ab
dem ersten Tag zusätzlich zur Chemotherapie einmal täglich 30 mg Tamoxifen
peroral.
Unter der Leitung von Professor Dr. Manfred Kaufmann vom Zentrum für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Frankfurter Universitätsklinik und unter
Beteiligung der Universitäts-Frauenklinik Münster, der Universitäts-Klinik Charité,
Berlin, dem Krankenhaus zum Roten Kreuz, München, und der Frauenklinik
Bayreuth, startet die Studie mit dem neuen Ansatz der Brustkrebsbehandlung.
Studienteilnehmerinnen werden derzeit noch gesucht. Etwa 200 möchte Kaufmann
für den Zeitraum von etwa einem Jahr in das Projekt aufnehmen. Voraussetzung für
die Teilnahme ist, daß die Frauen mit einem neu entdeckten Knoten in der Brust
noch nicht operiert wurden. Die Diagnose muß aber durch die Entnahme einer
kleinen Gewebeprobe gesichert werden.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Frankfurt am Main
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