Medizin
Infektionen mit
Herpes-simplex-Viren (HSV) sind nicht außergewöhnlich.
Über neunzig Prozent der Bevölkerung sind mit dem Typ
HSV-1 infiziert. Mit etwa zwanzig Prozent
Durchseuchungsrate ist HSV-2, das vorwiegend sexuell
übertragen wird, deutlich seltener. Eine Infektion mit
Typ 1 schützt nicht vor der Infektion mit HSV-2 und
umgekehrt.
Nach der häufig asymptomatischen
Primärinfektion persistieren alle Herpesviren im
Körper: HSV-1 wandert ins Trigeminusganglion, HSV-2 in
Ganglien entlang des Rückenmarks, vorwiegend in die
Kreuzbein- und Lendenregion. In den Ganglienzellen wird
die virale DNA gelagert und kann von dort reaktiviert
werden. Nur sehr selten wird ein Ganglion von beiden
Virustypen befallen.
Klinisch manifestiert sich die Infektion typenspezifisch.
Infektionen oberhalb der Gürtellinie sind vorwiegend
durch HSV-1 bedingt, Infektionen im Genitalbereich
vorwiegend durch HSV-2. Durch zunehmende Promiskuität
verwischen die Grenzen; auch HSV-2 wird als Verursacher
von Herpesbläschen im Mund- und Gesichtsbereich
gefunden. Ein Herpes genitalis ausgelöst durch HSV-1
verläuft milder als die HSV-2-induzierte Form.
Rezidive bei Herpes labialis
Die mit Abstand häufigste rezidivierende
HSV-Erkrankung ist der Lippenherpes. Manche Patienten
erleiden alle vier bis sechs Wochen ein Rezidiv, andere
ein- bis zweimal pro Jahr. Eine möglichst frühzeitige
topische Therapie mit einem Virustatikum kann die
Krankheitsdauer und damit die Zeit der Virusausscheidung
verkürzen und soll helfen, Komplikationen, zum Beispiel
am Auge, zu vermeiden, betonte Professor Dr. Reinhard
Engst, München, bei der Einführungspressekonferenz von
Penciclovir zur Therapie des Herpes labialis (Vectavir®
Creme, SmithKline Beecham).
In Studien mit über 2200 Patienten verkürzte die
einprozentige Penciclovir-Creme die Heilungszeit und
Schmerzdauer um 17 bis 18 Prozent gegenüber Placebo.
Dazu soll die Creme alle zwei Stunden aufgetragen werden
(sechs- bis achtmal täglich), am zweiten Behandlungstag
zehn- bis zwölfmal. Die Therapiedauer beträgt vier bis
fünf Tage. Bei Komplikationen wie dem Eczema
herpeticatum riet Engst zu einer systemischen Therapie,
zum Beispiel mit parenteral verabreichtem Aciclovir oder
peroralen Virustatika.
Famciclovir gegen Herpes genitalis
Beim Herpes genitalis verursacht die
Erstinfektion bei etwa zwanzig Prozent der Betroffenen
starke Schmerzen. Zur Therapie empfahl Professor Dr.
Sawko W. Wassilew, Krefeld, Aciclovir (fünfmal 200 mg
täglich) oder Famciclovir (dreimal 250 mg täglich)
jeweils über fünf Tage. Bei häufigen oder sehr
schmerzhaften Rezidiven ist eine Prophylaxe möglich:
Aciclovir zweimal 400 mg, Valaciclovir einmal 500 mg oder
Famciclovir zweimal 125 mg täglich werden jeweils über
ein Jahr peroral gegeben. Nach Absetzen sind Rezidive oft
seltener als vorher.
Famciclovir, das in vivo zum Wirkstoff Penciclovir
hydrolysiert wird, ist seit kurzem zur Therapie der
Herpes-genitalis-Ersterkrankung (Famvir® 250 mg) sowie
zur Frühbehandlung von Rezidiven (Famvir® 125 mg)
zugelassen. Die Indikation der Dauersuppression ist
beantragt. Die Zulassung zur Therapie von Herpes zoster
besteht seit November 1994.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler
© 1996 GOVI-Verlag
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