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Nicht nur FSME und Borreliose

22.03.1999  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag ZECKENZEIT

Nicht nur FSME und Borreliose

von Stephanie Czajka, Berlin

Vor der jährlichen Zeckeninvasion gibt es in Berlin jedes Jahr das Internationale Potsdamer Zecken-Symposium. Erstmals wurde auf der Pressekonferenz neben FSME und Borreliose auch von anderen Erkrankungen berichtet, die durch Zecken übertragen werden können.

Fünf bis zehn Fälle einer Ehrlichiose-Infektion habe es bisher in Europa gegeben, sagte Professorin Dr. Martha Granström aus Stockholm. Die Zahlen sagen allerdings wenig aus. Solange die Krankheit weitgehend unbekannt bleibt, würde sie auch nicht diagnostiziert, meinte Granström. Die Ehrlichiose verursacht ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenbiß unspezifische Grippe-ähnliche Symptome wie Fieber und Kopfschmerzen. Analog der echten Grippe kann auch die Ehrlichiose bei Alten oder immunschwachen Menschen sehr schwer verlaufen. Über Langzeitschäden ist nichts bekannt, Granström schließt einen chronischen Verlauf aber nicht aus.

Das Ehrlichia-Bakterium ist immunsuppressiv. Infiziert eine Zecke den Menschen mit Ehrlichia und Borrelia gleichzeitig, verläuft die Borreliose schwerer. Die Ehrlichiose muß nicht unbedingt diagnostiziert oder therapiert werden, sagte Granström. Spreche aber eine Borreliose nicht auf eine Therapie an oder verlaufe sie besonders schwer, müsse an eine Coinfektion mit Ehrlichia gedacht werden.

In den Vereinigten Staaten von Amerika hat man mehr Erfahrung mit dieser Krankheit. Dort geben Mediziner über zwei Wochen 200 mg Doxycyclin. Antibiotika wie zum Beispiel Penicillin wirken nicht.

Ähnlich immunsuppressiv ist die Babesiose. Auch sie wird durch Zecken übertragen, von Erkrankungen in Europa wurde in den letzten Jahrzehnten aber nichts berichtet. Schwere Erkrankungen und Todesfälle gab es bei immunschwachen Patienten in Nordamerika. Babesia ist ein Parasit und Verwandter des Malaria-Erregers, entsprechend schwierig ist die Behandlung.

Vom Zeckendarm ins Menschenblut

In Amerika gibt es seit Januar einen Impfstoff gegen den dortigen Erreger-Typus Borrelia burgdorferi sensu stricto. Der Impfstoff enthält Teile des "Outer Surface Protein A" (OspA). Obwohl dieses Lipoprotein sehr immunogen sei, wirke der Impfstoff in ungefähr 20 Prozent der Fälle nicht, sagte Dr. Reinhard Wallich von der Universität Heidelberg. Der Grund: Das Bakterium kann nicht nur OspA, sondern auch OspC als Antigen präsentieren. Sitzt das Bakterium im Zeckendarm überwiegt OspA, gelangt das Bakterium während des Bisses vom Zeckedarm in die Speicheldrüsen der Zecke, überwiegt dort OspC. Saugt die Zecke geimpftes Menschenblut, inaktivieren die Antikörper die Bakterien noch im Zeckendarm. Manchmal aber sind die Borrelien schneller. Sie sitzen (als OspC) beim Biß schon in den Speicheldrüsen und gelangen ungehindert in die Blutbahn des Menschen.

Durch die Kombination von OspA- mit OspC-Impfstoff soll diese Impflücke geschlossen werden. In Europa gibt es mehrere Untergruppen des OspA-Proteins, daher dauert die Impfstoff-Entwicklung insgesamt länger.

Da der Zeckenerreger im Darm sitzt, rät Dr. Hans Dautel vom Institut für Zoologie in Berlin davon ab, Zecken mit Lösungsmitteln zu entfernen. Man wisse nicht, wie die Zecke reagiere. "Vielleicht erbricht sie Darminhalt samt Borrelien." Die Zecken sollten am besten mit einer guten Pinzette kontrolliert herausgezogen werden. Zeckenzangen gingen auch, viele Modelle seien aber zu grob und nicht stabil genug.

Keine Hysterie, keine Ignoranz

Nach Meinung von Professor Dr. Wilhelm Kölmel aus Erfurt ist die Borreliose inzwischen schon eine Krankheitseinheit innerhalb der Psychiatrie. Der Grat ist schmal: Wann bildet sich der Patient die Borreliose ein, wann ist er wirklich infiziert? Kölmel konnte die Frage nicht zufriedenstellend beantworten. "Wer seronegativ ist, hat mit größter Wahrscheinlichkeit keine Borreliose."

Was aber gilt für die zehn bis dreißig Prozent der Bevölkerung, die ohne Symptome seropositiv sind? Bei den neurologischen Spätfolgen sei das noch vergleichsweise einfach, sagte Kölmel. Der Erreger läßt sich meist im Liquor nachweisen. Bei späten Erkrankungen am Auge, an den Gelenken oder am Herzen ist der Nachweis schwer und unsicher. Daher gebe es keine Zahlen darüber, wie viele Rheumaerkrankungen durch Borrelien verursacht wurden. Umgekehrt schätzt Kölmel, daß zehn Prozent der unbehandelten Borreliosen zu rheumatischen Beschwerden, ebenfalls zehn Prozent zu neurologischen und ein bis zwei Prozent zu kardialen Erkrankungen führen.

Und FSME? Die Erkrankungszahlen sind leicht zurückgegangen. An der Verbreitung hat sich wenig verändert. In den neuen Bundesländern seien keine Fälle mehr aufgetreten, eine Impfung sei dort nicht mehr notwendig, sagte Dr. Jochen Süss, vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV). Die Immunglobuline sind nach wie vor für Kinder unter 14 Jahren gesperrt. Über die Ursachen für die besonders schweren Verläufe nach passiver Immunisierung wird weiterhin diskutiert.

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