Neues aus der Wissenschaft |
10.02.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Mehr als zwei Millionen Menschen sterben jährlich an
einer Infektion mit dem Einzeller Plasmodium falciparum.
Über den Stich einer Anophelesmücke gelangen die
Erreger in den Körper, wandern in die Leber, entwickeln
sich dort vom Sporozoit zum Merozoit und gelangen dann
wieder ins Blut. Bis heute gibt es keinen wirksamen
Impf-schutz gegen eine Infektion mit dem Erreger.
Eine belgisch-amerikanische Forschergruppe hat jetzt
einen Impfstoff entwickelt, der im Versuch eine relativ
hohe Immunogenität zeigte. Basis der Vakzine ist das
Circumsporozoitprotein des Erregers, es gilt als
wesentliches Antigen auf der Zelloberfläche. Das in
Versuchen als Impfstoff verwendete Antigen bestand aus
einem Hybrid, in dem ein mit Circumsporozoitprotein
fusioniertes Oberflächenantigen von Hepatitis B (HBsAg)
zusammen mit nicht fusioniertem HBsAg exprimiert wird.
Zusätzlich enthielt der Impfstoff noch die
Immunstimulantien Monophosphoryl Lipid A und QS 21.
Die Wissenschaftler injizierten die Vakzine sieben
Freiwilligen, die keinen Immunschutz gegen Malaria
besaßen. Anschließend ließen sich die Testpersonen
mehrfach von mit Plasmodien infizierten Anophelesmücken
stechen. Mit dem Resultat waren die Versuchsleiter hoch
zufrieden: Lediglich eine Person erkrankte an Malaria,
die anderen blieben über den gesamten
Beobachtungszeitraum gesund. Im Vergleich zu anderen
Wegen der Malariaimpfung sei dies ein hervorragendes
Resultat. Jetzt seien Feldversuche mit dem Impfstoff
angezeigt.
J.A. Stoute, et al., New England
Journal of Medicine, 9. Januar 1997, 86 - 90.
Für erektile Dysfunktionen gibt es zahlreiche
Ursachen: Diabetes mellitus, Arzneimittelnebenwirkungen
oder Gefäßkrankheiten können dafür verantwortlich
sein, wenn Es nicht mehr so klappt wie gewünscht.
Erfolgversprechende Behandlungsmethoden sind leider oft
mit unangenehmen Effekten verbunden. Eine Penisprothese
ist teuer und irreversibel, Injektionen in den Penis sind
schmerzhaft.
Einen angenehmeren Weg, verlorengegangene Manneskraft
wiederzuerlangen, weist jetzt eine kalifornische Studie.
Danach sind zwei von drei Männern mit Potenzproblemen
nach transurethraler Gabe von Alprostadil (Prostaglandin
E1) wieder zum Geschlechtsverkehr fähig. Bei der mit
Placebo behandelten Kontrollgruppe waren es lediglich
18,6 Prozent. Am größten war der Erfolg bei einer Gabe
von 1000 µg. Doch auch schon 250 µg zeigten Wirkung.
Prostaglandin E1 erhöht die intrazelluläre
Konzentration von cyclischem Adenosinmonophosphat (cAMP).
Mit einem Applikator konnten sich die Versuchspersonen
das Alprostadil-Pellet selbst in die Urethra einführen.
Dies scheint relativ unproblematisch zu sein, denn nur 10
Prozent der Studienteilnehmer stuften die Therapie als
unangenehm ein. Die häufigste Nebenwirkung waren leichte
Penisschmerzen (32,7 Prozent). Damit hat nach Angaben der
Studienleiter die Applikation durch die Urethra weniger
Nebenwirkungen als die Injektion in den Schwellkörper.
Padma-Nathan, H., et al., New
England Journal of Medicine Vol. 336, 2. Januar, 1-6
Unter starkem Streß wird die Blut-Hirn-Schranke für
Arzneistoffe durchlässig, die normalerweise nicht ins
Gehirn eindringen können. Festgestellt wurde der
Schutzverlust bei Soldaten aus dem Golfkrieg. Sie litten
unter erheblichen Störungen des zentralen Nervensystems,
die auf die regelmäßige Einnahme des reversiblen
Acetylcholinesterase(AChE)-Hemmers Pyridostigmin
zurückgeführt wurden. Das Medikament sollte die
Soldaten vor Vergiftungen durch chemische Kampfstoffe
schützen. Bei nicht gestreßten Menschen kann das polare
Pyridostigmin die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden.
In Tierversuchen konnte die israelische Arbeitsgruppe um
Alon Friedman den Zusammenhang zwischen Streß und der
Permeabilitätserhöhung der Blut-Hirn-Schranke belegen.
In zwei Versuchsreihen injizierten sie gestreßten und
ungestreßten Mäusen intraperetonal (i.p.) einen an
Albumin bindenden Farbstoff beziehungsweise Viren mit
AChE-Plasmid-DNA. Das Ergebnis: Farbstoff und Plasmid-DNA
waren bei gestreßten Mäusen im Gehirn 10fach gegenüber
den Kontrollwerten erhöht.
Durch elektrophysiologische Ableitungen an cholinergen
Nervenzellen im Hippocampus konnten die israelischen
Forscher belegen, daß Pyridostigmin die neuronale
Erregbarkeit steigert. Daraus schließen sie, daß die
bei den Soldaten beobachteten ZNS-Störungen direkt auf
die Wirkung von Pyridostigmin im Gehirn zurückzuführen
sind.
Friedmans Arbeitsgruppe sieht in ihren Untersuchungen
auch ein eindeutiges Indiz dafür, daß die
Blut-Hirn-Schranke unter starkem Streß für einige
peripher wirkende Arzneistoffe durchlässig wird. Dadurch
können wahrscheinlich unvorhergesehene Komplikationen im
Gehirn hervorgerufen werden. Außerdem steigt unter
Streßbedingungen die Gefahr einer Virusinfektionen im
Gehirn, wie der Nachweis von Plasmid-DNA dokumentiert.
Quelle: Friedman, A., et al., Nature
Medicine, Vol. 2, Dezember 1996, 1382-1385
Aminoglykoside wirken schnell und haben ein geringes
Resistenzpotential. Deshalb werden diese Antibiotika in
der Klinik häufig verwendet, vornehmlich bei Infektionen
mit gram-negativen Bakterien. Allerdings können
Vertreter dieser Arzneistoffgruppe schwere Hörschäden
bis hin zur Taubheit auslösen. Die Ursache für die
Ototoxizität war bislang umstritten. Die Arbeitsgruppe
des Neurowissenschaftlers Anthony Basile vom National
Institute of Health in Bethesda, Maryland, konnte jetzt
nachweisen, daß Aminoglykoside die NMDA-Rezeptoren an
den Synapsen zwischen cochlearen Haarzellen und
Nervenzellen des Spiralganglions aktivieren.
N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) ist ein Agonist für einen
Glutamatrezeptortyp. Die über den Rezeptor vermittelte
neuronale Aktivität kann einen exzitotoxischen Prozeß
in Gang setzen. Die erregte Nervenzelle wird geschädigt.
NMDA-Antagonisten wie Dizocilpine und Ifenprodil können
dies verhindern.
Durch Versuche mit Meerschweinchen konnten die
US-Wissenschaftler belegen, daß NMDA-Antagonisten auch
die ototoxische Wirkung der Aminoglykoside Neomycin und
Kanamycin deutlich reduzieren. Während alle 28
Meerschweinchen, die allein mit einem der beiden
Antibiotika behandelt wurden, taub wurden, blieb das
Hörvermögen der meisten Meerschweinchen, denen
Antibiotikum plus NMDA-Antagonisten verabreicht wurde,
erhalten. Von 80 Tieren wurde nur eins taub, 15 weitere
konnten schlechter hören als vorher.
Patrik Ernfors und Barbara Canlon vom Karolinska Institut
in Stockholm schreiben in einem Kommentar, daß die von
Basile verwendeten NMDA-Rezptoren auch beim Menschen
einen Hörverlust nach Aminoglykosidbehandlung verhindern
können.
Quelle: Basile, A.S., et al. und
Ernfors, P., & Canlon, B., Nature Medicine, Volume 2,
Number 12, Dezember 1996 1338-1343; 1313-1314
Zusammengestellt von Daniel Rücker und
Karin Zeller, Darmstadt
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