Kein Anlass zu Massenimpfungen |
20.01.2003 00:00 Uhr |
von Ulrike Wagner, Eschborn
Ein bereits totgesagter Krankheitserreger hat es auf die Titelblätter der Zeitungen geschafft. Panikmache oder reale Bedrohung? Niemand kann offenbar sicher ausschließen, dass Pockenviren in die Hände von Terroristen gelangt sind. Allerdings ist die Erkrankung keine große Unbekannte, und Bekämpfungsstrategien haben sich in der Vergangenheit bereits bewährt.
Ein terroristischer Angriff mit Pockenviren ist „als sehr gefährlich einzuschätzen“, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Vor allem wenn die Viren auf Menschen treffen, deren Immunsystem ihnen nichts entgegenzusetzen weiß. Ob sich die Erkrankung bei einem Ausbruch wie eine Feuerwalze über das ganze Land verbreitet, ohne dass dem Einhalt geboten werden könnte – wie einige Gazetten die Situation heraufbeschwören – ist allerdings fraglich. Denn das Virus ist nur in bestimmten Stadien der Erkrankung infektiös, und Infizierte sind auf Grund der auffälligen Hauterscheinungen vor allem an Händen und im Gesicht leicht zu erkennen.
Eine Impfung ist auch noch nach der Infektion möglich. Sie verhindert die Erkrankung oder zumindest einen schweren Verlauf. Übertragen werden die Pocken in der Regel nur bei intensivem Kontakt mit einem Erkrankten, in der Vergangenheit waren meist Verwandte und Freunde betroffen. Sehr selten wurde eine Infektion über kontaminiertes Bettzeug oder Lüftungsanlagen in geschlossenen Räumen beschrieben.
Derzeit keine Bedrohung
Bis April dieses Jahres soll wieder genügend Impfstoff zur Verfügung stehen, um im Notfall alle Menschen in Deutschland gegen Pocken impfen zu können. Derzeit gebe es keine Hinweise auf eine Bedrohung, betont das RKI auf Nachfrage der PZ. Daher beschränken sich die Aktivitäten des Bundesgesundheitsministeriums auf die Beschaffung des Impfstoffs und auf die Vorbereitung von Impfaktionen seitens der Länder. Träte weltweit ein Pockenfall auf, würden bestimmte Gruppen wie medizinisches Personal, Polizei und Mitarbeiter der Katastrophenschutzes geimpft. Erst wenn ein Mensch in Deutschland an Pocken erkrankt, würde die Bevölkerung mit der inzwischen nicht mehr zugelassenen Vakzine immunisiert. Dies müsse jedoch nicht gleich Massenimpfungen bedeuten, erklärte ein Sprecher des RKI. Werde die Erkrankung früh erkannt und die Kontaktpersonen identifiziert, könnten Riegelungsimpfungen ausreichen, wie sie auch bei der Ausrottung der Pocken praktiziert wurden. Schlüssel dazu war ein effektives Früherkennungssystem und eine rasche Antwort auf einen Ausbruch. Erst wenn Infektionsgefahr für die gesamte Bevölkerung bestehe, würden Massenimpfungen eingeleitet.
Die Vorsicht gegenüber der Impfung ist begründet. Denn die Nebenwirkungen des Impfstoffs sind nicht zu unterschätzen. Daher rät auch die WHO von Impfungen ab, so lange keine oder geringe Infektionsgefahr besteht.
Riese unter den Viren
Das backsteinförmige Pockenvirus, auch Variolavirus genannt, ist äußerst komplex und das größte Virus überhaupt. Es gehört innerhalb der Familie der Poxviridae zur Gattung der Orthopoxviren. Nah verwandt sind zum Beispiel das Alastrimvirus, das eine mildere Pockenerkrankung bei Menschen hervorruft (Variola minor, weiße Pocken) und das als Impfvirus eingesetzte Vacciniavirus, das in der Natur nicht vorkommt. Variolaviren haben kein tierisches Reservoir. Einziger Träger des Virus ist der Mensch.
Pockenviren verbreiten sich über Tröpfcheninfektion langsamer als die Erreger von Windpocken und Masern. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 12 Tage mit einer Variationsbreite von 7 bis 19 Tagen. In der Phase fühlen sich die Infizierten gesund und stecken auch andere Menschen nicht an. Dies ist erst möglich, wenn die Krankheit ausgebrochen ist.
Da die Erkrankung abrupt mit hohem Fieber und einem starken Krankheitsgefühl einsetzt, waren die Patienten in der Vergangenheit rasch bettlägerig und kamen so kaum in Kontakt mit anderen Menschen außer denjenigen, die sie pflegten. So steckte ein Pockenkranker im Durchschnitt zwei bis fünf andere Menschen an, was sich durch die rasche Impfung direkter Kontaktpersonen relativ leicht verhindern ließ. Allerdings geht die WHO heute davon aus, dass ein Pockenkranker wahrscheinlich auf Grund des geringen Immunschutzes innerhalb der Bevölkerung etwa zehn Personen anstecken würde.
Über 3000-jährige Geschichte Der erste Hinweis auf Pocken stammt von den alten Ägyptern aus dem 16. Jahrhundert vor Christus. Wo die Erkrankung zum ersten Mal auftrat, ist noch immer umstritten. Einige Wissenschaftler vermuten, dass das Virus von Nordostafrika mit ägyptischen Händlern nach Indien gelangte, wo sich die Pocken im ersten Jahrtausend vor Christus zu einer endemischen Infektionskrankheit etablierten. Von dort aus verbreiteten sich die Viren zunehmend häufiger in die dünner bevölkerten Gebiete Afrikas und Asiens sowie nach Europa.
Neben der Pest galten die Blattern im Mittelalter als eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit – und wurden damals als Biowaffe eingesetzt. Die Leichen von an Pocken Verstorbenen wurden über die Stadtmauern belagerter Städte katapultiert, um deren Bewohner zu infizieren.
Von Europa aus gelangte das Pockenvirus im frühen 16. Jahrhundert auf den amerikanischen Kontinent, wo es für katastrophale Epidemien sorgte. Die weißen Eroberer halfen dem Virus anscheinend absichtlich bei der Verbreitung. Sie überreichten den nordamerikanischen Indianern die Decken Pockeninfizierter als Gastgeschenk. Das Virus trug maßgeblich dazu bei, die Ureinwohner Nordamerikas stark zu dezimieren, und war wahrscheinlich am Zusammenbruch der Inka- und Aztekenreiche beteiligt. Ähnliche Auswirkungen hatten die Pocken, als sie den letzten Kontinent erreichten, den sie bislang verschont hatten. Die australischen Aborigines starben in großer Zahl an der Infektion, der ihr Immunsystem nichts entgegenzusetzen hatte. Und auch hier vermuten einige Historiker, dass die Pocken absichtlich verbreitet wurden, um den Siedlern das Leben zu erleichtern.
Ende des 18. Jahrhunderts starben allein in Europa jährlich 400.000 Menschen an Pocken. Die Überlebenden machten ein Drittel aller Erblindeten aus. Jedes zehnte Kind, das damals in Schweden und Frankreich zur Welt kam, starb an einer Infektion mit den Variolaviren, in Russland sogar jedes siebte.
Dank der von Edward Jenner entwickelten Impfung (siehe auch PZ 38/99) wurde die Erkrankung aus den Industrienationen zurückgedrängt. In den Entwicklungsländern traten die Pocken jedoch noch bis in die 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts häufig auf. (1950: 50 Millionen Erkrankungsfälle weltweit). 1967 startete die WHO ein weltweites Ausrottungsprogramm, das auf Massenimpfungen der Bevölkerung und einem Überwachungssystem basierte, das einzelne Erkrankungen und Ausbrüche rasch entdeckte. Erstaunlich schnell verschwand dadurch die Erkrankung. Im Oktober 1977 trat die letzte natürlich erworbene Pockenerkrankung in Somalia auf. Danach kam es nur noch einmal zu Erkrankungen und einem Todesfall, als sich 1978 in Birmingham ein Laborunfall ereignete. 1980 proklamierte die WHO die Welt als pockefrei und empfahl, die Impfungen einzustellen. Pockenviren werden offiziell seitdem nur noch in zwei Labors aufbewahrt: bei den amerikanischen Centers of Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta, Georgia, und dem russischen Forschungszentrum für Virologie und Biotechnologie in Nowosibirsk. Eigentlich hätten auch diese Bestände nach den Wünschen der WHO bereits vernichtet werden sollen.
Lange Inkubationszeit
Gelangt das Virus auf die Schleimhäute in Mund, Rachen oder Nase eines nicht Geimpften, wandert es in die benachbarten Lymphknoten, wo es sich vermehrt. Es kommt zu einer asymptomatischen Virämie. Schießlich befällt das Virus auch Milz, Knochenmark und entferntere Lymphknoten. Etwa acht Tage nach Kontakt mit dem Erreger kommt es zu einer sekundären Virämie. Erst jetzt bemerken die Betroffenen die Infektion. Sie leiden unter Fieber und der Schädigung von Blutzellen durch die Viren. Zwei bis drei Tage nach Einsetzen des Fiebers fühlen sich die Patienten meist besser, gleichzeitig tritt jedoch der typische Hautausschlag auf. Einige Experten nehmen an, dass die Patienten erst zu diesem Zeitpunkt infektiös sind und nicht bereits bei Einsetzen des Fiebers.
Ursache der Hautläsionen sind Pockenviren die in befallenen Leukozyten in die kleinen Blutgefäße der Dermis und der Schleimhäute gelangen. Dort infizieren sie benachbarte Zellen und es entstehen die typischen erhabenen Flecken, die sich erst mit virushaltiger klarer Flüssigkeit, dann mit Eiter füllen. Im Unterschied zu Windpocken treten die Läsionen vor allem im Gesicht und an den Händen und Füßen auf. Die Blasen in der dünnen Schleimhaut von Mund und Rachen ulzerieren schnell. Dadurch gelangen große Virusmengen in den Speichel, wodurch die Übertragung auf andere Menschen möglich wird. Die höchste Infektiosität besteht während der ersten Erkrankungswoche.
Mit der Zeit gehen die eitrigen Pusteln langsam in Krusten über, die unter starkem Juckreiz abfallen. Auch im Schorf sind die Virustiter hoch. Aus bislang unbekannten Gründen wird das Virus dadurch aber nur äußerst selten übertragen. Erholt sich der Patient von der Infektion, hinterlässt das Virus bei 65 bis 80 Prozent der Patienten tiefe, entstellende Narben im Gesicht und am ganzen Körper. Einige Patienten erblinden.
In der Vergangenheit starben 25 bis 30 Prozent der Infizierten an einer Pockeninfektion. Dabei sind kleine Kinder besonders gefährdet. In Asien starben bei einigen Ausbrüchen 40 bis 50 Prozent der erkrankten Kinder, die jünger waren als ein Jahr.
Typisch für eine Pockeninfektion und wichtig für die Diagnose ist das abrupt einsetzende hohe Fieber mit starkem Krankheitsgefühl, Kopf- und Rückenschmerzen. Die Hautveränderungen treten erst auf den Schleimhäuten auf, im Gesicht sowie am Unterarm und verbreiten sich von dort auf den Rumpf und die Beine. Die eitrigen Pusteln sind charakteristisch rund, gespannt und tief in die Dermis eingebettet. Im Gegensatz zu Windpocken, mit denen die Pocken oft verwechselt wurden, haben die Erkrankten häufig Blasen an Fußsohlen und Handinnenflächen. Außerdem befinden sich alle Läsionen bei einer Infektion mit Pockenviren im selben Stadium. Eine elektronenmikroskopische Untersuchung der Flüssigkeit aus Blasen, Pusteln oder Schorf kann zur Bestätigung der Diagnose eingesetzt werden.
Zur Therapie steht kein spezifisches Medikament zur Verfügung. Ob neue Virustatika wirken, ist unklar, da offiziell seit mehr als 20 Jahren nicht mehr mit dem Virus gearbeitet werden darf. Allerdings räumt die WHO ein, dass einige Wirkstoffe derzeit daraufhin untersucht werden. In Laboruntersuchungen hatte Cidofovir (Vistide®) gute Ergebnisse ergeben, informiert die Gesundheitsorganisation.
Vakzination
Der Pockenimpfstoff hat wesentlich mehr und schwerere Nebenwirkungen als moderne Impfstoffe gegen andere Erreger. Es handelt sich dabei um vermehrungsfähiges Vacciniavirus, das mit Hilfe einer zweispitzigen Nadel in die Haut am Oberarm gebracht wird (siehe auch PZ 3/03). Hergestellt wurde der Impfstoff ursprünglich, indem man vor allem Schafe und Rinder mit Vacciniaviren infizierte und die Viren aus Hautläsionen der Tiere gewann. Anschließend wurde so viel Phenol zugesetzt, um die in der gewonnenen Flüssigkeit vorhandenen Bakterien abzutöten, nicht jedoch die Viren zu inaktivieren. In Deutschland ist außerdem Impfstoff aus Zellkulturen gelagert, erklärte Professor Dr. Johannes Löwer, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts auf Nachfrage der PZ. Beide Impfstoffe enthalten den Lister-Stamm des Vacciniavirus. Mit geringeren Nebenwirkungen der Vakzine aus Zellkultur ist nicht zu rechnen, da diese weniger durch die Art der Herstellung entstehen, sondern durch das Impfvirus selbst, erklärte Löwer. Die Zulassung des Impfstoffs lief 1991 aus. Für die Öffentlichkeit ist der Impfstoff zurzeit – ohne akute Bedrohung – nicht verfügbar.
Die Bayerische Landesimpfanstalt hat in den 70er-Jahren eine Vakzine entwickelt, die geringere Nebenwirkungen hat. Das darin enthaltene modifizierte Vacciniavirus Ankara (MVA) ist stark abgeschwächt, vermehrt sich im Menschen nicht mehr, könnte intramuskulär appliziert werden, kann nicht auf andere übertragen werden und ruft nicht die typische Impfpocke hervor. Allerdings ist unklar, ob der MVA-Impfstoff einen sicheren Immunschutz induziert. Daher wird es nicht für die Impfung eingesetzt, erklärte Löwer. Die Vakzine wurde als Vorimpfung bei der Erstimpfung gegen Pocken zugelassen, um Impfkomplikationen zu vermeiden.
Das Vacciniavirus verursacht eine lokale Reaktion an der Impfstelle und außer den seltenen Impfzwischenfällen keine Erkrankung beim Menschen. An der Impfstelle entsteht eine juckende, rote Papel, umgeben von einem Erythem. Daraus entwickelt sich eine flüssigkeitsgefüllte Blase, die sich anschließend mit Eiter füllt und dann unter Bildung von Schorf eintrocknet. Der Schorf löst sich nach zwei bis drei Wochen und hinterlässt die typische Impfnarbe. Neben den Hautveränderungen leiden die Geimpften häufig unter niedrigem Fieber sowie geschwollenen und druckempfindlichen Lymphknoten. Nach den kürzlich gestarteten größeren Impfaktionen in den USA melden die dortigen Gesundheitsbehörden, dass sich einer von drei Geimpften so schlecht gefühlt habe, dass er an der Arbeitsstelle fehlte oder nach der Impfung nicht schlafen konnte.
Impfung nach der Infektion
Der Impfschutz gegen Pockenviren entwickelt sich rasch. Aus diesem Grund können Kontaktpersonen ohne ausreichenden Impfschutz nach Angaben des RKI noch bis zu vier Tage nach einer möglichen Infektion geimpft werden. Damit kann die Erkrankung entweder vermieden, oder schwere Formen verhindert werden. Die amerikanischen Behörden geben an, dass eine Impfung bis zu drei Tage nach Kontakt mit dem Erreger die Erkrankung verhindert oder die Schwere der Erkrankung deutlich reduziert. Eine Impfung selbst vier bis sieben Tage nach der Infektion biete ebenfalls noch einen gewissen Schutz vor der Erkrankung und vor schweren Verläufen, melden die amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention.
Die Reaktion auf die Impfung hängt vom Immunstatus ab. Menschen, die zum ersten Mal geimpft werden, reagieren oft heftiger als diejenigen, die wiederholt geimpft werden. Daten zur Dauer des Impfschutzes gibt es kaum. Vor der Ausrottungskampagne der WHO ging man davon aus, dass die Impfung alle drei bis zehn Jahre aufgefrischt werden muss. Nach 1967 stellte sich heraus, dass der Impfschutz deutlich länger anhält. Nach 20 Jahren lag er in Endemiegebieten noch bei 80 Prozent. Allerdings wurde das Immunsystem der dort lebenden Menschen immer wieder durch natürliche Infektionen stimuliert. Heute gehen Experten von einem Impfschutz von etwa zehn Jahren aus. Jeder, der heute mindestens 25 bis 30 Jahre alt ist, wurde gegen Pocken geimpft und hat noch einen gewissen Impfschutz. Die Immunisierung entfaltet heute wahrscheinlich nicht mehr den vollen Impfschutz, schützt aber wahrscheinlich vor den gefährlichsten Symptomen und Komplikationen der Erkrankung, informiert das RKI.
Etwa 1000 Menschen pro einer Million Geimpfter leiden im Durchschnitt unter schweren Impfnebenwirkungen. Ein bis zwei Menschen sterben. Allerdings basieren diese Zahlen auf Untersuchungen von 1967. Heute leiden viel mehr Menschen an Ekzemen oder atopischer Dermatitis und die Zahl der Menschen mit Immunerkrankungen oder dauerhaft supprimiertem Immunsystem liegt weit höher als noch vor 30 Jahren. Beides Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für schwere Impfkomplikationen (siehe Kasten). Dies und die Tatsache, dass das Vacciniavirus von einem Geimpften zum Beispiel auf einen HIV-Infizierten weitergegeben werden kann, lässt die diskutierten Massenimpfungen in einem neuen Licht erscheinen. Sobald ein Mensch jedoch mit dem Virus in Kontakt gekommen ist, sollte er - unabhängig vom Gesundheitsstatus -geimpft werden, weil die Risiken einer Erkrankung die der Impfung bei weitem übertreffen, schreibt die WHO.
Impfkomplikationen Folgende schwere Impfkomplikationen wurden in der Vergangenheit nach der Pockenimpfung mit vermehrungsfähigem Vacciniavirus beobachtet: Bei Menschen, die zum Zeitpunkt der Impfung oder zuvor an einem Ekzem oder an atopischer Dermatitis litten, trat das Ekzema vaccinatum auf. Durch hämatogene Verbreitung der Vacciniaviren kommt es zu Eruptionen an der Stelle, an der vorher das Ekzem war. Manchmal breitet sich die Entzündung auch auf die gesunde Haut aus. Zusätzlich litten die Patienten unter hohem Fieber und einer generalisierten Lymphadenopathie. Besonders bei Kleinkindern, bei denen große Hautareale betroffen waren, war die Sterberate durch diese Impfkomplikation hoch. Das Ekzema vaccinatum trat auch bei Menschen auf, die selbst gar nicht geimpft waren, das Virus aber von einem frisch Geimpften übertragen bekamen.
Eine weitere Komplikation trat besonders bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem auf – sei es durch bestimmte Erkrankungen oder die Einnahme immunsuppressiver Medikamente. Die Impfpocke heilte nicht ab, manchmal entstanden sekundäre Läsionen an anderen Körperstellen, die sich langsam über den ganzen Körper verbreiteten. Die Patienten starben meist nach zwei bis fünf Monaten starb.
Die generalisierte Vaccinia trat vor allem bei Patienten ohne Begleiterkrankungen auf. Innerhalb von sechs bis neun Tagen nach der Impfung breitete sich ein Hautausschlag aus, manchmal über den gesamten Körper. Die Prognose dieser Patienten war jedoch gut.
Die gefürchtetste Komplikation bei der Pockenimpfung ist die postvakzinale Enzephalitis, von der zwei Formen bekannt sind. Eine wurde vor allem bei Kindern unter zwei Jahren beobachtet. Bei ihnen begann die Erkrankung mit heftigen Fieberkrämpfen. Viele dieser Kinder trugen Spätschäden am Gehirn und Lähmungen durch die Impfung davon. Die zweite Form entwickelten vor allem Kinder, die älter als zwei Jahre waren Sie war charakterisiert durch abruptes Einsetzen von Fieber, Erbrechen, Kopfschmerzen und Krankheitsgefühl, gefolgt von Bewusstseinsverlust, Amnesie, Verwirrung, Ruhelosigkeit, Krämpfen und Koma. Die Sterblichkeitsrate lag bei 35 Prozent.
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