Medikationsfehler als »Never Events« |
Die Zahlen der nachgewiesenen Fehler liegen weit unter 1 Prozent aller Behandlungen in Deutschland. Zum Vergleich: Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung gibt es in den Praxen weit mehr als 500 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr. Für die Patienten sind die Fehler trotzdem oft folgenschwer.
Während die Schäden bei den Patienten in den meisten Fällen (65,5 Prozent) nur vorübergehend sind, bleiben sie bei knapp einem Drittel (29,7 Prozent) der Betroffenen dauerhaft. Von den fehlerbedingten Dauerschäden stufte der Medizinische Dienst im vergangenen Jahr 180 als schwer ein. Das bedeutet: Patienten sind nun pflegebedürftig, blind oder gelähmt.
Die Dunkelziffer der Behandlungsfehler sei insgesamt wahrscheinlich deutlich höher. Experten vermuteten, dass es in 1 Prozent aller stationären Behandlungen zu vermeidbaren Schäden kommt. »Fachleute gehen außerdem davon aus, dass es jedes Jahr circa 17.000 fehlerbedingte, vermeidbare Todesfälle in unseren Krankenhäusern gibt«, erklärte Vorstandschef Gronemeyer. Er berief sich dabei unter anderem auf eine Studie im Auftrag des Aktionsbündnisses Patientensicherheit.
Damit aus diesen Fehlern gelernt werden kann und sie sich nicht wiederholen, braucht es nach Ansicht des Medizinischen Dienstes eine Pflicht, solche Fälle zu melden – sanktionsfrei und pseudonymisiert.
»Wenn solche Fehler passieren, dann bestehen Risiken im Versorgungsprozess, denen systematisch nachgegangen werden muss«, forderte Gronemeyer. Er kritisierte, dass die von der Bundesregierung geplante Krankenhausreform keine Verfahren zur Vermeidung von Fehlern enthalte. Diese seien im Ausland längst üblich.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte den Umgang mit Fehlern in der Medizin scharf. »Patientinnen und Patienten werden hierzulande im Stich gelassen. Denn eine Fehlerkultur in Praxen und Pflegeheimen ist nicht existent«, äußerte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch.
Auf dpa-Anfrage teilt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit, Kliniken und Praxen seien bereits gesetzlich verpflichtet, Fehlermeldesysteme umzusetzen. »Sowohl im vertragsärztlichen Bereich als auch in Krankenhäusern verdeutlichen Auswertungen einen hohen Umsetzungsstand von Fehlermanagement und Fehlermeldesystemen«, heißt es aus dem Ministerium.
Damit Betroffene entschädigt werden könnten, brauche es einen Härtefallfonds, wie er im Koalitionsvertrag versprochen sei. »Es kann nicht sein, dass die Geschädigten viele Jahre warten müssen, um zu ihrem Recht zu kommen«, kritisierte Brysch und forderte vom Gesundheitsminister einen Gesetzesentwurf. Das BMG teilte mit, es werde geprüft, ein Konzept für die Ausgestaltung eines Härtefallfonds in Auftrag zu geben.