Medikationsanalyse von der Pike auf lernen |
Laura Rudolph |
03.07.2023 09:00 Uhr |
Im Seminar bearbeiten Pharmaziestudierende des achten Fachsemesters in Kleingruppen echte Patientenfälle und besprechen diese anschließend mit den behandelnden Ärzten. / Foto: Adobe Stock/Jadon Bester/peopleimages.com
»Der Clou: Die Studierenden analysieren echte Patientenfälle, die wir in der Woche vor dem Seminar in Rücksprache mit den Hausärzten aufnehmen«, schildert Göbel, der das Seminar »Einführung in die Medikationsanalyse« leitet. Der Apothekeninhaber aus dem hessischen Heringen hat vor knapp 20Jahren selbst sein Pharmaziestudium in Jena begonnen– und seinerzeit den Praxisbezug sehr vermisst.
Deshalb initiierte er 2018 den Start des Medikationsanalysen-Projekts für die Studierenden des achten Fachsemesters an seiner ehemaligen Universität. Dadurch, dass die Apothekerinnen und Apotheker in spe ihre Ergebnisse vor Ort mit den behandelnden Ärzten der jeweiligen Patienten besprechen, tragen sie unmittelbar zu Therapieentscheidungen bei.
Apotheker Stefan Göbel initiierte 2018 das Medikationsanalysen-Projekt an der FSU Jena. Es findet seitdem jährlich statt. / Foto: privat
»Die Studierenden sind Feuer und Flamme für das Projekt. Sie freuen sich, endlich richtig pharmazeutisch und nah am Patienten arbeiten zu können«, berichtet Göbel. Das Blockseminar findet jährlich im Sommersemester statt. Beteiligt ist neben Göbel auch Apothekerin Ulrike Eimer.
In einer Auftaktveranstaltung lernen die Studierenden die Grundlagen und Werkzeuge kennen, die sie für eine Medikationsanalyse benötigen. Anschließend bearbeiten sie in Gruppen von fünf bis acht Personen jeweils einen Patientenfall über insgesamt sechs Stunden. Sie berücksichtigen dabei auch aktuelle Diagnosen und Laborwerte der Patienten.
»Was ich den Studierenden neben der Recherche in Fach- und Wechselwirkungsdatenbanken immer ans Herz lege, ist das Arbeiten mit aktuellen Leitlinien«, so Göbel. Ihm sei wichtig, dass sich die Studierenden auch mit dem Krankheitsbild der Patienten auseinandersetzen: Wie ist die Pathophysiologie und wie wird therapiert? »Erst in der zweiten Hälfte des Seminars dürfen die Studierenden dann auch eine spezielle AMTS-Software zur Hand nehmen. Schließlich sollen sie das Handwerk der Medikationsanalyse von der Pike auf lernen«, betonte der Apotheker.
Aus den gesammelten Informationen gelte es dann, die richtigen Schlüsse zu ziehen. »Zu Beginn des Seminars sind die Studierenden häufig übervorsichtig und wollen zu viele Medikamente absetzen, die Wechselwirkungen verursachen«, so Göbel. In manchen Fällen habe der Arzt jedoch gar keine andere Wahl, als die Medikation beizubehalten und Wechselwirkungen in Kauf zu nehmen, führt er aus.
Dies den Studierenden klar zu machen, fördere deren Verständnis für ärztliche Therapieentscheidungen und damit auch die spätere interprofessionelle Zusammenarbeit. »Gegenseitiges Verständnis zwischen Arzt und Apotheker ist in einem Gesundheitssystem, in dem zu wenig kommuniziert wird, eminent wichtig«, ist sich Göbel sicher.
In einer abschließenden Einheit des Seminars präsentieren die Studierenden ihre Ergebnisse dem behandelnden Arzt und erhalten ein Feedback. Im aktuellen Sommersemester sei hierfür Dr. Annegret Fröbel, Allgemeinmedizinerin vom Hausarztzentrum in Heringen, sogar während ihres Urlaubs an die Universität gekommen, freut sich Göbel. Und es gab noch mehr Grund zur Freude: »Die Ergebnisse aus der Medikationsanalyse sind im Nachgang tatsächlich alle eins zu eins umgesetzt worden.« Damit sei das aktuelle Semester ein Paradebeispiel dafür, wie gut interdisziplinäre Zusammenarbeit funktionieren kann, wenn die Akteure niederschwellig miteinander kommunizieren.
Die Planung und Durchführung des zehnstündigen Blockseminars koste Göbel mit einem Arbeitsaufwand von insgesamt etwa 70 Stunden zwar viel Zeit, »aber am Ende des Tages lohnt es sich – denn das Seminar ist enorm wichtig für unsere Zukunft.«