Massive Kritik am Gesundes-Herz-Gesetz |
Ev Tebroke |
04.10.2024 14:00 Uhr |
Am 18. Oktober soll das Plenum des Bundesrats über das Gesundes-Herz-Gesetz beraten. Der Gesundheitsausschuss der Länderkammer hat nun eine Stellungnahme erarbeitet. / © Imago/dts Nachrichtenagentur
Um die hierzulande hohe Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) auf den Weg gebracht. Erklärtes Ziel ist es, Erkrankungen früher zu entdecken und den Bereich Prävention entscheidend zu stärken.
Auch den Apotheken soll dabei eine entscheidende Rolle zukommen. So sieht der Ende August beschlossene Regierungsentwurf etwa vor, dass gesetzlich Versicherte von ihrer Kasse zu Check-ups eingeladen werden und zudem Gutscheine für eine erweiterte Beratung mit Messungen zu Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes in Apotheken erhalten. Darüber hinaus sollen Apotheken verstärkt in die Beratung zur Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und tabakassoziierten Erkrankungen eingebunden werden. Geplant ist, für niedrigschwellige Beratungsangebote in Apotheken, neue pharmazeutische Dienstleistungen zu etablieren.
Das Gesetzesvorhaben stößt bislang bereits auf viel Kritik. Die ABDA etwa lobt in ihrer Stellungnahme zwar den Ansatz, Apotheken als niedrigschwelligen Anlaufstellen zu etablieren. Sie betont aber gleichzeitig, dass die geplante Apothekenreform dieses Vorhaben konterkariere, weil sie die Apothekenlandschaft weiter schwäche statt sie zu stärken. Seitens der Ärzteschaft heißt es, das Gesetz gehe mit dem geplanten Mehr an Tests und Medikamenten in die falsche Richtung. Die Kassen wiederum wehren sich angesichts der bereits jetzt defizitär aufgestellten Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gegen hohe Mehrkosten.
Grundlegende Kritik beziehungsweise eine Ablehnung des neuen Gesetzes kommt nun auch aus dem Gesundheitsausschuss der Länderkammer. Dieser bezweifelt, dass die mit dem Gesetzentwurf verbundenen Maßnahmen ein »probates Mittel« zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen.
Der Gesetzentwurf zur Stärkung der Herzgesundheit habe ausschließlich medizinische Screenings und die medizinische Versorgung zum Gegenstand. Damit greife er entscheidend zu kurz und werde dem von der Weltgesundheitsorganisation verfolgten »Health in All Policies«-Ansatz (Gesundheit in allen Politikbereichen) nicht gerecht, so die Begründung. Insbesondere versorgungsferne Personengruppen mit hohen Risiken für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen würden über den im Gesetzentwurf angelegten rein medizinischen Fokus nicht ausreichend erreicht.
Mit Blick auf die geplanten Check-Up-Angebote in Apotheken heißt es: »Darüber hinaus wird die Ausweitung der Beratung zur Prävention und Früherkennung von Erkrankungen und Erkrankungsrisiken im medizinischen Kontext und in den Apotheken aufgrund fehlender ausreichender finanzieller Zusatzleistungen sowie fehlender Qualitätssicherung kritisch gesehen.«
Verhaltensbezogene Prävention und Präventionsmaßnahmen in den Lebenswelten der Bürgerinnen und Bürger, wie sie über den § 20 SGB V erfolgen, hätten sich bewährt. »Eine Ausweitung der Prävention zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu Lasten anderer Präventionsmaßnahmen kann nicht zielführend sein«, so die Empfehlung für die Stellungnahme des Bundesrats.
Der Gesundheitsausschuss rät der Länderkammer, ihreZweifel auszudrücken, »dass die mit dem Gesetzentwurf verbundenen Maßnahmen ein probates Mittel zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen«.
Stattdessen soll sie darum bitten, »gemeinsam mit den einschlägigen Fachgesellschaften, der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens und den weiteren Ressorts der Bundesregierung eine Nationale Strategie zur Herz-Kreislauf-Gesundheit zu erarbeiten, bei der insbesondere auch Themen der Verhaltens- und Verhältnisprävention im Fokus stehen, um die relevanten Ursachen dieser Erkrankungen zu bekämpfen«.
Neben seinen grundsätzlichen Bedenken zur Zielführung des Gesetzes bemängelt der Gesundheitsausschuss zudem die geplante Finanzierung der Gesetzesvorhaben. Diese sei »widersprüchlich« und »abzulehnen«. Denn das Geld, dass eigentlich für die zusätzlichen Präventionsleistungen nötig ist, fließe nun in die Finanzierung der Vorsorgeuntersuchungen.
In der Begründung heißt es: »Einerseits soll die bisher nicht vergütete Empfehlung durch Ärztinnen und Ärzte für Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention künftig vergütet werden. Ziel dessen ist, dass mehr Empfehlungen ausgestellt und Versicherte die Angebote ihrer Krankenkasse zur Individualprophylaxe im Bereich Tabakentwöhnung und Ernährung in Anspruch nehmen. Andererseits sollen medizinische Präventionsleistungen umfangreich erweitert werden. Diese sollen genau aus den Mitteln finanziert werden, die bisher den Versicherten für bestehende Angebote zur verhaltensbezogenen Prävention (§ 20 Absatz 4 Nummer 1 SGB V) zur Verfügung stehen.«
Es würden also zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen vorgesehen, aus denen Präventionsempfehlungen folgen sollen. Um diese in Anspruch nehmen zu können, müssten auch entsprechende Präventionsangebote zur Verfügung stehen, diese würden jedoch als Folge des Gesetzes abgebaut werden müssen, weil die dafür vorgesehenen Mittel zur Finanzierung der Vorsorgeuntersuchungen herangezogen werden. »Das Ziel, dass mehr Versicherte die ärztlich empfohlene Prävention in Anspruch nehmen, wird dadurch gefährdet.«
Auf Ablehnung des Gesundheitsausschusses stößt zudem die mit dem GHG geplante flächendeckende Einführung von Disease-Management-Programmen (DMP) zu allen vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegten chronischen Krankheiten. »Durch die umfassende Verpflichtung würden DMP faktisch zu einem Angebot der Regelversorgung werden und gegebenenfalls unpraktikable, unflexible und teure Schiedsentscheidungen nach sich ziehen«, so die Befürchtung.
Das GHG soll am 18. Oktober im Bundesrat beraten werden. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig.