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Phoenix-Chef im Interview

»Marktumfeld ist schwierig«

Der Großhändler Phoenix feiert in diesem Jahr 30. Geburtstag – doch die aktuellen Herausforderungen sind mannigfaltig. Deutschlandchef Marcus Freitag spricht mit der PZ über im Grunde aussichtslose Honorarkämpfe, Card Link und das bedrohte Kerngeschäft der Apotheken – und natürlich über die Folgen des Skonto-Urteils.
AutorKontaktAlexander Müller
Datum 15.05.2024  16:20 Uhr

1994 schlossen sich die regionalen Großhändler F. Reichelt AG (Hamburg), Otto Stumpf GmbH (Berlin), Ferd. Schulze GmbH (Mannheim), Otto Stumpf AG (Nürnberg) und Hageda AG (Köln) zur Phoenix Pharmahandel GmbH & Co KG zusammen. »Unser Kerngeschäft war damals in Deutschland, heute sind wir in 29 Ländern aktiv und haben damit eine führende Rolle im Großhandel in Europa«, sagt Freitag. Er betont dabei, welchen großen Anteil an dieser Entwicklung der erste CEO Bernd Scheifele hatte. Dieser habe die Richtung vorgegeben und lenke seit 2004 als Aufsichtsratsvorsitzender weiter die Geschicke der Phoenix in Deutschland und Europa mit.

Bei aller Internationalisierung ist Deutschland nicht nur die »Keimzelle« geblieben, sondern für Phoenix der größte Markt in Europa. Das gilt allerdings nur gemessen am Umsatz. »Ertragsseitig sind wir in Deutschland bei Weitem nicht so gut aufgestellt wie in anderen Ländern«, berichtet Freitag. Das liege einerseits an der fehlenden Vertikalisierung hierzulande, andererseits an einem insgesamt schwierigen Marktumfeld. Defizite im Haushalt, kein Geld zum Verteilen, da müssten alle Akteure im Gesundheitswesen sehen, wo sie bleiben, so der Phoenix-Chef.

Versandhandel als Gefahr für stationäre Apotheken

Und es wird aus seiner Sicht auch in den nächsten Jahren nicht leichter, weder für die Apotheken noch für die Großhändler. »Mit der fortschreitenden Digitalisierung ändert sich das Konsumverhalten, auch im Gesundheitswesen. Wir sehen schon erste Anzeichen bei der Dauermedikation, wo es perspektivisch nicht mehr zwingend nötig sein wird, beim Arzt zu erscheinen. Da sehen wir ein großes Risiko, denn wir reden vom Löwenanteil beim Rx-Umsatz. Wenn Patienten sehr convenient bestellen können und nicht mehr zwingend in die stationäre Apotheke gehen müssen, wird der Versandhandel zu einer großen Gefahr für die stationären Apotheken – und das wäre schlecht für uns in Deutschland.«

Die Zeit drängt, denn mit dem Card-Link-Verfahren haben die Versender einen deutlich leichteren Zugang zum E-Rezept erhalten. »Ich gehe davon aus, dass sehr viel Geld in Werbung investiert wird, wenn Card Link irgendwann wirklich funktioniert. Da sehe ich eine große Gefahr.«

Phoenix versuche, als Teil der Plattform Gesund.de die Apotheken auf diesen Kampf vorzubereiten. Inzwischen ist die Phoenix Group wichtigster Anteilseigner bei dem Gemeinschaftsprojekt mit Noventi, dem Wort & Bild-Verlag, BD Rowa und Sanacorp. Aktuell sei man im engen Austausch mit der Gedisa, um eine gemeinsame Lösung zu entwickeln. »Uns geht es nicht darum, mit dem Thema Geld zu verdienen, um es ganz klar zu sagen, uns geht es darum, die Rezepte in der stationären Apotheke zu haben«, so Freitag.

Investition in Plattform Gesund.de

Was die rechtlichen Bedenken aus dem BMG gegen halboffene Plattformlösungen betrifft, ist Freitag zuversichtlich für das eigene Projekt. Es gehe ja eindeutig nicht um das Makeln von Rezepten, sondern darum, dass der Patient seine Apotheke wählen darf und mit dieser kommuniziert. Phoenix jedenfalls investiere nicht zum Spaß jährlich einen siebenstelligen Betrag in das Projekt, sondern um die Apotheken zu unterstützen.

Bedroht sehen sich die Apotheken aktuell durch die Folgen des Skonto-Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH). Die Großhändler haben in diesen Tagen die Apotheken angeschrieben und wollen über die Konditionen sprechen, auch Phoenix.

In seiner Funktion als Vorsitzender des Branchenverbands Phagro hat Freitag begrüßt, dass das Urteil immerhin Rechtssicherheit bringe – »auch wenn es aus Apothekensicht natürlich nicht zu begrüßen ist«, stellt er klar. Der Phoenix-Chef macht keinen Hehl daraus, dass der Skonto-Wegfall im Durchschnitt negative Auswirkungen auf die Apotheken haben wird. »Natürlich werden wir gewisse Kompensationen versuchen. Aber in der Summe werden die Konditionen schlechter werden«, so Freitag. Wie die PZ bereits berichtete, gehen viele Großhändler jetzt in die Gespräche.

»Wir als Phoenix müssen jetzt schauen, wie wir das gemeinsam mit den Apothekern umsetzen und wo wir rechtlich sauber unterstützen können.« Man prüfe etwa, ob und gegebenenfalls welche sogenannten Leistungsvergütungen den Kunden angeboten werden können. Aber auch solche Vergütungen würden »nicht ins Unermessliche gehen« können, so Freitag.

Der Phoenix-Chef greift hier gern auf eine Formulierung von Hans-Peter Hubmann zurück. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV) hatte gesagt, der Großhandel könne kein »Reparaturbetrieb für die unzureichende Vergütung der Apotheken« sein. Freitag stimmt zu: »Die Großhandelsvergütung ist die Großhandelsvergütung und wir sind nicht dafür da, die Vergütung der Apotheken zu regeln.«

Es sei eine wesentliche Aufgabe der Apothekerschaft, für sich und ihre Vergütungsstruktur zu kämpfen. Der Phagro habe bei diesem Unterfangen schon beim Deutschen Apothekertag (DAT) seine Unterstützung zugesagt, zu einem gemeinsamen Termin im BMG sei es aber bislang nicht gekommen. »Ich würde mir wünschen, wir würden versuchen, auch mehr Dinge gemeinsam zu machen.«

Freitag gegen erneute Skonto-Freigabe

Von dem aktuellen Vorstoß des DAV, bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für eine erneute Freigabe der Skonti in der Arzneimittelpreisverordnung zu kämpfen, kann Freitag also nicht besonders viel halten. »Ist der Lösungsansatz richtig, zu fordern, der Großhandel solle wieder mehr Skonto geben? Meine persönliche Meinung: Nein.« Freitag erläutert: »Das löst nicht das grundsätzliche Problem, dass zu wenig Geld im System ist.« Der Phagro werde den DAV-Vorstoß aber nicht konterkarieren, sondern sich mit eigenen Vorschlägen in die Diskussion um eine Anpassung der Vergütungsstruktur einbringen.

Das sollten die Apotheken aus seiner Sicht auch tun und wie in anderen Ländern Leistungen übernehmen, die heute von Ärzten erbracht würden. Gerade in ländlichen Gegenden könne so die Versorgung sichergestellt werden. »Und ich glaube auch, dass die Politik bei dem Thema offen ist.«

Die im Phagro organisierten Großhändler beklagen selbst einen rapiden Margenverfall aufgrund der weiter wachsenden Bedeutung der Hochpreiser. Erst kürzlich hatte der Verband in einer Pressemeldung darauf hingewiesen, dass die Menge der hochpreisigen Packungen sich innerhalb der letzten sechs Jahre nahezu verdoppelt hat. Das Großhandelshonorar ist bei 37,80 Euro gedeckelt, plus Skonto der Hersteller, denen die BGH-Entscheidung aber ebenfalls nicht entgangen ist.

Der Phagro, bei dem Freitag seit rund einem Jahr den Vorsitz innehat, ist kein nach außen sonderlich sichtbarer Verband und führt lieber Gespräche im Hintergrund. Bei der Politik kam die Covid-Impfstoff-Logistik gut an und zuletzt auch die Offenheit beim Umgang mit den Lieferengpässen. »Wir legen als Phagro unsere Karten auf den Tisch. Das mag dem einen oder anderen Hersteller nicht gefallen, aber wir schaffen Transparenz und können aufzeigen, wann Produkte defekt gehen und wie die aktuelle Situation ist«, beschreibt Freitag den eigenen Ansatz.

Phagro-Chef Freitag: »Wir legen als Phagro unsere Karten auf den Tisch«

Das neue Selbstbewusstsein der Großhändler fand auch Ausdruck in einem offenen Brief des Phagro-Vorsitzenden an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Darin hieß es sinngemäß, die vom BMG vorgestellten Lösungen kaschierten die eigentlichen Probleme der Lieferketten nur. Freitag will die Aktion nicht als Affront verstanden wissen. Man habe auf eine öffentliche Ansprache öffentlich geantwortet – und wahrheitsgemäß. Am Ende sei die Offenheit im Ministerium auch goutiert worden. Das gilt jedenfalls für die Arbeitsebene, die Ansprechpartner des Phagro ist.

Wenig Hoffnung macht sich Freitag, dass es mehr Geld für den Großhandel gibt. »Ich glaube nicht daran. Auch wenn es richtig wäre. Wir haben steigende Kapitalbindungskosten, die Zinssatzentwicklung zieht an, die Personalkostenentwicklungen trifft uns wie die Apotheken. Wir müssen für unsere Themen kämpfen. Aber wir sind realistisch genug, um eines zu erkennen: Aktuell geht es darum, nicht weniger zu bekommen. Auch das kann ja passieren, wenn wieder ein Spargesetz kommt.«

Mehr Zusammenarbeit zwischen Großhandel und Apotheke

Also muss im System gespart werden. Ideen hierzu diskutiert man bei Phoenix laut Freitag mehrere. Innovativere Ansätze betreffen KI-gestütztes Warenlagermanagement in Apotheken, sofern sich diese auf den engeren Austausch einlassen möchten. In Ländern, in denen Phoenix eigene Apotheken betreibt, ließen sich mit Vendor Managed Inventory (VMI) große Effizienzreserven heben. Auch hierzulande wäre ein System des lieferantengesteuerten Bestands in Apotheken denkbar. Freitag sieht noch großes Potenzial in der Zusammenarbeit zwischen Großhandel und Apotheke – und zwar unabhängig von der Eigentümerstruktur.

In der aktuellen Situation hätte Phoenix von einem Wegfall des Fremdbesitzverbots gar nichts, versichert Freitag und rechnet vor: Um eine relevante Kette aufzubauen, sei ein Marktanteil von 5 Prozent die Untergrenze, also rund 1000 Apotheken. Der monetäre Aufwand hierfür wäre gewaltig. »Würde ich mir bei der Entwicklung in Deutschland wünschen, jetzt Apotheken kaufen zu können? Nein.« Phoenix steige bei Weitem nicht überall ein, wo Apotheken angeboten werden.

Einsparungen durch weniger Touren

Das ändert nichts daran, dass Phoenix auch hierzulande vom Erfolg der Apotheken abhängig ist. Und da Freitag nicht an Finanzspritzen der Regierung glaubt, muss im System gespart werden. Zu den bekannten Vorschlägen zählen die Reduktion der Touren oder eine Mindestwertgrenze bei Retouren. »Das über Jahrzehnte aufgebaute Servicelevel ist das höchste in ganz Europa«, mahnt Freitag an. Die Frequenz mit der eine Apotheke in Deutschland täglich angefahren wird, reicht in anderen europäischen Ländern für eine ganze Woche. »Auch mit zum Beispiel zwei Belieferungen am Tag wäre die deutsche Apotheke dem Versandhandel noch immer weit voraus, mit dem Botendienst als Möglichkeit des Kundenbindungsinstruments«, so Freitag.

Gegen den Versandhandel lobbyiert Freitag nach eigenen Angaben auch in Berlin. »Dass ein Versender per DHL von Holland an den Starnberger See oder nach Berlin ein Päckchen schickt bei 30 Grad, das ist aus meiner Sicht nicht tragbar.« Das trage er immer wieder vor. »Die Politik wird leider erst reagieren, wenn in der »Bild«-Zeitung steht, dass der erste Patient zu Schaden gekommen ist, weil sein geliefertes Arzneimittel nicht mehr die Wirkung hatte.«

Was stellt sich Freitag vor? GDP-Vorgaben für Versender? Dann wäre dieser Vertriebsweg massiv erschwert. »Das wäre für mich absolut okay. Der Versandhandel bringt keinerlei Vorteile.«

 

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