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"Sieben
Schichten Farbe hat meine Tante Ina abgebeizt, bevor das
Holz zum Vorschein kam" sagt Gertrudis Symann,
Apothekerin in der Schwanen-Apotheke in Bad
Münstereifel. Ihre Apothekeneinrichtung aus dem Jahr
1806 ist nach soviel liebevoller Pflege heute in bestem
Zustand.
Nach Jahren der Unsicherheit, was aus dem Schmuckstück
werden würde, hatte die Apothekerin diese Woche eine
gute Nachricht für die Redaktion der Pharmazeutischen
Zeitung: Die Schwanen-Apotheke samt Einrichtung bleibt
erhalten. Sie ist seit dem 7. Juni 1997 ein
Apothekenmuseum und zugleich das erste in
Nordrhein-Westfalen, das auch in der Architektur mit den
historischen Tatsachen übereinstimmt.
Wer nämlich das frischgebackene Museum in der Werther
Straße besichtigt, gehört zu den ungezählten
Besuchern, die seit 1806 über die Schwelle des Hauses
getreten sind. Heute als Liebhaber schöner Gegenstände,
alter Möbel, und pharmazeutischer Gerätschaften, vor
191 Jahren als Kunde von Theodor Bresgen, dem Gründer
der Schwanen-Apotheke. Napoleon regiert zu dieser Zeit
Westfalen und damit auch Münstereifel, es sind noch
sechs Jahre bis zum Rußlandfeldzug. Auf dem Rückzug
soll Napoleon im Apothekengebäude übernachtet haben.
Theodors Sohn Franz-Josef übernimmt die
Schwanen-Apotheke 1834; Deutschland steht mit der
Gründung des Zollvereins im selben Jahr als noch junge
Wirtschaftsmacht am Beginn des Industriezeitalters. Ein
Jahr später fährt die erste Eisenbahn zwischen
Nürnberg und Fürth, Märzrevolution und Reichsgründung
stehen noch bevor. Zu dieser Zeit denkt man in
Münstereifel vor allem über die Erhaltung der
Stadtmauer nach. Sie ist heute noch intakt, weshalb das
Schienennetz vor dem Stadttor in einem Sackbahnhof endet.
1864 übernimmt Carl-Theodor Bresgen die
Schwanen-Apotheke. Unter seiner Führung überlebt sie
drei Kriege (Preußen gegen Dänemark, Österreich und
Frankreich), die gesamte Regierungszeit Otto von
Bismarcks und Kaiser Wilhelm I. Kaiser Wilhelm II. Ist
noch an der Macht, als 1906 Laurenz Bresgen
Schwanen-Apotheker in Bad Münstereifel wird. Er bringt
das Familienunternehmen durch die letzten Jahre des
Wilhelminischen Zeitalters, durch die Weimarer Republik,
den Nationalsozialismus und zwei Weltkriege, bis Tochter
Ina 1948 seine Nachfolge antritt.
Trotz Wiederaufbau und Wirtschaftswunder verzichtet Ina
Bresgen auf die Modernisierung der Offizin. Sie erkennt
den Wert der kunstvoll gestalteten Rokkokodecke und des
soliden Eichenholzmobiliars. Schließlich läßt sie alle
Farbschichten, die unter vier Apothekergenerationen auf
das kostbare Holz aufgetragen wurden, entfernen und
bringt so das Innere in den heutigen Zustand.
1974 übernehmen Gertrudis und Theodor Symann die
Schwanen-Apotheke. Bis 1994 bleiben sie in den alten
Räumen und verzichten bis zuletzt auf überladene Regale
und einen vollgestellten Handverkaufstisch. Im Dienst des
guten Geschmacks holen die Symanns und ihre
Mitarbeiterinnen das Gewünschte aus dem ersten Stock
herab. Nur so können die schönen, aber heute
unzweckmäßigen Standgefäße stilvolle Ergänzung der
historischen Einrichtung bleiben. "Das war immer
viel Gerenne und oft auch unpraktisch, aber wir haben es
gerne gemacht", erinnert sich die Apothekerin.
Auch lehnt die Familie den Einbau feuerhemmender
Sicherheitstüren ab, deren zu kurz gekommener Optik viel
honigfarbenes Eichenholz bätte weichen müssen.
"Die Behörden haben immer ein Auge zugedrückt,
weil wir Teil der Stadtgeschichte sind und die Apotheke
schon so lange im Familienbesitz ist. Bei Besitzerwechsel
wäre sie sicher geschlossen worden" Und dann? Eine
Eisdiele, eine Boutique, ein Schuhgeschäft? Die schöne
Einrichtung wäre einem fremden Zweck zugeführt worden.
Trotzdem wird 1994 aus wirtschaftlichen Gründen der
Apothekenbetrieb in neue Räume verlegt. "Hier in
der Fußgängerzone gibt es keine Parkplätze, da kommen
viele Kunden gar nicht erst her", sagt Gertrudis
Symann, "und als dann vor dem Stadttor in
verkehrsgünstiger Lage eine Apotheke aufmachte, sahen
wir keinen Ausweg mehr."
Im Januar 1996 kauft der Förderverein für Denkmalpflege
das 400 Jahre alte Gebäude mit der Apothekeneinrichtung
von 1806. Die Nordrheinwestfalenstiftung ermöglicht Kauf
und Renovierung des Hauses. 420 Standgefäße aus
Familienbesitz und Dauerleihgaben des Deutschen
Apotheken-Museums Heidelberg gehören nun zur
Einrichtung. Spenden - auch aus jüngerer Zeit - werden
gerne genommen.
Adresse: Apothekenmuseum Bad
Münstereifel, Werther Straße 13, 53902 Bad
Münstereifel
Öffnungszeiten:
Di.-Fr.: 14 bis 17
Uhr, Sa.: 10 bis 16 Uhr und So.: 11 bis 16 Uhr
PZ-Artikel von Regina Sauer, Frankfurt
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