Mäuse verlieren 30 Prozent Gewicht pro Woche |
Theo Dingermann |
23.05.2025 13:30 Uhr |
Ergebnisse aus Studien mit Mäusen sind nicht immer auf den Menschen übertragbar. Mäuse sind zum Beispiel besser als Menschen in der Lage, sich warm zu halten und verbrennen daher unter Kalorienbeschränkung schneller Fett. / © Getty Images/madgladnat
Weltweit leidet etwa jeder sechste Mensch an Adipositas. In den USA sind bereit etwa 40 Prozent der Bevölkerung von dem Problem betroffen. Eine Vielzahl verschiedener Diätformen wird empfohlen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Jedoch sind die Erfolge überschaubar.
Jetzt sorgt eine Arbeit von Forschenden um den Doktoranden Alan Varghese und Professor Dr. Ivan Gusarov von der NYU Grossman School of Medicine in New York für Aufmerksamkeit, die im Wissenschaftsjournal »Nature« publiziert wurde. Hier berichten die Forschenden, dass eine Cystein-Restriktion in einem bestimmten Mausmodell zu einem 30-prozentigen Gewichtsverlust innerhalb von sieben Tagen führt. Diese Gewichtsreduktion ist reversibel und wird durch metabolische Veränderungen und Stressantworten vermittelt.
Diese ausgeprägten Effekte fanden die Forschenden in einem Mausmodell. Im Genom der Mäuse waren auf beiden Chromosomen die Gene für das Enzym Cystathionin-γ-Lyase (CSE) inaktiviert worden. Diese Cse⁻/⁻-Mäuse sind nicht mehr in der Lage, Cystathionin in Cystein, α-Ketobutyrat und Ammoniak zu spalten. Dies resultiert in einem massiven Cystein-Mangel. Als Kontrolle verwendeten die Forschenden heterozygote Tiere (Cse⁺/⁻), die eine intakte Version des Enzyms besitzen.
Genauere Analysen zeigen, dass der Cystein-Mangel als Resultat einer Hochregulierung spezifischer Gene in der Leber die integrierte Stressantwort (ISR) und die oxidative Stressantwort (OSR) aktiviert. Es kommt zu einem Anstieg von Stresshormonen, darunter der Wachstumsdifferenzierungsfaktor 15 (GDF15) und der Fibroblast Growth Factor 21 (FGF-21), was zur Gewichtsreduktion beiträgt.
Eine reduzierte mitochondriale Funktionalität und die Umstellung des Stoffwechsels führen zu einer ineffizienten anaeroben Glykolyse und einem nicht mehr korrekt funktionierenden Citratzyklus. Zudem zeigt sich der Cystein-Mangel in zu niedrigen Coenzym-A (CoA)-Spiegeln. Daraus resultiert dann eine massiv eingeschränkte Energieeffizienz.
Der Abfall der CoA-Spiegel ist bemerkenswert. In der Leber sinken die CoA-Konzentrationen bereits nach zwei Tagen ohne Cystein um 30 Prozent und in der Muskulatur um 15 Prozent. Nach sieben Tagen beträgt der Rückgang in der Leber 75 Prozent. Diese Knappheit an CoA beeinträchtigt die oxidative Phosphorylierung und führt zu einer erhöhten Ausscheidung von Metaboliten im Urin.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass eine Cystein-Restriktion eine mögliche Strategie zur Bekämpfung von Fettleibigkeit und metabolischen Erkrankungen darstellen könnte. Denn ein Cystein-Mangel hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Stoffwechsel und die Gewichtsregulation. Unter den Mangelbedingungen kommt es zu einer umfassenden Umstellung von Stoffwechselprozesse, die zu einem schnellen und reversiblen Gewichtsverlust führt.
Unklar ist dagegen, ob das auch für uns Menschen gilt und wie sich das umsetzen ließe. Cystein kommt vor allem in proteinreichen Lebensmitteln wie Fleisch und Vollkorn vor, auf die sich schlecht verzichten lässt. Sie werden sogar zur Gewichtsreduktion empfohlen, da sie länger satt machen und zum Erhalt von Muskelmasse und Grundumsatz beitragen.
Eine Cystein- und Methionin-arme Diät wurde in einer Pilotstudie mit 20 gesunden Freiwilligen getestet. Methionin ist eine weitere schwefelhaltige Aminosäure. Die elf Frauen und neun Männer aßen in der ersten Woche normal. In der zweiten Woche hielten sie eine moderat restriktive Ernährung und in Woche 3 eine sehr restriktive Diät in Bezug auf die beiden Aminosäuren ein. Die Compliance sei hoch gewesen, berichteten 2023 die Studienautoren im »Journal of Nutrition, Health & Aging«, und es traten keine Nebenwirkungen auf. Die Reduktion beider Aminosäuren führte zu einem signifikanten Gewichtsverlust, die Körpertemperatur stieg an und diverse Stoffwechselmarker einschließlich LDL und Gesamtcholesterol besserten sich. »Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass viele der in Tiermodellen beobachteten kurzfristigen positiven Wirkungen der Restriktion von schwefelhaltigen Aminosäuren auf den Menschen übertragbar sind und die weitere klinische Entwicklung dieser Intervention unterstützen«, hieß es im Studienfazit.
Die praktische Umsetzung dürfte jedoch für viele Menschen schwierig werden. Die Erkenntnisse reichen auch bei Weitem noch nicht für generelle Empfehlungen zu Ernährungsumstellungen. Dazu sind weitere Studien nötig. Die Erkenntnisse könnten sich jedoch für einen neuen pharmakologischen Ansatz nutzen lassen, mit der Cystathionin-γ-Lyase (CSE) als potenziellem Target.