Lungenkrebs vermehrt bei Frauen, die nie geraucht haben | 
| Annette Rößler | 
| 17.02.2025 18:00 Uhr | 
				
		
	
		Häufigere Mutationen in krebsrelevanten Genen und eine hohe Feinstaubbelastung führen dazu, dass Lungenkrebs bei asiatische Frauen, die nie geraucht haben, besonders häufig vorkommt. / © Adobe Stock/Deemerwha studio
Lungenkrebs ist bei Männern weltweit die häufigste Krebsform und bei Frauen die zweithäufigste. Da Lungenkrebs in frühen Erkrankungsstadien meist keine Beschwerden verursacht, wird er häufig erst spät entdeckt. Unter anderem deshalb ist die Prognose meist ungünstig; laut dem Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert-Koch-Institut hat Lungenkrebs eine relative Fünf-Jahres-Überlebensrate von rund 25 Prozent bei Frauen und 19 Prozent bei Männern. Weltweit ist Lungenkrebs die häufigste Ursache für krebsbedingte Sterblichkeit.
Seit den späten 1990er-Jahren verändern sich die altersstandardisierten Erkrankungs- und Sterberaten in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern: Sie nehmen bei Männern ab und bei Frauen zu. Hierfür werden vor allem Änderungen beim Rauchverhalten verantwortlich gemacht. Allerdings spielen auch andere Faktoren eine Rolle.
Im Fachjournal »The Lancet Respiratory Medicine« veröffentlichten Forschende der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), die zur WHO gehört, und der Universität Guangdong in China kürzlich eine Übersicht zur globalen Lungenkrebsinzidenz. Demnach erkrankten im Jahr 2022 weltweit 1.572.045 Männer und 908.630 Frauen neu an Lungenkrebs. Verglichen mit dem Jahr 2020 ist das eine Zunahme um 9 Prozent bei Männern und um 18 Prozent bei Frauen.
Obwohl aktive oder ehemalige Raucherinnen und Raucher bei Lungenkrebs nach wie vor die Hauptkrankheitslast tragen, sind zunehmend auch Nieraucher betroffen, also Menschen, die in ihrem gesamten Leben insgesamt weniger als 100 Zigaretten geraucht haben (»Journal of the National Cancer Institute« 2017, DOI: 10.1093/jnci/djw295). Bei Frauen zeigt sich dieser Trend stärker als bei Männern: Das zu den nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) zählende Adenokarzinom, die häufigste Lungenkrebsform bei Nichtrauchern (Kasten), machte 2022 bei Männern 46 Prozent der Lungenkrebsfälle aus und bei Frauen 60 Prozent (2020: 39 und 57 Prozent).
»Rauchen verursacht Lungenkrebs.« Dieser eindeutige Warnhinweis steht auf Zigarettenschachteln. Doch steigert Rauchen nicht für alle Lungenkrebsarten das Risiko gleichermaßen. Verglichen mit Nierauchern haben Raucher ein 42-mal höheres Risiko, an einem kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC) zu erkranken. Für ein Plattenepithelkarzinom der Lunge ist das Risiko um den Faktor 25 erhöht und für ein Adenokarzinom der Lunge um den Faktor sechs. Verglichen mit Menschen, die das Rauchen aufgegeben haben, haben aktive Raucher ein 13-fach höheres Risiko für ein SCLC, ein elffach höheres Risiko für ein Plattenepithelkarzinom und ein dreifach höheres Risiko für ein Adenokarzinom. Nachdem man mit dem Rauchen aufgehört hat, sinkt das Erkrankungsrisiko für ein Adenokarzinom am langsamsten.
Seit dem Jahr 2005 stelle das Adenokarzinom in den meisten Ländern insgesamt die häufigste Form von Lungenkrebs dar und das Erkrankungsrisiko steige insbesondere bei jüngeren Menschen, schreiben die Autoren der aktuellen »Lancet«-Publikation. Diese Entwicklung gehe größtenteils auf die zunehmende Belastung der Atemluft mit Feinstaub-Partikeln bis zu 2,5 µm (PM2,5) zurück, die in China und anderen ostasiatischen Ländern besonders stark ausgeprägt sei. Mittlerweile sei Lungenkrebs bei Nierauchern weltweit die fünfthäufigste krebsbedingte Todesursache. Es handele sich dabei fast ausschließlich um Adenokarzinome und betroffen seien überwiegend Frauen, vor allem aus Asien.
Wie Feinstaub die Entstehung von Lungenkrebs insbesondere bei Frauen begünstigen kann und welche Faktoren dabei sonst noch eine Rolle spielen, beschreibt Dr. Pinar Uysal-Onganer, Dozentin für Molekularbiologie an der University of Westminster in London, auf der Plattform »The Conversation«. Sie verweist auf Studien, wonach PM2,5 in der Atemluft in Lungenzellen oxidativen Stress und Entzündungen auslöst sowie genetische Mutationen verursacht, die eine Aktivierung von Onkogenen wie EGFR, TP53 und KRAS zur Folge haben.
				
		
	
		Bei nichtrauchenden Frauen mit einem Adenokarzinom der Lunge liegen häufig Treibermutationen vor, die therapeutisch adressiert werden können. / © Getty Images/FatCamera
Asiatische Frauen seien dafür offenbar besonders empfänglich: So lägen etwa EGFR-Mutationen bei der Hälfte bis knapp zwei Drittel der asiatischen Nieraucherinnen mit Adenokarzinom der Lunge vor, aber nur bei 19 Prozent der entsprechenden weiblichen Patienten aus westlichen Ländern und bei 10 bis 20 Prozent der männlichen. KRAS-Mutationen, die eigentlich typisch für Raucher sind, tauchten bei Nierauchern mit Adenokarzinom der Lunge mittlerweile vermehrt auf, besonders bei Frauen, wobei sich das Mutationsprofil zwischen (Ex-)Rauchern und Nierauchern unterscheidet.
Was die Rolle der Geschlechtshormone angeht, ist die Datenlage uneinheitlich. Einer Übersichtsarbeit zufolge sind Estrogenrezeptoren (ER) in fast 90 Prozent aller NSCLC zu finden, und zwar bei Frauen wie bei Männern (»Experimental Biology and Medicine« 2021, DOI: 10.1177/15353702211019697). In der Arbeit heißt es, dass Estrogen laut In-vitro-Daten die Entstehung von Lungenkrebs direkt und indirekt fördern könne, auch weil es die Schädlichkeit von Inhaltsstoffen des Zigarettenrauchs erhöht. Ob deshalb etwa eine Hormonersatztherapie (HRT) mit Blick auf das Lungenkrebsrisiko nachteilhaft ist, sei anhand der verfügbaren Evidenz aus klinischen Studien jedoch nicht zu beantworten (es gab Studien mit positivem, negativem und neutralem Ergebnis).
Nicht zuletzt könnten geschlechtsspezifische immunologische Unterschiede zum höheren Lungenkrebsrisiko bei Nieraucherinnen beitragen, schreibt Uysal-Onganer. Sie erinnert daran, dass Frauen anfälliger für Autoimmunerkrankungen sind als Männer, was an Unterschieden bei der Immunabwehr liege, die auch für die Krebsentstehung relevant sein könnten. Chronische Entzündungen, ein Kennzeichen der meisten Autoimmunerkrankungen, steigerten auch das Risiko für Krebs.