Lockerung des Preismoratoriums in Sicht |
Ev Tebroke |
15.11.2023 16:10 Uhr |
Entlastung für den Generikamarkt? Hersteller von versorgungskritischen Wirkstoffen könnten unter bestimmten Umständen bald wieder wirtschaftlich rentablere Preise für ihre Medikamente erhalten. / Foto: imago images/McPHOTO
Für versorgungskritische patentfreie Arzneimittel ohne Therapiealternative sollen Hersteller künftig wieder auskömmliche Preise verlangen können. Hier soll das seit August 2010 geltende Preismoratorium ausgesetzt werden dürfen. Das ist der Plan der Ampelfraktionen, den sie nun in einen Änderungsantrag zum Digital-Gesetz gegossen haben. Ursprünglich ist die Preisbindung für patentfreie Medikamente, die keinem Festbetrag unterliegen, mit dem Gesetz zur Finanzstabilisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) bis Ende 2026 verlängert worden. Dies ist im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) §130a Absatz 3c geregelt.
Gleichzeitig eröffnet das Lieferengpassgesetz (ALBVVG) den Herstellern von versorgungskritischen Medikamenten für Kinder, etwa von Fiebersäften, schon jetzt die Möglichkeit (§ 35 SGB V Absatz 5b), die Preise bis zu 50 Prozent über den Festbetrag zu erhöhen. Dazu ist eine vorherige Anhörung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nötig, welches dann die Preiserhöhung empfehlen kann. Nun soll nach dem Willen der Ampelkoalition die befristete Preisbindung grundsätzlich bei versorgungskritischen patentfreien Medikamenten ohne Therapiealternative entfallen können.
Dazu muss der Hersteller belegen, dass eine kostendeckende Produktion trotz des bereits ausgesetzten Festpreises nicht möglich ist. Beim GKV-Spitzenverband ist ein Antrag zu stellen mit Belegen und Nachweisen zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der entsprechenden Arzneimittelproduktion. Das BfArM soll auf Vorlage des Antrags dann feststellen, »ob bei dem Arzneimittel die Voraussetzung erfüllt ist, dass nicht für alle Teilindikationen Therapiealternativen zur Verfügung stehen«, heißt es in der geplanten Ergänzung des besagten § 130 a, der im SGB V die Rabatte zwischen pharmazeutischen Herstellern und Kassen regelt.
Ist die Befreiung vom Preismoratorium anerkannt, soll dann der pharmazeutische Unternehmer mit dem GKV-Spitzenverband eine Vereinbarung über einen neuen Herstellerabgabepreis treffen. »Der neue Herstellerabgabepreis muss eine kostendeckende beziehungsweise wirtschaftliche Produktion gewährleisten«, heißt es in der Begründung. In der Vereinbarung sollten zudem auch »Regelungen über einen jährlichen Inflationsausgleich sowie über eine branchenübliche Gewinnmarge getroffen werden, sodass ein Anreiz für den pharmazeutischen Unternehmer entsteht, das Produkt herzustellen und in Deutschland in Verkehr zu bringen beziehungsweise auf dem Markt zu halten«. Sollte keine Einigung zwischen Kassen und Herstellern erfolgen, soll die Schiedsstelle einen Preis festlegen.
Die Arzneimittelhersteller begrüßen die Initiative der Regierungsfraktionen. Um den Pharmastandort Deutschland für Hersteller wieder attraktiver zu machen und den Unternehmen mehr Planungssicherheit zu geben, fordern sie aber weitere Maßnahmen. »Die Befreiung bestimmter Arzneimittel vom Preismoratorium wäre ein erster, richtiger Schritt«, so Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH). Es seien jedoch »deutlich weitergehende Maßnahmen erforderlich, um Planungssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten und die Versorgung nachhaltig zu verbessern«.
Im Zuge der anhaltenden Liefer- und Versorgungsengpass-Problematik hat die Bundesregierung in den nächsten Wochen ein Pharmagesetz in Aussicht gestellt, dass für Hersteller unter anderem bessere Rahmenbedingungen schaffen soll, damit diese nicht länger von Billigproduktionsstätten in Asien abhängig sind, sondern wichtige Wirkstoffe wie etwa auch Antibiotika wieder in Europa produzieren lassen können.