Lob und Kritik für Digital-Gesetze |
Ab 1. Januar sollen E-Rezepte Standard sein. Während die Apothekerschaft dies begrüßt, kommt von der Ärzteschaft Kritik. / Foto: imago images/Martin Bäuml Fotodesign
Der Deutsche Bundestag hat heute mit der Mehrheit der Ampelparteien das »Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens« (Digital-Gesetz) und das »Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten« (GDNG) verabschiedet. Demnach sollen E-Rezepte Anfang 2024 zum Standard und für die Praxen verpflichtend werden. Anfang 2025 sollen alle gesetzlich Versicherten elektronische Akten für Gesundheitsdaten wie Befunde und Laborwerte bekommen – es sei denn, sie lehnen dies ab. Das GDNG soll die Nutzung kombinierter Gesundheitsdaten für die Forschung erleichtern. Laut Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) bedeuten die Gesetze einen »Quantensprung«, mit dem im deutschen Gesundheitswesen »endlich das digitale Zeitalter« eingeläutet werde.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) begrüßte insbesondere die E-Rezept-Pflicht ab 2024 und kündigte an, dass die Apothekerschaft die Umsetzung der Digitalisierung weiterhin aktiv begleiten und gestalten werde. Der DAV-Vorsitzende Hans-Peter Hubmann forderte, dass die Apotheken bei der Befüllung der elektronischen Patientenakte (EPA) mit Medikationsdaten einen Beitrag leisten müssten. Bei der neuen Leistung assistierte Telemedizin in Apotheken dürften keine kapitalgesteuerten Anbieter zum Zuge kommen. Dass sich die Krankenkassen künftig in die E-Rezept-Einlösung einmischen dürfen, sehe die Apothekerschaft kritisch, betonte Hubmann.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lobte die Digitaloffensive grundsätzlich. Das Digital-Gesetz gebe der elektronischen Patientenakte »den Schub, der sie als EPA für alle zum Herzstück eines digitalen Gesundheitswesens« mache. Den Zeitplan für die EPA kritisierte der GKV-Spitzenverband aber als »zu straff« und schlug vor, die Akte im Juli 2025 zu starten. Dann hätten die Versicherten genug Zeit für eine informierte Entscheidung. »Denn es hilft letztlich niemandem, wenn die Opt-Out-EPA zwar schnell, aber unausgereift eingeführt wird«, so der GKV-Spitzenverband.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) sprach sich dafür aus, auch die psychotherapeutische Sprechstunde und die probatorischen Sitzungen als Videobehandlung zu ermöglichen. Fraglich sei der Versorgungsnutzen bei der assistierten Telemedizin durch Apotheken. Hier seien Modellprojekte sinnvoller als eine flächendeckende Einführung.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnte vor mehr Arbeit und Bürokratie für die Praxen. So habe die Ampel in letzter Minute die Pflichten der Ärzte ausgeweitet, die EPA zu befüllen und Patienten bei der Nutzung zu helfen. Diese Zeit fehle für die Versorgung. Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßte die Opt-Out-Regelung bei der EPA, kritisierte aber die Zugriffsverwaltung, die an manchen Stellen zu kleinteilig gestaltet sei. Der Gesetzentwurf sehe überdies Fristen vor, die überwiegend als unrealistisch einzuschätzen seien.
Nach Ansicht des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) kann die EPA der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung große Impulse geben. Daher unterstütze der Verband das Opt-Out-Verfahren. Erfolgsfaktor des Prinzips sei neben dem erlebbaren Nutzen das Vertrauen der Versicherten. Es müsse gewährleistet sein, das die technische Infrastruktur für eine reibungslose Nutzung der EPA bereitstehe. Ein Widerspruch gegen die EPA müsse einfach, selbsterklärend und barrierefrei möglich sein. Versicherte, die der EPA widersprechen, müssten vor Diskriminierung im Versorgungsalltag geschützt werden.
Zahlreiche Reaktionen gab es auch auf die Verabschiedung des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes. »Es ist längst überfällig, dass wir das Potenzial von Gesundheitsdaten für die Behandlung von Patientinnen und Patienten ausschöpfen«, kommentierte Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI). Der Verband begrüße die Absicht, durch neue Instrumente wie der zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle bürokratische Hürden abzubauen. Insofern gehe das GDNG in die richtige Richtung, weitere Maßnahmen müssten jedoch folgen. Unter anderem brauche es die Anbindung weiterer Register an das Forschungsdatenzentrum, den Abbau weiterer bürokratischer Hürden bei der Beantragung und Durchführung von klinischen Studien sowie eine nutzenorientierte Auslegung der Datenschutzgrundverordnung. Das Medizinforschungsgesetz könnte daher ein weiterer wichtiger Schritt sein.
Der AOK-Bundesverband befürwortete die Möglichkeit für Krankenkassen, datengestützte Auswertungen zum individuellen Gesundheitsschutz und zur Verbesserung der Versorgung vorzunehmen und ihre Versicherten auf dieser Basis individuell anzusprechen. »Krankenkassen verfügen zum Beispiel über Informationen zu allen Arzneimitteln, die von unterschiedlichen Leistungserbringern verordnet werden. Auf Basis dieser Daten können wir unsere Versicherten auf mögliche schwerwiegende Wechselwirkungen hinweisen«, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Jens Martin Hoyer. Die ABDA lehnt das geplante Recht der Kassen, Versichertendaten automatisiert auszuwerten und ihre Versicherten auf Gesundheitsrisiken hinzuweisen, hingegen strikt ab.
Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 2. Februar im zweiten Durchgang mit dem Digital-Gesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz befassen. Erst danach können sie in Kraft treten.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.