Lob und Kritik am Medizinforschungsgesetz |
Lukas Brockfeld |
03.07.2024 16:30 Uhr |
Über Lauterbachs Medizinforschungsgesetz soll am Donnerstag im Bundestag abgestimmt werden. / Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Über das Medizinforschungsgesetz wurde viel diskutiert. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die deutsche Pharmaforschung zurück an die Weltspitze führen. Dazu sollen Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen sowie Zulassungsverfahren von Arzneimitteln, Medizinprodukten und forschungsbedingten Strahlenanwendungen beschleunigt und entbürokratisiert werden. Doch eine geplante Regelung zu geheimen Erstattungspreisen stieß insbesondere bei den Krankenkassen auf Widerstand.
Die Bundesregierung hat auf die Kritik reagiert und den Gesetzentwurf per Änderungsanträgen nachgebessert. Jetzt kann ein Pharmaunternehmen die Option »Vertrauliche Preise« erst nach der getroffenen Preisvereinbarung wählen. Hinzu kommen weitere Anpassungen. So sollen beispielsweise Generikahersteller künftig ein Jahr vor Ablauf des Unterlagenschutzes vom GKV-Spitzenverband Auskunft über den vertraulichen Erstattungsbetrag erhalten. Zudem soll grundsätzlich ein Preisabschlag von 9 Prozent greifen, wenn der pharmazeutische Unternehmer eine Arzneimittelforschungsabteilung und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung nachweisen kann.
Heute wurde der geänderte Gesetzesentwurf vom Gesundheitsausschuss des Bundestags abgesegnet, morgen wird das Gesetz voraussichtlich vom Parlament beschlossen.
Die Pharmaindustrie begrüßt das MFG überwiegend. »Das Medizinforschungsgesetz ist das bislang wichtigste Ergebnis der Pharmastrategie der Bundesregierung. Die Regierung zeigt, dass sie auf die forschende Pharmaindustrie als Schlüsselbranche setzt«, so Han Steutel, Präsident des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), in einer Pressemitteilung. Das Gesetz werde die Rahmenbedingungen für die Arzneimittelentwicklung in Deutschland deutlich verbessern.
Hersteller, die nachweislich in Deutschland forschen und entwickeln, werden laut MFG von Zusatzrabatten und Preisdeckeln, die 2022 beschlossen wurden, befreit. Dafür ist mindestens ein fünfprozentiger deutscher Anteil an internationalen Studienprogrammen vorgesehen.
»Für die Unternehmen ist das aber eine zu ambitionierte Zielvorgabe, die sie nicht rückwirkend erfüllen können«, kritisierte Steutel. »Sie erfordert einen mehrjährigen Vorlauf. Damit das nicht zwischenzeitlich weitere Medikamente vom Markt fernhält, sollten die jüngsten Eingriffe in die Preisfindung von Arzneimitteln – die sogenannten Rabattregelungen der Leitplanken – für mindestens drei Jahre ganz ausgesetzt werden.« Der vorgesehene hohe deutsche Anteil an internationalen Studienprogrammen sei allerdings akzeptabel, da das Gesetz inländische Studienaktivitäten auf mehrfache Weise unterstütze.
Auch die vorgesehenen Standardklauseln für Verträge, die Herstellern und deutschen Kliniken über klinische Studien abschließen, werden vom vfa begrüßt. »Verhandlungen, in denen jedes Mal das Rad neu erfunden und dafür der deutsche Studienstart um ein ganzes Jahr verzögert wird, dürfte es dann nicht mehr geben«, so Steutel. »Spanien und Frankreich haben gezeigt, dass dies ein wirksames Mittel ist, um mehr Studienaktivität ins Land zu holen.«
Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßt das MFG grundsätzlich, weist in einer Pressemitteilung aber auch auf Kritikpunkte hin. Die ursprünglich vorgesehenen vertraulichen Erstattungspreise seien für die Pharmaunternehmen ohnehin nur in Ausnahmefällen relevant, da sie zusätzliche Kosten verursachten. Daher kämen sie nur in besonderen Therapiesituationen in Frage. »Zum Beispiel dann, wenn sie überhaupt erst Therapien in Deutschland für Patientinnen und Patienten verfügbar machen, die andernfalls aufgrund der internationalen Preis-Referenzierung gefährdet wären. Die im Gesetzgebungsverfahren hinzugefügten Maßnahmen machen diese Option noch unattraktiver«, klagte BPI-Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen.
Der BPI begrüßt, dass das MFG die sogenannten AMNOG-Leitplanken entschärft. Diese traten Ende 2022 mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) in Kraft. Gemäß den Leitplanken darf ein neues Arzneimittel in bestimmten Fällen trotz nachgewiesenem Zusatznutzen nicht teurer sein als eine Vergleichstherapie. Wenn ein neues Arzneimittel keinen Zusatznutzen aufweist, jedoch gleichwertig zu einer bestehenden Vergleichstherapie ist, müssen die Kosten sogar niedriger sein.
Mit dem MFG sollen diese Leitplanken entfallen, wenn ein relevanter Anteil der klinischen Prüfung in Deutschland stattgefunden hat. Dem BPI geht das jedoch nicht weit genug. »Die Leitplanken sind der Sündenfall des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes. Die Revision ist daher wichtig. Die AMNOG-Leitplanken sind aber für alle betroffenen AMNOG-Arzneimittel hoch problematisch, da sie Forschungsanreize zerstören. Und auch die konkrete Ausgestaltung der Regelung lässt Fragen offen«, erklärt der BPI-Hauptgeschäftsführer.
»Grundsätzlich sind wir der Bundesregierung jedoch verbunden, da sie das Problem fehlender Forschungsanreize am Standort Deutschland erkannt hat. Erfreulich ist auch, dass der Gesetzgeber praxistaugliche Mustervertragsklauseln zur Durchführung klinischer Prüfungen verbindlich in einer Rechtsverordnung verankern will. Das ist eine gute Nachricht für die klinische Forschung in Deutschland. Dafür haben wir uns als BPI lange Zeit eingesetzt«, so Joachimsen.