Liposomales Amikacin zum Inhalieren |
Kerstin A. Gräfe |
18.11.2020 16:30 Uhr |
Nicht-tuberkulöse Mykobakterien können bei immungeschwächten Menschen schwere Infektionen der Lunge verursachen. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
Mykobakterien werden in erster Linie mit dem Erreger der Tuberkulose, dem Mycobacterium tuberculosis in Verbindung gebracht. Es gibt aber eine Vielzahl weiterer Arten, die sogenannten nicht-tuberkulösen Mykobakterien (NTM). Inzwischen sind annähernd 200 verschiedene Arten und Unterarten bekannt. Sie kommen überall in der Umwelt vor und sind selten krankheitserregend. Allerdings können NTM bei Patienten mit einer Immunschwäche oder chronischen Lungenerkrankung langwierige und schwierig zu behandelnde Infektionen der Lunge verursachen. Als Krankheitsverursacher treten dabei in Deutschland bei mehr als der Hälfte dieser Infektionen Keime des Mycobacterium-avium-Komplexes (MAC) auf.
In solchen Fällen empfiehlt die kürzlich veröffentlichte erste internationale Leitlinie zu pulmonalen NTM-Infektionen generell eine Makrolid-basierte Therapie, wobei bevorzugt Azithromycin statt Clarithromycin gegeben werden sollte (»European Respiratory Journal« 2020, DOI: 1183/13993003.00535-2020). Standard ist eine Dreierkombination, in der Ethambutol und ein weiteres Antibiotikum wie Rifampicin/Rifabutin oder Clofazimin das Makrolid ergänzen sollen. Bei Makrolid-Resistenz kommt eine Vierfachkombination zum Einsatz.
Laut Leitlinie gibt es zudem Patienten, die von Beginn an mit einer Vierfachkombination behandelt werden sollten. Das betrifft solche mit fibrokavernöser MAC-LD oder starken Bronchiektasen (Erweiterungen der Atemwege). Vierter Kombipartner ist dann ein intravenös verabreichtes Aminoglykosid-Antibiotikum wie Amikacin. Dieses ist gut wirksam, kann aber infolge der systemischen Gabe schwere Nebenwirkungen wie Störungen der Nierenfunktion sowie Schädigungen des Gehörs und Gleichgewichtsorgans verursachen.
Ab dem 1. Dezember wird in der EU eine neue Formulierung auf dem Markt verfügbar sein: liposomales Amikacin zur Inhalation (Arikayce® liposomal 590 mg Dispersion für einen Vernebler von Insmed). Die EU-Zulassung erfolgte bereits im Oktober dieses Jahres. Arikayce darf angewendet werden zur Behandlung von nicht-tuberkulösen mykobakteriellen Lungeninfektionen durch MAC-Bakterien bei Erwachsenen mit begrenzten Behandlungsoptionen, die keine Mukoviszidose haben.
Die Zulassung basiert auf der randomisierten, offenen Phase-III-Studie CONVERT (»American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine» 2018, DOI: 10.1164/rccm.201807–1318OC). Für die Studie wurden Patienten rekrutiert, in deren Sputum trotz leitliniengerechter Standardtherapie für die durch MAC-verursachte NTM-Lungenerkrankung auch nach über sechs Monaten noch MAC-Bakterien nachgewiesen werden konnten. Die etwa 300 Patienten wurden 2:1 randomisiert. 224 Probanden erhielten zusätzlich zur Standardtherapie inhalatives liposomales Amikacin (590 mg einmal/Tag); 112 Patienten die Standardtherapie. Der primäre Endpunkt war definiert als drei aufeinander folgende Monate mit MAC-negativem Sputum innerhalb der ersten sechs Monate der Therapie.
Diesen erreichten unter inhalativem Amikacin plus Standardtherapie 29 Prozent der Patienten; unter Standardtherapie allein waren es 8,9 Prozent. Unerwünschte pulmonale Wirkungen traten bei 87 Prozent der Patienten unter Amikacin plus Standardtherapie auf; im Vergleichsarm bei 50,0 Prozent. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen unter Amikacin waren Dysphonie (47 Prozent), Husten (39 Prozent) und Bronchospasmus (29 Prozent).
Liposomales Amikacin zur Inhalation hat auch bereits Eingang in die internationale Leitlinie gefunden. Zeigt eine leitliniengerechte Behandlung über sechs Monate keinen Erfolg, empfehlen die Leitlinien-Autoren den zusätzlichen Einsatz von inhalativem liposomalen Amikacin. In den USA ist Arikayce seit September 2018 zugelassen.