Lindners Nicken |
Alexander Müller |
29.04.2024 15:30 Uhr |
FDP-Parteichef Christian Lindner zu Besuch am ABDA-Stand auf dem Parteitag der Liberalen. / Foto: Privat
Ganz konkret war unlängst der Vorstoß aus Thüringen. Der FDP-Landesverband hat ein eigenes Reformpaket für Apotheken vorgelegt – explizit als Abgrenzung zu den bisherigen Eckpunkten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die Arbeitsgruppe Gesundheit der Fraktionsvorsitzenden der Länder hat das Papier beim Parteitag diskutiert.
Heute erklärte die für Apotheken zuständige Abgeordnete der Bundestagsfraktion, Kristine Lütke: »Als Freie Demokraten setzen wir uns für eine flächendeckende Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ebenso wie das wirtschaftliche Auskommen der Apothekerinnen und Apotheker ein. Bei der Reform des Apothekenwesens werden wir auch über die Vergütung diskutieren. Die FDP-Kollegen aus Thüringen und Baden-Württemberg greifen dazu in ihrem Papier berechtigte Punkte und Fragestellungen auf. Diese werden wir im Nachgang intensiv beraten.«
Lütke sieht sogar »darüber hinaus noch Ergänzungsbedarf in unterschiedlichen Themenfelder wie der Digitalisierung und vor allem der Entbürokratisierung«. Niedergelassene Apothekerinnen und Apotheker seien essenzieller Bestandteil der wohnortnahen Gesundheitsversorgung. »Nach jahrelangem Stillstand müssen hier die Weichen so gestellt werden, dass dies in Zukunft so bleibt.«
Direkten Austausch über die wirtschaftliche schwierige Lage der Apotheken gab es am Stand der ABDA auf dem FDP-Parteitag. Zahlreiche namhafte Liberale gaben sich ein Stelldichein, darunter Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann. Lütke war ebenso vor Ort, genau wie der gesundheitspolitische Sprecher der Liberalen, Professor Andrew Ullmann.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ließ im Nachgang wissen, sie habe am Rande des Parteitags »weitere, intensive Gespräche über das Verfahren und den Inhalt des geplanten Apothekenreformgesetzes der Ampel-Koalition« geführt. Im Vorfeld der gesundheitspolitischen Fachrunde habe sie Lütke und Ullmann demnach noch einmal die Positionen der ABDA, ihrer Kammern und Verbände sowie des gesamten Berufsstandes deutlich machen können.
»Insbesondere ist es gelungen, den Delegierten die großen aktuellen Sorgen und Nöte der Apothekerschaft näherzubringen«, so Overwiening. »Ich habe mich sehr über die hohe Bereitschaft gefreut, sich mit unseren Ideen und Konzepten, wie wir die Zukunft der Arzneimittelgestaltung erfolgreich gestalten können, auseinanderzusetzen.« In den kommenden Wochen sollten Dialog und Meinungsaustausch fortgesetzt werden.
Vertreterinnen der ABDA, der Apothekerkammer Berlin und des Berliner Apothekervereins (BAV) betreuten den Stand das ganze Wochenende über in Schichten. Am Sonntag vor Ort war die BAV-Vorsitzende Anke Rüdinger, die auch Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Apothekerverbands (DAV) ist. Sie habe ununterbrochen Gespräche geführt und eine unterstützende Stimmung bei der FDP wahrgenommen, berichtet sie der PZ.
Gerade gegenüber meist jüngeren sehr marktliberalen FDP-Mitgliedern habe sie den Sinn der Preisbindung öfter erklären müssen, so Rüdinger. Sie hatte aber den Eindruck, mit Argumenten überzeugen zu können, dass die Arzneimittelversorgung nicht vollkommen dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden sollte.
Parteichef Lindner stattete allen Ausstellern einen kurzen Besuch ab, auch der ABDA. »Wir haben ihm gesagt, dass die Apotheken jetzt dringend eine wirtschaftliche Unterstützung benötigen«, so Rüdinger. Immerhin habe Lindner dazu genickt. Rüdinger hofft, dass die Liberalen den zuletzt deutlich positiven Worten jetzt innerhalb der Regierung Taten folgen lassen. Die Präsenz auf den Parteitagen hält sie jedenfalls für eine gute Strategie. »Wir müssen permanent sichtbar sein«, so die BAV-Vorsitzende. In der kommenden Woche steht mit dem CDU-Parteitag schon die nächste Gelegenheit an.
Bei der FDP war es vielleicht besonders wichtig, weil die Liberalen an der Regierung beteiligt sind und im parlamentarischen Verfahren noch Korrekturen am Apotheken-Reformgesetz vornehmen können, das Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) noch vor der Sommerpause ins Kabinett bringen will. Vor allem in der Frage der PTA-Vertretung liegen die Liberalen mit dem Koalitionspartner weit auseinander.
Allerdings scheint die Stimmung in der Koalition ohnehin angeschlagen: Beim Bundesparteitag im alten Postbahnhof in Berlin machte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai deutlich, dass es zwischen FDP, SPD und Grünen weltanschauliche Unterschiede gebe, an denen »sich niemals etwas ändern« werde. »Wir haben ein anderes Staatsverständnis als unsere Koalitionspartner«, sagte Djir-Sarai.
In seiner programmatischen Rede vor 662 Delegierten legte Parteichef Lindner die grundsätzliche Bedeutung von Wirtschaftswachstum dar und betonte die Relevanz von wirtschaftlicher Stärke bei geopolitischen Herausforderungen. Dass Deutschland in puncto Wettbewerbsfähigkeit von Platz sechs auf Platz 22 abgerutscht sei, verdeutliche die Dringlichkeit eines solchen Vorstoßes. »In den nächsten Jahren muss unser Ehrgeiz sein, von Platz 22 wieder in die Weltspitze zurückzukehren«, sagte der FDP-Chef.
Am Montag hatte das Parteipräsidium hierzu ein 12-Punkte-Papier vorgelegt, das die Delegierten nun als Leitantrag verabschiedeten. Das Papier war bei den Koalitionspartnern auf Ablehnung gestoßen. In ihre Richtung sagte Lindner, wer die Forderungen der FDP ablehne, müsse eigene formulieren. Mehrmals betonte der Parteichef, dass er an der Koalition festhalten wolle. In dem Papier finden sich Forderungen zu Steuersenkungen, Bürokratieabbau, zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und zu einem konsolidierten Staatshaushalt.
Als politischer Wiedergänger tauchte beim Parteitag die Frage zur Kernenergie auf. Drei FDP-Landesverbände wollten den Wiedereinstieg in die Atomkraft mit einem entsprechenden Antrag durchsetzen. Die FDP-Bundestagsfraktion möge sich dafür einsetzen, dass eine Rechtsgrundlage für den Bau neuer Kernkraftwerke geschaffen werde. Damit würde der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gedient, hieß es.
Als einer der Fürsprecher trat Thomas Kemmerich auf, FDP-Landeschef aus Thüringen, der sich vor drei Jahren zum Ministerpräsidenten Thüringens hatte wählen lassen, auch mit den Stimmen der AfD. Nach massiver Kritik trat er zurück. Der Antrag wurde am Ende knapp abgelehnt. Unabhängig von dem abgelehnten Antrag bekannten sich die Liberalen zur Technologieoffenheit, wozu explizit auch Kernkraft gehöre.