Lieferengpass-Gesetz im Bundesrat gebilligt |
Das Gesetz wird jetzt dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet und kann dann im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. / Foto: PantherMedia / Michael Piepgras
Am heutigen Freitag stand das Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), das vom Bundestag am 23. Juni 2023 beschlossen wurde, auf der Tagesordnung des Bundesrats zur abschließenden Beratung.
Mit dem Engpass-Gesetz kommen nun erhebliche Verbesserungen auf die Apotheken zu: Es werden einige bürokratische Vorschriften gelockert, wie etwa die Verstetigung der Austauschfreiheiten bei nicht verfügbaren Medikamenten. Die Nullretaxation, die bei Formfehlern auf Rezepten dazu führt, dass Krankenkassen nicht zahlen, wird zugunsten der Apotheken in einigen Fällen angepasst. Auch die Präqualifizierung wird für Apothekenwegfallen. Zudem gibt es eine Engpass-Vergütung von 50 Cent pro Arzneimittelaustausch.
»Wir begrüßen, dass der Bundesrat den Weg freimacht für einige bürokratische Entlastungen in den Apotheken, um die Lieferengpässe auch in Zukunft möglichst unkompliziert für die Patientinnen und Patienten managen zu können«, kommentierte am heutigen Freitag Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV).
Doch aus Sich der Apothekerschaft löst das Gesetz die Problem nur bedingt: »Wir hätten uns den kompletten Wegfall von Rechnungskürzungen bei Lieferengpässen gewünscht – und auch, dass wir frei zwischen verschiedenen Darreichungsformen austauschen dürfen«, so Hubmann. Was die Politik mit diesem Gesetz leider gar nicht in den Fokus genommen habe, sei die Apotheken auch finanziell für die Zukunft zu stärken, bemängelte er. »Es muss sich für junge Apothekerinnen und Apotheker auch in den nächsten Jahren lohnen, eine eigene Apotheke zu übernehmen oder zu gründen und selbige mehrere Jahrzehnte lang zu betreiben.«
Ein Hauptpunkt des Gesetzes ist, dass generische Kinderarzneimittel künftig von den Rabattverträgen ausgeschlossen sind. Bei den Ausschreibungen der Rabattverträge müssen die Krankenkassen zudem stets auch einen Hersteller in der EU berücksichtigen. Darüber hinaus müssen Pharmahersteller und Großhandel sich bei versorgungskritischen Wirkstoffen in Zukunft ausreichend bevorraten und eine sechsmonatige Lieferfähigkeit garantieren. Um eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung in Krankenhäusern zu sichern, sind erhöhte Bevorratungsverpflichtungen für Krankenhausapotheken für bestimmte Arzneimittel in der intensivmedizinischen Versorgung geplant. Auch bei Krebsmedikamenten soll eine stärkere Bevorratung erfolgen. Für anerkannte Reserveantibiotika mit neuen Wirkstoffen sollen Hersteller den bei Markteinführung gewählten Abgabepreis auch über den Zeitraum von sechs Monaten beibehalten können.
Die Zahl der Produktions-und Lieferengpässe bei Arzneimitteln sei in den letzten Jahren deutlich angestiegen, heißt es in der Gesetzesbegründung. Insbesondere patentfreie Arzneimittel seien davon betroffen - unter anderem Antibiotika sowie Fiebersäfte für Kinder. Weil dadurch die Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland zeitweise nicht hinreichend sichergestellt war, soll im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Frühwarnsystem errichtet werden.
Auch der Gesundheitspolitikerin Kathrin Vogler (Die Linke) lassen die Regelungen im ALBVVG keine Ruhe und sie hob am heutigen Freitag noch einmal den Einsatz der Apotheken beim Lieferengpass-Management hervor. Sie seien es schließlich gewesen, die dringend benötigte Fiebersäfte für Kinder selbst zusammengemischt hätten. Dieses Engagement werde ihnen nicht gedankt, schreibt Vogler in ihrem Newsletter. Denn unklar sei, was mit den Retaxationen der selbst hergestellten Fiebersäfte passiere.
Daher habe sie sich beim Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) mit Bezug auf das gerade beschlossene Lieferengpassbekämpfungsgesetz, das zumindest künftig in einigen Fällen Retaxationen ausschließt, nachgefragt. Die Antwort aus dem Ministerium bezeichnete die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion als frustrierend.
Demnach ist eine rückwirkende Aufhebung der Retaxationen nicht vorgesehen. »Das ist ein Affront gegen alle Apothekerinnen und Apotheker, die zuletzt im Winter mit viel Engagement versucht haben, die Auswirkungen der Lieferengpässe auf die Versorgung der Kinder zu abzumildern: Die profitorientierte Pharmaindustrie bedroht mit ihren fragilen Lieferketten unsere Arzneimittelversorgung, die Krankenkassen verweigern den helfenden Apotheken die Bezahlung und der verantwortliche Minister bestreitet die Zuständigkeit«, wetterte Vogler. Eine glaubwürdige, an den Bedürfnissen der Menschen und am Gemeinwohl orientierte Gesundheitspolitik sollte sich in ihren Augen dafür einsetzen, Ursachen und Folgen solcher Versorgungsnotlagen zu bekämpfen sowie bürokratische Hindernisse abzubauen.
Neben Vorschriften zur Arzneimittelversorgung enthält das Gesetz auch rechtliche Rahmenbedingungen für Modellvorhaben zum sogenannten Drug-Checking in den Ländern. Beim Drug-Checking werden Drogen auf ihre Inhaltsstoffe hin untersucht. Nutzer sollen so vor gefährlichen Substanzen, die Drogen beigemischt sein könnten, besser geschützt werden.
Das Gesetz wird jetzt dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet und kann dann im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Einzelne Regelungen werden bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, andere Teile zu späteren Zeitpunkten.