Leicht erhöhtes Thrombose-Risiko bei Pillen mit Chlormadinon |
Daniela Hüttemann |
23.02.2024 15:20 Uhr |
Alle Verhütungspillen erhöhen das Thromboembolie-Risiko, doch wie sehr, hängt von der Gestagen-Komponente ab. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
Es ist allgemein bekannt, dass die Anwendung aller kombinierten hormonalen Kontrazeptiva das Risiko für venöse Thromboembolien erhöht (VTE; dazu zählen tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien). Es hängt vor allem an der Gestagen-Komponente der »Pille«. Doch wie genau sich das Risiko zwischen den verschiedenen Gestagen-Klassen unterscheidet, war zum Teil noch nicht genau bekannt.
Eine Einordnung von Chlormadinon (Belara®, Neo Eunomin® und viele andere) wird nun in einem aktuellen Rote-Hand-Brief vorgenommen. So haben Frauen, die eine Pille mit Chlormadinonacetat und Ethinylestradiol einnehmen, ein 1,25-fach erhöhtes Risiko für VTE gegenüber Frauen unter Einnahme des empfohlenen Klassikers, der Kombination aus Levonorgestrel und Ethinylestradiol. Das ergab die retrospektive Kohortenstudie RIVET-RCS1, eine gepoolte Analyse auf Basis von vier prospektiven, nicht interventionellen Kohortenstudien mit mehr als 250.000 Pillen-Anwenderinnen aus Europa, den USA und Kanada; darunter waren 12.710 Frauen, die Chlormadinonacetat 2 mg/Ethinylestradiol 30 µg einnahmen.
Während das Grundrisiko für VTE bei Frauen (Nicht-Anwenderinnen einer hormonellen Verhütungsmethode) bei zwei Fällen pro 10.000 Frauen pro Jahr liegt, sind es unter Pillen mit den Gestagenen Levonorgestrel, Norethisteron und Norgestimat fünf bis sieben Fälle. Eine neue Analyse schätzt das Risiko für Chlormadinonacetat nun auf sechs bis neun Fälle. Damit ist das Risiko gegenüber dem Klassiker Levonorgestrel, das als Referenz gilt, nur leicht erhöht.
Andere Kombinationen liegen darüber, zum Beispiel Dienogest (acht bis elf Fälle) oder Desogestrel und Drospirenon (neun bis zwölf Fälle). Eine aktualisierte Tabelle zum VTE-Risiko aller kombinierten hormonalen Kontrazeptiva ist im Rote-Hand-Brief enthalten.
VTE-Risiko bei kombinierten hormonalen Kontrazeptiva / Foto: Rote-Hand-Brief 23.02.2024
»Bei den meisten Frauen überwiegt der mit der Anwendung von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva verbundene Nutzen das Risiko schwerer Nebenwirkungen«, heißt es im Rote-Hand-Brief. Bei der
Verordnung eines kombinierten hormonalen Kontrazeptivums sollen Ärzte die aktuellen, individuellen Risikofaktoren der Frauen – insbesondere die VTE-Risikofaktoren – berücksichtigen sowie das VTE-Risiko mit
dem anderer kombinierter hormonaler Kontrazeptiva vergleichen.
Das Risiko gilt als im ersten Jahr der Anwendung beziehungsweise nach erneutem Beginn der Anwendung (nach einer Anwendungspause von mindestens vier Wochen) am höchsten. Grundsätzlich sollten Ärzte die Verordnung einer Pille der niedrigsten VTE-Risikoklasse, also mit Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat bevorzugen. Koindikationen wie starke Akne können für die Anwendung eines anderen Präparats sprechen. Für die Verschreibung der Pille gibt es seit 2021 eine Checkliste für Ärzte sowie eine Informationskarte für Patientinnen als behördlich genehmigtes Schulungsmaterial.
»Die Entscheidung, ein Arzneimittel anzuwenden, das nicht zu denen mit dem geringsten VTE-Risiko gehört, sollte nur nach einem Gespräch mit der Frau getroffen werden, bei dem sicherzustellen ist, dass sie sich des Risikos für eine VTE bei Anwendung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva, die Chlormadinonacetat/ Ethinylestradiol enthalten, bewusst ist und versteht, wie ihre vorliegenden individuellen Risikofaktoren dieses Risiko beeinflussen und dass ihr Risiko für VTE in ihrem allerersten Anwendungsjahr am höchsten ist«, macht der Rote-Hand-Brief noch einmal deutlich. Risikofaktoren wie Rauchen und Gewicht können sich ändern und sollten vom verordnenden Arzt regelmäßig neu beurteilt werden.
Wichtig ist auch, dass Anwenderinnen die Anzeichen einer Thromboembolie kennen und sich auch die verordnenden Ärzte darüber bewusst sind und die Frauen aufklären. Allerdings sei auch zu beachten, dass einem beträchtlichen Teil aller Thromboembolien keinerlei offensichtliche Anzeichen und Symptome vorausgehen.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) bittet auch Apothekerinnen und Apotheker, Anwenderinnen angemessen zu informieren und Arzneimittelrisiken im Zusammenhang mit der Anwendung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva vorzugsweise online unter www.arzneimittelkommission.de zu melden.
Pillen-Anwenderinnen sollten umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie eines der folgenden Symptome bemerken: