Lehren aus der E-Rezept-Einführung |
Alexander Müller |
11.04.2024 10:02 Uhr |
Was kann bei der EPA besser laufen als beim E-Rezept? Darüber wurde auf der Digitalmesse DMEA in Berlin diskutiert, / Foto: PZ
Seit Jahresbeginn ist das E-Rezept Pflicht und der Großteil der Rezepte wird mittlerweile auch digital ausgestellt. Doch in den ersten 100 Tagen kam es immer wieder zu Störungen und Ausfällen. »Wir haben am Anfang schon gelitten«, sagte Georg Diedrich von der Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Das System habe einfach zu viele »Kinderkrankheiten« gehabt. An sieben von zehn Tagen gebe es eine Störung der Telematikinfrastruktur (TI). »Das ist wirklich dramatisch«, so Diedrich. Wenn das System laufe, könnten digital affine Praxen aber bis zu fünf Stunden pro Woche einsparen.
Apothekerin Susanne Damer, Geschäftsführerin des Berliner Apotheker Vereins, berichtete ebenfalls von der großen Unsicherheit zum Start. Zuletzt sei die Zahl der Nachfragen aber zurückgegangen. »Insgesamt sehen wir eine Stabilisierung der Prozesse in der Apotheke und auch eine steigende Akzeptanz.« Zu den nach wie vor drängenden Problemen zählt Damer unstrukturierte Daten aus der Freitextverordnung.
Unter dem Strich ein positives Feedback zog Wolfgang von Meißner, Vorstandsmitglied des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands (HÄV): »Das E-Rezept funktioniert, wir wollen es nicht mehr missen.« Doch auch in den Hausarztpraxen habe die Umstellung viel Arbeit verursacht: »Wir mussten es tatsächlich allen Patienten erklären«, betonte er. Und in puncto Heimversorgung und Hausbesuche hätte er sich vorab mehr Austausch gewünscht.
Von einer »erheblichen Belastung« für sein Unternehmen sprach Jan Meincke, Geschäftsführer von MediSoftware, einem Anbieter von Praxisverwaltungssystemen. Man habe in enger Abstimmung mit der Gematik in den vergangenen Jahren an vielen Stellen Kleinigkeiten korrigiert. »Die Telematik ist ein hochkomplexes System und die Störanfälligkeit belastet uns als Softwarehersteller jeden Tag.« Die Anfragen an die Hotline haben laut Meincke nur noch zu 60 Prozent mit der eigenen Software zu tun. »40 Prozent der Anrufe erhalten wir, weil bei der Telematik irgendetwas hakt.«
Gematik-Interimsgeschäftsführer Florian Hartge zog als Fazit, dass Projekte dieser Größenordnung Gemeinschaftsaufgaben seien. Deshalb sei es auch bei der flächendeckenden Einführung der elektronischen Patientenakte (EPA) wichtig, dass die die Beteiligten früh ins Gespräch kommen. 2025 soll jeder Versicherte über eine EPA verfügen, so sieht es das Digitalgesetz (DigiG) vor.
Alle Beteiligten waren sich einig, dass die EPA-Einführung nur gemeinsam gelingen kann. Meincke mahnte »Ehrlichkeit in der Kommunikation« an. Man dürfe nicht den Fehler machen, die Erwartungen zu hoch zu hängen.
Auch Gematik-Geschäftsführer Hartge wünscht sich, dass alle Beteiligten zusammenhalten, auch wenn am ersten Tag noch nicht alles perfekt läuft. Man werde die EPA Stück für Stück aufbauen, beginnend mit der vollautomatisch befüllten Medikationsliste. Im nächsten Schritt könnte etwa die Integration von Labordaten folgen. KV-Vertreter Diedrich wünscht sich von Anfang an eine Volltextsuche, die zum Start allerdings nicht vorgesehen ist.
Für Hausarzt von Meißner ist wichtig, dass der Nutzen sofort erkennbar ist. Die Rückmeldung, ob ein ausgestelltes Rezept auch eingelöst wurde oder das Präparat in der Apotheke ausgetauscht wurde, sei ein »Quantensprung in der Patientensicherheit«. Es müssen ganz klar einen »Day One« geben, ein verbindliches Startdatum, die Erweiterungen könnten dann »One Day« – also irgendwann später – folgen. Und besonders wichtig aus den gemachten Erfahrungen: »Die Prozesse müssen stabil laufen, es darf nicht so viele Ausfälle geben.«
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.