Lebenswichtiger Kurzschluss im Arm |
| Annette Rößler |
| 07.11.2025 10:00 Uhr |
Ein Shunt ist eine direkte Verbindung zwischen einer Arterie und einer Vene, meist im Arm. Das so präparierte Gefäß weitet und verdickt sich, sodass es für die Blutentnahme und -reinfusion bei der Hämodialyse genutzt werden kann. / © Getty Images/Picsfive
In Deutschland sind derzeit mehr als 100.000 Menschen dialysepflichtig. Ihre Nierenleistung ist so beeinträchtigt, dass sie auf eine dauerhafte Nierenersatztherapie angewiesen sind. Diese kann prinzipiell intern oder extern erfolgen. Die interne oder auch Peritonealdialyse (Kasten) ist ein Deutschland wenig gebräuchlich; sie wird nur von circa 5 Prozent der Patienten genutzt.
Die Peritonealdialyse nutzt die Tatsache, dass das Bauchfell (Peritoneum) mit kleinen Poren für den Stoffaustausch durchsetzt ist, weshalb sie als semipermeable Membran zur Blutreinigung verwendet werden kann. Über einen Katheter werden mehrmals täglich etwa zwei Liter Dialyseflüssigkeit in die Bauchhöhle geleitet, wo sie vier bis fünf Stunden verbleiben und dann gegen neue Flüssigkeit ausgetauscht werden. Somit erfolgt die Blutreinigung bei der Peritonealdialyse kontinuierlich, wodurch das Herz weniger stark belastet wird als bei einer externen Hämodialyse, die in der Regel dreimal pro Woche stattfindet. Patienten genießen zudem eine größere Unabhängigkeit, weil die regelmäßigen Termine im Dialysezentrum wegfallen – den Tausch der Dialyseflüssigkeit im Bauchraum können sie nach einer Schulung selbst vornehmen. Allerdings kommen nicht alle diaylsepflichtigen Patienten für die Peritonealdialyse infrage. Ausschlusskriterien sind etwa Verwachsungen im Bauchraum und entzündliche Darmerkrankungen.
Bei der übergroßen Mehrheit der dialysepflichtigen Patienten erfolgt die Blutwäsche extern per Hämodialyse. Das Blut fließt dabei durch ein Gerät, wo es, durch einen Filter getrennt, an einer in die Gegenrichtung fließenden Dialyselösung vorbeigeleitet wird. Durch die Membran können Wasser, Elektrolyte und kleine Moleküle wie Kreatinin und Harnstoff in das Dialysat diffundieren, während große Moleküle wie Fette, Proteine und Blutzellen zurückgehalten werden.
Ein »Durchgang« reicht dabei nicht aus, um das Blut ausreichend zu entgiften: Bei einer Hämodialyse werden etwa 72 Liter Blut gereinigt – obwohl der Mensch nur fünf bis sechs Liter Blut hat. Eine Sitzung dauert vier bis fünf Stunden. Pro Behandlung werden 600 Liter Wasser und 25 Kilowattstunden Energie verbraucht sowie rund 15 Kilogramm Müll produziert. Diese Zahlen nannte Professor Dr. Wilma Schierling vom Universitätsklinikum Regensburg kürzlich bei einer Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG).
Eine Hämodialyse ist also ein sehr aufwendiges Therapieverfahren. Das gilt auch für die erforderliche Vorbereitung des Patienten. Denn um die großen Volumina entnehmen und reinfundieren zu können, braucht es einen speziellen Zugang, einen sogenannten Shunt. Der englische Begriff bedeutet »Abzweig« oder auch »Nebenanschluss«. Schierling erklärte, was es damit auf sich hat: »Bei einem Shunt handelt es sich um einen Kurzschluss zwischen zwei normalerweise getrennten Blutgefäßen. Eine Vene wird mit einer benachbarten Arterie operativ direkt verbunden, meist im Arm.«
Der Blutfluss in der Vene erhöht sich dadurch stark, ihr Durchmesser nimmt zu und ihre Wand verdickt sich. Dieser Prozess wird als Shuntreifung bezeichnet und dauert in der Regel vier bis zwölf Wochen, bei älteren Patienten teilweise auch länger. Wenn die Vene einen Durchmesser von circa 6 mm aufweist, nicht mehr als circa 6 mm unter der Haut liegt und der Shuntfluss circa 600 ml/min beträgt, kann der Shunt für die Dialyse punktiert werden.
Einen Shunt kunstgerecht anzulegen, zu benutzen und zu pflegen, ist nicht einfach. »Als künstlich angelegte Kurzschlussverbindung zwischen dem arteriellen und dem venösen System folgt ein Shunt ganz eigenen Gesetzen«, berichtete die Gefäßchirurgin. Mögliche Komplikationen seien etwa die Ausbildung von Engstellen bis hin zum Shuntverschluss oder, abhängig von der Punktionstechnik, Aussackungen. Auch könne der Shunt einen zu hohen Blutfluss entwickeln, was langfristig das Herz belastet und die Durchblutung der Hand verschlechtert. Das könne sogar so weit gehen, dass Teile der Finger absterben.
Ist der körpereigene Shunt aus einem dieser Gründe nicht mehr nutzbar, kann alternativ ein künstlicher Shunt (Prothese-Shunt) implantiert werden. »Bei diesen ist das Komplikationsrisiko, zum Beispiel für einen Shuntverschluss oder eine Infektion, im Vergleich zum nativen Shunt erhöht«, informierte Schierling. Die letzte Option sei dann ein Dialysekatheter, dessen Spitze im rechten Vorhof des Herzens liegt und der durch die Haut nach außen geleitet wird.
Ein Dialysekatheter berge jedoch ein deutlich erhöhtes Risiko für lokale und Blutstrominfektionen. Auch könne es zur Ausbildung von Engstellen im Bereich der großen Venen der oberen Extremität kommen, was die spätere Anlage eines Shunts unmöglich macht. Durch die diversen Komplikationen verkürzt ein Dialysekatheter die Lebenszeit des Patienten und sollte daher nach Möglichkeit vermieden werden.
Das Ziel der DGG sei es, die Komplikationsrate bei der Hämodialyse so gering wie möglich zu halten, betonte Schierling. Ein wichtiges Werkzeug zur Qualitätssicherung sei das Deutsche Shuntregister, in dem seit diesem Jahr jeder neue Dialysezugang erfasst wird. Im Zuge der Krankenhausreform befürchtet die Fachgesellschaft eine Verschlechterung der Bedingungen für Zentren, die sich auf die Behandlung von Dialysezugängen spezialisiert haben.