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ABDA-Präsidentin

Lauterbachs Worten der Wertschätzung müssen Taten folgen

Bürokratiemonster statt echter Hilfe: Vom Lieferengpass-Gesetz hatten sich die Apotheken mehr erhofft. Im gestrigen Facebook-Live-Talk forderte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening endlich eine echte finanzielle Stabilisierung der Apotheken vor Ort. Nicht nur mit dem Bundesgesundheitsminister, auch mit den Krankenkassen ging sie hart ins Gericht und verriet Details zur Eskalationsstrategie.
Wiebke Gaaz
21.04.2023  13:00 Uhr

Zu Beginn beleuchtete Overwiening die Änderungen im Kabinettsentwurf zum sogenannten Lieferengpass-Gesetz ALBVVG. Die Kopplung eines Nachweises der Apotheke zur Nicht-Lieferfähigkeit eines Medikaments an die BfArM-Lieferengpass-Liste wurde herausgenommen – sie wäre für die Apotheken ein »bürokratisches Ungetüm« geworden. Stattdessen würden jetzt zwei Großhandelsabfragen erwartet, mit denen die Lieferunfähigkeit belegt werden kann.

Laut Overwiening ist diese Lösung allerdings auch nicht tragbar: Es fehle der Schutz vor Nullretaxationen und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob die Darreichungsform ausgetauscht werden kann. Besonders eklatant laut Overwiening: Als finanzieller Engpassausgleich steht immer noch der lächerliche Betrag von 50 Cent im Kabinettsbeschluss. »Das ist eine Unverfrorenheit, das geht nicht.«

Für die ABDA-Präsidentin passt dies zum Grundproblem, die Unterfinanzierung der Apotheken in Deutschland. Deren Stabilisierung müsse Priorität haben, und dazu braucht es ausreichend Honorar. Sie appellierte an die Apotheker, mit ihren Abgeordneten über dieses Thema zu sprechen.

Mehr Austausch mit Lauterbach in der zweiten Jahreshälfte

Zu diesem Live-Talk waren vorab so viele Fragen eingegangen wie noch nie zuvor. Viele Apotheker wünschten eine Rückmeldung zu dem Gespräch, das Overwiening vor Kurzem mit Karl Lauterbach geführt hatte. Die Atmosphäre sei angenehm gewesen, berichtete sie, und die Honorar-Forderungen hätten deutlich vermittelt werden können. Ab der zweiten Hälfte des Jahres sei der Minister bereit, in den konkreten Austausch zu gehen.

Die ABDA-Präsidentin erinnerte Lauterbach daran, seine oft beteuerte Wertschätzung für die Leistung der Apotheker auch in Form von Taten zu zeigen. Das Dispensierrecht für Paxlovid für Ärzte wolle er vorsichtshalber noch bis zum Ende des Jahres erhalten, da er eine weitere Corona-Welle befürchte. Für jegliche andere Arzneimittel bleibt das Dispensierrecht aber bei den Apothekern, machte der Minister im Gespräch deutlich.

Auf die Krankenkassen ist kein Verlass

Der Wunsch ganz vieler Apotheker sind neue Lieferverträge, und zwar solche ohne Null-Retaxation. Overwiening würde die Aussage eines Fragestellers unterschreiben, die Krankenkassen seien nicht an der Versorgung der Menschen interessiert, sondern ausschließlich an ihrem Geldbeutel. Sie beschrieb die Verhandlungen mit Krankenkassen als mühsam und zäh. Zudem landeten sie häufig vor der Schiedsstelle, was einen hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand bedeutet.

Ihrer Ansicht nach müsse der Staat viel kritischer hinsehen, wofür die Krankenkassen die Beiträge der Versicherten verwenden. Beispielsweise werbe eine AOK dafür, OTC-Arzneimittel bei Versendern zu bestellen. Das wäre schon ein Grund für die Aufsicht der Krankenkassen, aktiv zu werden, schätzte Overwiening dieses Gebaren ein.

Ampel-Koalitionäre wollen Nullretax abschaffen

Sie bestätigte, dass sie die Zusage aller drei Ampelkoalitionäre habe, die Nullretaxation abschaffen zu wollen. Dazu müsse der Gesetzgeber das Sozialgesetzbuch V ändern. »Wir haben den Abgeordneten und dem BMG differenzierte Formulierungsvorschläge gemacht. Darauf werden wir pochen. Wir werden dafür kämpfen, dass diese als Änderungsantrag in das ALBVVG hineingenommen werden.«

An Apotheker, die Kontakt mit Abgeordneten haben, appellierte sie, dass diese das Thema »Schutz vor Nullretaxationen« unbedingt ansprechen sollten. Eine Formulierungshilfe dazu ist über die Pressestelle der ABDA erhältlich, die auch direkt von der Pressestelle an den Abgeordneten geschickt werden kann.

Austausch-Möglichkeiten dienen nicht der Bequemlichkeit der Apotheken

Damit die Apotheker den Krankenkassen nicht ausgeliefert sind, ist der der Gesetzgeber gefordert, so Overwiening. »Er muss uns stärken, uns Freiräume und die Flexibilität geben, damit wir die Menschen versorgen können.« Die Flexibilität diene nicht der Bequemlichkeit der Apotheker, sondern ausschließlich der ordentlichen, richtigen und verlässlichen Versorgung der Menschen. Auf die Krankenkassen könne man bei diesem Thema nicht zählen, sagte Overwiening.

Daher sei das ALBVVG bei aller Kritik an den Ausarbeitungen zu begrüßen. Sie erkennt die grundsätzliche Bereitschaft des Gesetzgebers, einen Engpassausgleich zu zahlen, an. Die Höhe von 50 Cent sei »frech und inakzeptabel«, daher sei dieser Betrag ihrer Ansicht nach ein Platzhalter.

Aber gesetzliche Rahmenbedingungen seien das, was gebraucht würde, und an denen auch die GKV nicht vorbeikomme. Das gelte insbesondere für den Schutz vor Retaxationen. »Man könnte auch sagen: Der Gesetzgeber muss seine Leistungserbringer – Apothekerinnen und Apotheker – vor den Krankenkassen schützen«, formulierte Overwiening es ganz deutlich.

Fahrplan für die Eskalationsstrategie

Die Eskalationsstrategie, sollte die Politik den berechtigten Forderungen der Apotheken nicht nachkommen, hat viele Zuhörer interessiert. Das sei etwas, wo man »auf Sicht« fahre, aber es gebe klare Terminierungen, sagte Overwiening.

Anfang Mai wird ein Poster kommen, Mitte Mai werden Materialien zur Verfügung gestellt, die an die Apothekenkunden abgegeben werden sollen. Am 6. Juni, einen Tag vor dem Tag der Apotheke, wird es eine Pressekonferenz geben, und in der Woche darauf folgt ein Protesttag. Eine beauftragte Agentur führt derzeit eine repräsentative Umfrage durch. Abgefragt wird beispielsweise, zu welchen Aktionen der Berufsstand bereit wäre und unter welchen Voraussetzungen die Aktionen unterstützt würden. »Es sollen Anlässe geschaffen werden, dass über und mit uns gesprochen wird, dass wir und unsere Situation verstanden werden«, so Overwiening.

Präqualifizierungsverfahren »würdelos«

Ein weiteres Thema, das die Apotheken beschäftigt, ist die Präqualifizierung, um Patienten mit Hilfsmitteln versorgen zu dürfen. »Wann werden wir vom Präquali-Wahn befreit? Warum benötigen wir sie überhaupt?« Es gebe weitere Anbieter von Hilfsmitteln neben Apotheken und Sanitätshäusern, für die diese Qualifizierung nicht gefordert sei. Dieses Verfahren sei über unabhängige Präqualifizierungsstellen gebündelt worden. Aus ihrer Sicht ist das Präqualifizierungsverfahren »würdelos«, weil man alles doppelt und dreifach machen muss, wie beispielsweise ein weiteres Mal den Spiegel im Beratungsraum zu fotografieren. »Es ist überhaupt nicht zu verstehen.«

Dieses Thema stehe weit oben im Forderungskatalog und sei auch schon überall adressiert worden. Das Gesetzgebungsverfahren »Entbürokratisierung«, in das es eingebracht werden soll, beginnt allerdings erst im dritten Quartal 2023. Es gebe bereits Formulierungshilfen für die Parlamentarier. »Alles, was in der Apothekenbetriebsordnung geprüft und abgefragt wird, muss nicht nochmal geprüft und abgefragt werden«, brachte es Overwiening auf den Punkt. »Auch die Ampel-Koalition möchte nicht, dass der Bürokratiewahn alle Effizienzen frisst.«

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