Lauterbachs Widersacher |
Alexander Müller |
12.03.2024 15:00 Uhr |
Unmut in den eigenen Reihen: Mit Blick auf seine geplante Apothekenreform muss Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit deutlichem Gegenwind rechnen (Archivbild). / Foto: IMAGO/photothek
Am 20. Dezember 2023 wollte die ABDA-Spitze im BMG eigentlich über die Reformpläne sprechen, die Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) mit zum Deutschen Apothekertag (DAT) gebracht hatte. Stattdessen präsentierte der Minister ein neues Eckpunktepapier, das unter anderem eine Honorarumverteilung vorsieht sowie Apotheken ohne Approbierte ermöglichen würde. Die ABDA protestierte.
Viel Neues ist seitdem aus dem BMG nicht zu hören. Der Referentenentwurf sei in Arbeit, hieß es regelmäßig. Immerhin der Zeitplan wurde unlängst kommuniziert: Am 24. April werde er sein Gesetz ins Kabinett einbringen, ließ Lauterbach wissen. Das Datum gilt inoffiziell auch als letzte Chance, um Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen, die 2025 in Kraft treten sollen.
Normalerweise würde es zu diesem Zeitpunkt mindestens Gespräche mit den Berichterstattern der Fraktionen über die Inhalte der geplanten Reform geben. Doch Lauterbach lässt die Ampel-Koalitionäre weiter auf seinen Referentenentwurf warten. Das führt inzwischen zu einigem Unmut in den Bundestagsfraktionen.
Vor allem mit Lauterbachs Kommunikationsstil ist man hier äußerst unzufrieden. Vorhaben des BMG gingen zunächst an die Presse, dann an die SPD-Fraktion, dann an die Koalitionspartner, heißt es. Und die Gesprächsrunden mit dem Ministerium seien geprägt von Monologen des Ministers, Diskussionen fänden so gut wie nie statt.
Selbst in Lauterbachs eigener Fraktion wächst die Ungeduld. In ihren Wahlkreisen spüren die Abgeordneten den wirtschaftlichen Druck, der auf den Apotheken lastet. Aus Gesprächen und Apothekenbesuchen kennen sie ihre Nöte. Zwar werden nicht alle Forderungen der Apothekerschaft geteilt, doch die Notwendigkeit für kurzfristig wirksame Maßnahmen wird durchaus gesehen.
Tatsächlich hatte Lauterbach in seinem Eckpunktepapier eine sofortige Erhöhung der Notdienstvergütung in Aussicht gestellt, geliefert hat das Ministerium aber bislang nicht. Der vorgesehene Zuschuss von 50 Millionen Euro sei zwar nicht viel, aber ein wichtiges »Vertrauenssignal«, nachdem eben dieses Vertrauen mit der Erhöhung des Kassenabschlags »zerdeppert« worden sei, heißt es aus den Reihen der Sozialdemokraten.
Sie würden gern über Lösungen für die Versorgung diskutieren: Vom Sicherstellungszuschlag für Landapotheken bis zur querfinanzierten PTA an versorgungsrelevanten Standorten – im Gesundheitsausschuss gibt es viele Ideen. Mal eher marktorientiert, mal auf halbem Weg zur Bedarfsplanung, mal irgendwo dazwischen mit einem nach Packungszahl gestaffelten Fixum. Allein der Austausch mit dem BMG erscheint schwierig.
»Wir sind nicht die Abnicker des Ministeriums. Wir wollen gestalten«, kritisiert etwa der FDP-Abgeordnete Professor Andrew Ullmann. Er ist gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion und zeigt inzwischen klare Kante gegenüber Lauterbach. In der vergangenen Woche hat Ullmann in einem AByou-Talk zu Protokoll gegeben, dass es Apotheken ohne Apotheker mit der FDP nicht geben wird. Das ist eine klare Absage an die bisherigen Pläne aus dem BMG.
Die Liberalen pochen außerdem auf ein Entbürokratisierungsgesetz für das Gesundheitswesen, das seinen Namen verdient. Allein im stationären Sektor ließen sich damit Ullmann zufolge 7 bis 10 Milliarden Euro einsparen, die sich gut für Strukturreformen nutzen ließen.
Und damit auch für die Apotheken. »Wir müssen die radikale Abwärtsspirale unterbrechen«, so Ullmann zur PZ. Selbst über einen Sicherstellungszuschuss in strukturschwachen Gebieten würde er mit sich reden lassen, die Verteilung aber gern der Selbstverwaltung überlassen. Er kann sich eine »Kassenapothekerliche Bundesvereinigung« analog zur Oganisationsstruktur der Ärzteschaft vorstellen, mit eigener Gebührenordnung für Leistungen jenseits der Arzneimittelabgabe. »Ich bin jedenfalls gegen Ansätze einer Staatsmedizin, aber genau das ist der Plan des Ministers«, kritisiert Ullmann.
Einige meinen, Lauterbach habe inzwischen eine Opposition in der eigenen Koalition gegen sich aufgebaut. So hart würde es Ullmann zwar nicht formulieren, aber sein Selbstverständnis geht in dieselbe Richtung: »Wir sind das Korrektiv des Ministers.« Und die Fraktionen hätten sich vorgenommen, proaktiver zu werden und weniger auf das zu reagieren, was aus dem Ministerium kommt. Die Botschaft ans das BMG ist klar: Ab jetzt wird es ungemütlicher.
Eine schnelle Reaktion hätten sich die Gesundheitspolitiker beispielsweise auf das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) erhofft. »Aus meiner Sicht wäre das sehr einfach: Wir ergänzen einen Satz in der Arzneimittelpreisverordnung und lassen Skonti bis 3,5 Prozent zu. Skonto gehört zum Handel und ist eben kein Rabatt«, so Ullmann.
Gegenüber der PZ hatte das BMG vor einem Monat mitgeteilt, mögliche Auswirkungen auf die Versorgung auszuwerten, wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen. Ein Sprecher aus Lauterbachs Haus verwies in diesem Zusammenhang auf die geplante Apothekenreform. Allerdings haben die Karlsruher Richter für ihre Begründung bis zu fünf Monate Zeit.
Bis dahin sollte die Apothekenreform schon einige Schritte weiter sein. Wenn der Gesetzesentwurf vorliegt, muss sich Lauterbach mit den Kabinettskolleginnen und Kollegen abstimmen. Auch eine Anhörung der Fachverbände ist noch vorgesehen, bei der die ABDA sich zum nächsten Entwurf positionieren und eine Stellungnahme abgeben kann. Doch es sieht so aus, als müsste Lauterbach vor allem im eigenen Lager noch Überzeugungsarbeit leisten.
Das Cannabisgesetz hat der Minister mit einigem Knirschen durch den Bundestag gebracht. Als Vorzeigeprojekt von größerer Relevanz wird die Legalisierung aber in der Ampel längst nicht mehr gesehen. Da werden schon eher das Digitalgesetz (DigiG) und das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG) als Erfolge verbucht. Das nächste große gesundheitspolitische Projekt der Ampel-Koalition ist die Krankenhausstrukturreform. Und das Gezerre um das Krankenhaustransparenzgesetz hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie gut Lauterbachs Kommunikation bei diesem Vorhaben sein sollte.