Lauterbach startet Pharmastrategie |
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) will klinische Forschung beschleunigen und Deutschland damit für Hersteller attraktiver machen. / Foto: Imago: photothek
Am gestrigen Donnerstag hatte die Bundesregierung zum Pharmagipfel ins Bundeskanzleramt eingeladen. Auch dort ging es bereits um das geplante Medizinforschungsgesetz, zu dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am heutigen Freitag Journalisten in Berlin Eckpunkte präsentierte. Grundlage des Entwurfs sei die Pharmastrategie der Bundesregierung, die am Donnerstag beschlossen wurde, erläuterte Lauterbach. Der Entwurf sei grundsätzlich fertig, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) werde ihn in Kürze mit den anderen Ressorts abstimmen.
Als Forschungs- und Entwicklungsstandort habe Deutschland in den vergangenen Jahren an Attraktivität verloren, führte Lauterbach aus. Die Prozesse seien hierzulande sehr langsam und sehr teuer, es gebe wesentlich weniger Forschung als beispielsweise in Großbritannien. »Dort werden zehn Mal so viele Patente zugelassen, ähnlich sieht es in den USA aus«, beklagte der Minister. Es gelte nun, »eine Aufholjagd zu starten, um wieder mehr Investitionen nach Deutschland zu holen und damit den Standort zu stärken.« Dabei spiele das geplante Medizinforschungsgesetz eine zentrale Rolle. »Wo geforscht wird, findet auch Produktion statt«, formulierte Lauterbach die strategische Überlegung.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Pharmahersteller verbessern. Geplant ist, klinische Prüfungen zu vereinfachen und zu beschleunigen, die Zulassungsbehörden zu stärken und die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung voranzutreiben. Zudem will die Regierung Herstellern Anreize geben, damit diese in Europa produzieren. Weiterhin sollen bessere regulatorische Rahmenbedingungen dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union sicherzustellen. Geplant ist zudem, Innovations- und Forschungsprojekte zu fördern und Bürokratie abzubauen. Zugleich sollen die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stabil bleiben.
Kernpunkt des Strategiepapiers ist das Ziel, klinische Studien zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu entbürokratisieren. Dabei soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine zentrale Rolle spielen und künftig für alle überregionalen klinischen Studien zuständig sein. »Es soll möglich sein, klinische Studien an einer Stelle zu beantragen«, erläuterte Lauterbach. Dort sollen unter anderem Prüfungen zu Fragen der Ethik, zum Strahlenschutz und zum Datenschutz erfolgen. »Wir wollen Genehmigungsprozesse in 25 Arbeitstagen abschließen«, beschrieb der Minister das Ziel. Das sei ihm sehr wichtig. Er wisse aus der Zeit, in der er selbst klinische Studien durchgeführt habe, wie aufwendig und langwierig solche Prozesse in Deutschland bislang seien. Zudem sollen Verfahren künftig in Musterverträgen vereinfacht und gebündelt werden. Die Länder würden von der Beschleunigung der Prozesse profitieren, betonte Lauterbach. Die neuen Regelungen seien »ein Sprung nach vorn«.
Das geplante Gesetz sei zustimmungspflichtig im Bundesrat, informierte Lauterbach. Das BMG stimme sich dazu bereits eng mit den Ländern ab, er rechne daher mit Zustimmung. »Nach unserer Vorstellung soll das Gesetz im Frühjahr, spätestens im Sommer nächsten Jahres in Kraft treten«, sagte der Minister. An dem Gesetzesvorhaben seien unter anderem das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesjustizministerium, das Bundesforschungsministerium sowie das Bundesfinanzministerium beteiligt.
Das geplante Medizinforschungsgesetz sei eng mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) verschränkt. Mit dem GDNG werde es gelingen, Daten besser zusammenzuziehen. »Wir ermöglichen mit dem GDNG einen Datenzugang, den sonst kein Land hat«, sagte Lauterbach. Das verbessere auch die Bedingungen für die klinische Forschung. »Ich hoffe, dass wir das GDNG am 7. Dezember zusammen mit dem Digital-Gesetz im Bundestag abschließen können«, sagte der Minister. Im Rahmen der Pharmastrategie seien zudem noch weitere Gesetze geplant. Das BMG koordiniere den Prozess, betonte Lauterbach.
Erste Reaktionen von Pharmaverbänden fielen positiv aus. »Die heute vorgestellten Eckpunkte des geplanten Medizinforschungsgesetzes zeigen in die richtige Richtung«, kommentierte Han Steutel, Präsident des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). So sei zu begrüßen, dass es künftig einen zentralen Ansprechpartner für Genehmigungs- und Zulassungsverfahren für Arzneimittel geben soll, der aktiv auf einen raschen Ablauf der verschiedenen Verfahrensstränge hinarbeitet. Das gelte insbesondere für die strahlenschutzrechtlichen Aspekte. Wichtig sei, dass bei der künftigen Aufgabenverteilung der Arzneimittelbehörden Synergien genutzt würden, ohne deren jeweils international anerkannte Sachkompetenz zu verlieren. Positiv bewertete Steutel auch, dass die Bundesregierung die Nutzung von Mustervertragsklauseln befürworte, »um die hierzulande oft überlangen Vertragsverhandlungen zwischen Unternehmen und Kliniken oder Praxen über klinische Studien abzukürzen«. Allerdings sollte die Verwendung solcher Klauseln verbindlich sein. Um den Pharmastandort Deutschland zu stärken, reichten Reformen beim Rahmen für Forschung und Entwicklung jedoch nicht aus. »Es kommt zudem darauf an, auch die Markt- und Produktionsbedingungen hierzulande innovationsfreundlich auszugestalten So schaffen wir die Voraussetzungen für künftige Investitionen in Zukunftstechnologien in Deutschland«, betonte Steutel.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßte das Strategiepapier als »Anfang einer umfassenden Pharmastragie«. Positiv sei unter anderem, dass die Bundesregierung die Bearbeitungszeiten bei mononationalen Studien verkürzen wolle. Dass für besondere Studienformen eine Bundes-Ethikkommission beim BfArM geschaffen werden soll, hält der BPI hingegen nicht für notwendig. »Wir begrüßen aber ausdrücklich, dass das Strahlenschutzverfahren in das Genehmigungsverfahren klinischer Prüfungen integriert werden soll und Anzeigeverfahren für Begleitdiagnostik zukünftig von den Ethik-Kommissionen übernommen werden«, sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen. Insgesamt seien die vorgesehenen Regelungen zwar »keine Revolution, aber doch Schritte zur Stärkung des Forschungs- und Entwicklungsstandortes«. Die noch ausstehende umfassende Pharmastrategie »muss für die Pharmaunternehmen berechenbare und wirtschaftlich auskömmliche Rahmenbedingungen für Forschung, Entwicklung und Produktion ermöglichen und eine Verwaltung schaffen, die unterstützt und nicht durch überbordende, ineffiziente Bürokratie bremst«, betonte Joachimsen. Außerdem gelte es, Fehlentwicklungen bei den sogenannten AMNOG-Leitplanken zu korrigieren.