Lauterbach setzt auf Prävention in Apotheken |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Apotheken bei der Prävention stärker einbinden. Dazu stellte er heute mit ABDA-Geschäftsführer Martin Schulz (links), dem Kardiologen Benny Levenson und Barmer-Chef Christoph Straub (ganz rechts) ein erstes Konzept vor. / Foto: PZ/Orth
Die Behandlung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen (KHK) in Deutschland kostet viel Geld, setzt aber viel zu spät ein. Bei der Früherkennung werden die Möglichkeiten hingegen nicht ausreichend genutzt, kritisierte Bundesgesundheitsminister Lauterbach heute bei einem Pressetermin in Berlin. Die Folge: Noch immer sind KHK hierzulande die häufigste Todesursache. »Wir haben in Deutschland eine schlechte Vorbeugemedizin. Da besteht ein ganz großes Defizit, das müssen wir dringend ändern«, machte Lauterbach deutlich.
In anderen europäischen Länder sei die Sterblichkeit durch KHK aufgrund einer besseren Vorbeugung geringer. Der Minister kündigte an, in »wenigen Wochen« einen Gesetzentwurf vorzulegen, um die Früherkennung und Vorbeugung zu verbessern. Geplant ist, dass die Apotheken künftig Vorsorgeuntersuchungen zu Bluthochdruck, Cholesterin und Diabetes anbieten dürfen. Die Krankenkassen sollen allen 25-, 35- und 50-Jährigen einmalig einen Gutschein – einen sogenannten Voucher – schicken, mit dem sie in die Apotheke gehen und sich untersuchen lassen können. Werden bei diesem Screening auffällige Werte festgestellt, sollen Arztpraxen die weitere Behandlung der Patienten übernehmen. Zur Ausgestaltung der Abläufe solle der Hausärztinnen- und Hausärzteverband ein Konzept vorlegen, so Lauterbach.
»Die Apothekerinnen und Apotheker bringen viel Vorwissen und wichtige Ressourcen ein«, lobte der Minister. Dafür sei er sehr dankbar. Er gehe davon aus, dass die Vorsorge-Check-ups durch die Initiative aufgewertet werden und rechne damit, dass künftig deutlich mehr Untersuchungen durchgeführt werden. »Im Moment nehmen nur wenige Menschen die Check-ups wahr«, bedauerte er. Mit einer konzertierten Aktion will er das Problem gemeinsam mit Akteuren aus dem Gesundheitswesen lösen.
Über die Umsetzung beriet er heute mit Vertretern der Apotheker, Ärzte und Kassen. Mit dabei waren Professor Martin Schulz, Geschäftsführer Arzneimittel bei der ABDA, der Berliner Kardiologe Benny Levenson sowie Professor Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband sowie verschiedene medizinische Fachgesellschaften sind demnach beteiligt, waren heute beim Termin aber nicht anwesend. Anfang Oktober hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein Impulspapier zum Thema vorgelegt. Ärzteverbände hatten Lauterbachs Pläne kritisiert. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, warnte, Apotheken seien keine »Arztpraxen to go«. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, bezeichnete die Pläne im Vorfeld als »absurd« und »unausgegoren«.
Alle Beteiligten sollen nun Vorschläge zur konkreten Umsetzung machen, die in den Gesetzentwurf einfließen sollen. Über das Programm werde die Öffentlichkeit umfassend informiert, kündigte Lauterbach an. Auch das geplante neue Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) werde die Kampagne begleiten.
»Die Apothekerschaft begrüßt die Initiativen des BMG zur Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen inklusive der engeren Einbindung von Apotheken«, stellte ABDA-Geschäftsführer Schulz heraus. Die Menschen fühlten sich sicherer, wenn Ärzte und Apotheker sich abstimmten und gemeinsam zu ihrem Wohle agierten. Dieses Zusammenspiel sei bereits im interprofessionellen Medikationsmanagement ARMIN in Sachsen und Thüringen eindeutig nachgewiesen worden. Nur ein fachliches Mit- statt ein Gegeneinander sei zielführend, wie zum Beispiel bei Bluthochdruck mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und bei Diabetes mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Je breiter die Basis des Angebotes zur Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei, desto besser seien die Erfolgsaussichten, gefährdete Menschen frühzeitig zu identifizieren. Wichtig sei zudem eine grundlegende Stabilisierung der Apotheken. »Nur dann können Apotheken neben der Grundversorgung neue Ideen aufgreifen und umsetzen«, machte Schulz deutlich.
Aus Sicht des Berliner Kardiologen Levenson ist »die Initiative längst überfällig«. Wichtig sei es, die Diagnose frühzeitig zu stellen und die Patientinnen und Patienten dann kontinuierlich zu behandeln. »Nur so können wir bessere Überlebenszahlen bekommen«, sagte der niedergelassene Facharzt. Wichtig sei auch, ein besseres Bewusstsein in der Bevölkerung zu erreichen, wie wichtig die Vorbeugung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei. Der Kardiologe begrüßte, dass künftig bereits bei der Früherkennungsuntersuchung U9 bei Kindern im Alter von fünf Jahren per Bluttest nach möglichen familiär bedingten Fettstoffwechselstörungen gesucht werden soll. Ziel sei es, über die Kinder auch die Familien zu erreichen, erläuterte Levenson.
»Fettstoffwechselstörungen sind sehr verbreitet. Wir müssen mehr dagegen tun«, betone Barmer-Vorstandschef Straub. Zu diesem Zweck müssten alle Akteure zusammenarbeiten. »Wir müssen auch die Patientinnen und Patienten aktiv einbinden«, forderte Straub. Wichtig sei außerdem, die elektronische Patientenakte und App-Lösungen der Kassen zu nutzen. Zudem sei entscheidend, dass die Kassen künftig Abrechnungsdaten ihrer Versicherten auswerten und die Versicherten auf Risiken hinweisen dürften, machte Straub deutlich.