Lauterbach im Stimmungstief |
Ev Tebroke |
27.09.2023 17:25 Uhr |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening machte gegenüber Minister Karl Lauterbach (SPD) deutlich, dass sie seine Vorschläge zur Reform des Apothekenmarkts für eine Hiobsbotschaft hält. / Foto: PZ/Alois Mueller
Es sollte ein Tag der Antworten werden, stattdessen war es ein Tag der Vorschläge. Und die bringen die Apothekerschaft in Rage. Auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf waren 75 Prozent der Zuhörerinnen und Zuhörer nicht zufrieden mit dem Lauterbach-Auftritt. Und fast einstimmig (99 Prozent) signalisierten die Apothekerinnen und Apotheker Bereitschaft für weitere Proteste, das ergab eine aktuelle Instant-Umfrage zu der online aufgerufen worden war.
Die Stimmung in der DAT-Hauptversammlung war explosiv, als Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) sich nach der Erläuterung seiner gestern im Vorfeld veröffentlichten Vorschläge zur Strukturreform der Apothekenlandschaft den Fragen der Delegierten stellte. Für die Apothekerschaft sind die in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) erläuterten Ideen eine Kampfansage und ein Affront gegen ihren Berufsstand.
Lauterbach will das Mehrbesitzverbot aufweichen und die Filialisierung der Apotheken vorantreiben. Rezepturen und Notdienst sollen künftig nicht mehr verpflichtend für alle sein. Zudem soll die Beratung in den Filialen über Telepharmazie erfolgen, die Filiale lediglich mit PTA besetzt sein.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sagte mit Blick auf diese Ankündigungen zu Lauterbach: »Das versteht hier niemand! Über die FAZ teilen Sie uns einen Tag vorher mit, was Sie uns heute sagen wollen. Ihre Pläne zeigen, dass Sie den Menschen unterschiedliche Qualitäten der Versorgung anbieten wollen. Warum kommen Sie mit solch einer Hiobsbotschaft heute an?«
Angesichts des tobenden Saals sagte Lauterbach, der nur per Video zugeschaltet war, weil er parallel Bundestagssitzung hatte, er wäre sehr gern gekommen. »Wenn ich die Stimmung im Saal sehe, es wäre ein Erlebnis geworden.«
Ein Erlebnis waren dann auch die Erklärungen des Ministers auf die Fragen aus dem Saal. Zunächst stellte er klar, die Bundesregierung vertrete nicht die Position, dass es zu viele Apotheken gebe. Die jetzige Struktur der Apothekenlandschaft sei eine gute, aber es brauche mehr Flexibilität. Ziel der Maßnahmen sei es, die fachliche pharmazeutische Qualifikation stärker und besser einzusetzen.
Overwiening stellte klar: »Diese Vorschläge müssen komplett vom Tisch!« Sie seien hochbrisant und hochgefährlich. Wer diese als gut interpretiere, habe vom Versorgungsalltag keine Ahnung. Die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, Ursula Funke, warf dem Minister eine Low-Budget-Haltung vor. Nach so vielen Jahren Stillstand bei der Anpassung der Vergütung brauche es endlich eine Erhöhung. »Ihr Konzept der Filialen, das sind Abgabestellen.« Das seien Apotheken zweiter Klasse. Es gehe um Beratung, um Management, um Interaktion. »Sie als Arzt müssten wissen, was Apotheker leisten.«
Lauterbach wehrte ab. Die geplanten zusätzlichen Filialen seien keine Abgabestellen. Die Filiale sei ja telepharmazeutisch mit der Hauptapotheke verbunden, eine »hochqualifizierte apothekerliche Beratung« sei somit gewährleistet. Es gehe darum, nicht mehr in jeder Filiale auch Rezepturen oder Notdienste anbieten zu müssen. Es sei eben nicht mehr verpflichtend. »Sie verlieren nichts, was Sie nicht schon hätten, es kämen lediglich Möglichkeiten hinzu«, so der Minister.
Hannes Müller, Mitglied im Vorstand der Bundesapothekerkammer (BAK), wollte von Lauterbach wissen, wie er sich denn bei dieser schlechten Vergütungslage bitteschön mehrere neue Filialen leisten können solle, wenn er noch nicht einmal den Kredit für seine Hauptapotheke abbezahlt habe? Und dann käme jetzt auch noch Konkurrenz, die ihm mit günstigeren Strukturen seine Leistung strittig mache. Lauterbach ging darauf jedoch nicht weiter ein.
Angesprochen auf seine Meinung, ob er denke, dass Apotheker gut verdienten, sagte Lauterbach, er wisse um die Einkommensspreizung zwischen etwa Stadt und Land. Die Zahlen, mit denen das Ministerium hinsichtlich einer Honorarreform »offiziell« arbeite, sei ein durchschnittlicher Reinertrag von 166.000 Euro. Aber eben ungleich verteilt. Mit der von ihm angekündigten Honorarreform soll auch geschaut werden, für was wie vergütet werde. Die kaufmännische Leistung etwa müsse anders gewichtet honoriert werden. Leistungen wie Beratung und Prävention seien hingegen unterhonoriert.
Was seine Position zur Freiberuflichkeit betrifft, so betonte Lauterbach, er stimme hier seinem Kollegen Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister in NRW, ganz klar zu. Das Gebot der Freiberuflichkeit ist in seinen Augen unumstritten. Die Ausweitung des Mehrbesitzes sei ein »Angebot an die Apothekerinnen und Apotheker«.
Kai Christiansen, Kammerpräsident in Schleswig-Holstein, wollte wissen, ob Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) gelogen habe, als er unlängst eine Erhöhung des Fixums in Aussicht gestellt hatte. Lauterbach sagte, er werde mit seinem Kollegen noch viel zum Thema Stärkung der Apothekenversorgung diskutieren. »Aber sicher nicht öffentlich.«
Abschließend hatte Overwiening noch drei Bitten an den Minister: Er solle sie in ihrer Apotheke besuchen, mit ihr gemeinsam die betriebswirtschaftliche Analyse durchgehen und vor allem solle er sich bei der Ausarbeitung von Reformplänen mit der Standesvertretung beraten und nicht nur mit ausgewählten Gremien-Experten. »Wir sprechen für die gesamte Apothekerschaft. Wir können beides: Vogelperspektive und die Sicht von der Basis.« Lauterbach verabschiedete sich mit den Worten, er verfolge die Belange vom DAT auch von Berlin aus sehr aufmerksam. »Ich habe schon ein Gefühl dafür, was Ihre Positionen sind.«
Sein Auftritt hinterließ die Delegierten allerdings sehr unbefriedigt. Overwiening kündigte dann auch ganz klar eine neue Protestwelle für November an. Ab dem 8. November sollen in verschiedenen Regionen immer Mittwochnachmittags die Apotheken geschlossen bleiben. Die Aktion soll am 29.November dann in Berlin mit einer Abschlusskundgebung enden. »Was wir bis dahin noch planen, werden wir mit kühlem Kopf beraten.« Auch gemeinsame Aktionen mit der Ärzteschaft seien denkbar, so die ABDA-Präsidentin.