Laktobazillen inhalieren gegen COPD |
Theo Dingermann |
22.08.2024 14:30 Uhr |
Ein Inhalationspräparat mit lebenden Milchsäurebakterien hat ein Forschungsteam der University of Alabama entwickelt. Es soll bei chronischen Lungenerkrankungen die zugrundeliegende Entzündung reduzieren. / Foto: Adobe Stock/Shining Pro
Lungenerkrankungen wie bronchopulmonale Dysplasie (BPD) und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) sind durch neutrophile Entzündungen, Lungengewebezerstörung und beeinträchtigte Lungenfunktion gekennzeichnet. Zudem werden beide Erkrankungen mit Veränderungen der Lungenmikrobiota, also der mikrobiellen Besiedlung, in Verbindung gebracht. Besonders zeigt sich im Lungenmikrobiom eine Verarmung an Firmicuten, darunter in erster Linie Lactobacillus-Arten, was die erhöhte neutrophile Entzündung bedingen könnte.
Basierend auf diesen Beobachtungen testeten Forschende um Dr. Teodora Nicola und Nancy Wenger von der Abteilung für Pädiatrie der University of Alabama at Birmingham die Hypothese, ob ein biopharmazeutisches Produkt, das eine Mischung aus lebenden Lactobacillus-Stämmen, darunter L. plantarum, L. acidophilus und L. rhamnosus, enthält, die neutrophile Entzündung in Modellen der chronischen Lungenerkrankungen BPD und COPD reduziert. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal »Nature Communications« publiziert.
Zunächst zeigen die Forschenden anhand von Mausmodellen, dass der Ac-PGP-Signalweg eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer BPD spielt. Diese Erkrankung tritt bei Neugeborenen auf, wenn sie lange beatmet werden müssen. Ac-PGP (N-Acetyl Prolin-Glycin-Prolin) ist ein bekanntes Chemokin, das durch die proteolytische Zerstörung von Kollagen durch Matrix-Metalloproteinasen (MMP) entsteht. Erhöhte Ac-PGP-Spiegel korrelieren mit einer erhöhten Neutrophilen-Aktivität und mit endzündungsvermittelten Lungenschädigungen, während der Ac-PGP-Antagonist RTR (Arginin-Threonin-Arginin) diese Effekte abschwächt.
Wurden die Mäusen mit einem Inhalationspräparat behandelt, das die lebenden Milchsäurebakterien enthielt, verringerte sich der Einstrom der Neutrophilen. Zudem sanken die Spiegel an MMP-9 und anderen Entzündungsmarkern. Auch bei Mäusen, deren Lungen experimentell vorgeschädigt waren, verbesserte das Inhalationspräparat die Lungenstruktur und -funktion durch Reduzierung der Entzündungsmarker-Konzentrationen.
Den Forschenden zufolge geht die entzündungshemmende Wirkung der Lactobacillus-Stämme vermutlich auf die produzierte L(+)-Milchsäure zurück. Diese verringerte die MMP-9-Expression in vitro signifikant stärker als D(-)-Milchsäure. Auch verbesserte L(+)-Milchsäure die Lungenmorphologie. In COPD-Modellen schnitt das Präparat bei der Reduzierung von Entzündungsmarkern und der Verbesserung der Lungenstruktur vergleichbar und in mancher Hinsicht sogar besser ab als inhalierte Steroide.
Transkriptomanalysen ergaben, dass die inhalative Behandlung mit lebenden Laktobazillen eine Vielzahl von Entzündungswegen herunterreguliert, darunter mehrere, die mit der NF-kB-Signalübertragung und der Chemotaxis von Neutrophilen, einschließlich CXCL1, CXCL5 und CXCL10, in Verbindung stehen.
Hinsichtlich der Sicherheit zeigte die inhalierbare Lactobacillus-Formulierung in Kurzzeit- und Erholungsstudien keine bedenklichen Eigenschaften. Die Bakterien drangen auch nicht in andere Gewebe ein.
So kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass inhalierte Laktobazillen ein vielversprechendes therapeutisches Potenzial bei der Reduzierung neutrophiler Entzündungen und dadurch verursachten Lungenschäden bei chronischen Lungenerkrankungen besitzen könnten. Dies muss allerdings noch durch klinische Studien am Menschen bestätigt werden.