Bei Kinderarzneimitteln hat die Aufhebung von Rabattverträgen und Festbeträgen Wirkung laut IGES-Institut Wirkung gezeigt. / © Imago Images/Zoonar II
Im Juli 2023 trat in Deutschland das »Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz« (ALBVVG) in Kraft, nur wenige Monate nachdem es zu einer besorgniserregenden Knappheit bei Antibiotika und Kinder-Fiebersäften gekommen war.
Zwei Jahre später sieht das Gesetz eine erste Evaluation vor: Welche Maßnahmen haben tatsächlich gegriffen? Wo lassen sich Fortschritte erkennen? Und in welchen Bereichen besteht weiterhin Handlungsbedarf? Um dies zu untersuchen, hat der Verband Pro Generika das unabhängige IGES-Institut beauftragt, die Effekte des Gesetzes zu analysieren.
Das Ergebnis: Während sich bei Kinderarzneimitteln seit Inkrafttreten des ALBVVG im Sommer 2023 leichte Verbesserungen zeigen, hat das Gesetz in anderen Bereichen nicht gegriffen. Die Zahl der Engpässe bei versorgungskritischen Arzneimitteln ist sogar gestiegen, eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht, heißt es in einer Mitteilung des Verbands.
Zwar ist die Gesamtzahl der Lieferengpässe leicht gesunken, doch die Lage bei unverzichtbaren Arzneimitteln bleibt äußerst angespannt, heißt es in der Analyse. Die Liste der Wirkstoffe, die als versorgungskritisch gelten und dennoch nicht verfügbar sind, ist länger geworden. Im Bereich Antibiotika ist die Zahl der Engpässe nur minimal zurückgegangen. Bei vier der zehn meistgebrauchten Antibiotika konnten Hersteller keine europäische Wirkstoffquelle nachweisen. Bei Ausschreibungen von Antibiotika erhielten europäische Hersteller bei nur etwa 50 Prozent der Wirkstoffe Zuschläge. Investitionen in Ausbau oder Neuerrichtung von Werken in Europa blieben aus. Seit Inkrafttreten des ALBVVG habe es keine Neuansiedlungen und zwei Werksschließungen in Europa gegeben.
Zudem sei die Zahl der Engpässe bei ambulanten Krebsmitteln gestiegen. Bei Ausschreibungen von Krebsmitteln habe nur in einem einzigen Fall ein Hersteller mit europäischer Wirkstoffquelle den Zuschlag erhalten. Auch habe es keine Neuansiedlungen in dem Bereich gegeben. Beispiel Tamoxifen: Es gebe noch immer keinen Anreiz für mehr Produktion.
Einen Lichtblick stellen die Kinderarzneimittel in der Analyse dar. Hier hat die Aufhebung von Rabattverträgen und Festbeträgen laut der Analyse Wirkung gezeigt: Die Zahl der Engpässe ging zurück. Ein strukturelles Problem aber bleibe, noch immer werden 60 Prozent der Kinderarzneimittel nur von einem einzigen Hersteller angeboten, neue Anbieter seien nicht hinzugekommen.
»Das ALBVVG hatte den richtigen Ansatz: Anreize für Unternehmen, damit diese sich nicht aus Kostengründen aus der Produktion verabschieden müssen«, sagte Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika. »Die verbesserte Lage bei Kinderarzneimitteln zeigt, dass eine solche Steuerung funktioniert. Was wir jetzt brauchen, ist eine klare Fokussierung auf Medikamente, die nicht fehlen dürfen.«
Dass derlei Maßnahmen durchaus finanzierbar sind, zeige auch die Bilanz der Kosten, die die Maßnahmen des ALBVVG verursacht haben. Von den ursprünglich kalkulierten jährlichen Mehrkosten in Höhe von über 600 Millionen Euro gingen bis Mitte 2025 nach Berechnungen des IGES-Instituts höchstens 27 Millionen Euro eindeutig auf das ALBVVG zurück.
Die IGES-Auswertung belegt laut Pro Generika, dass eine gezielte Entlastung der Unternehmen bei bestimmten Arzneimitteln die Versorgungslage verbessern könne. Um die Risiken von Engpässen bei versorgungskritischen Arzneimitteln wirksam zu senken, seien daher weitere, präzise gesetzte Maßnahmen erforderlich – und laut Verband auch möglich, ohne dass sie die Gesetzlichen Krankenkassen unverhältnismäßig belasten.