Länder lockern Einfuhrregeln bei Antibiotika-Säften |
Lieferengpässe bei antibiotikahaltigen Säften für Kinder beschäftigen Apotheken schon länger. Offiziell ist der Engpass aber erst seit der vergangenen Woche. / Foto: ABDA, Gust
Immer mehr Bundesländer ergreifen Notmaßnahmen gegen den Mangel bei Antibiotikasäften für Kinder. Nach Bremen, Bayern und Nordrhein-Westfalen teilte auch Baden-Württemberg am Dienstag mit, entsprechende befristete Regeln zur Abweichung vom Arzneimittelgesetz erlassen zu haben. Knapp waren zuletzt nicht nur Fiebersäfte, sondern auch Antibiotika. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Patientenschutz gibt es nicht nur bei Kinderarzneimitteln Probleme, sondern generell auch bei Blutfettsenkern, Blutdruckmitteln und sogar Krebsmedikamenten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußerte die Hoffnung, dass das von ihm auf den Weg gebrachte Gesetz zur Beseitigung der Medikamentenengpässe nun schnell durch Bundestag und Bundesrat geht. Die Pharma-Branche zeigte sich skeptisch, ob es wirklich die Probleme löst.
Mehrere Bundesländer lockern nun die Einfuhr-Regeln bei Antibiotika-Säften für Kinder. Möglich ist das, weil das Gesundheitsministerium in der vergangenen Woche offiziell einen Versorgungsmangel für diese Präparate festgestellt hatte. Bei den Lockerungen geht es etwa um die Einfuhr von Produkten, die in Deutschland nicht zugelassen oder registriert sind. Lauterbach sprach am Montag von »Notmaßnahmen«. »Der Prozess zeigt aber, das Gesetz kommt nicht zu früh.«
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller hält es allerdings nur in Teilbereichen für hilfreich. »Damit könne man das Problem der Verfügbarkeit von Kinderarzneimitteln lösen. Generell werde das Gesetz aber »nicht helfen, die Situation in Deutschland zu verbessern«, sagte Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz dem ZDF-»Morgenmagazin« am Dienstag. Es handele sich auch um ein strukturelles Problem: ein über die Jahre hinweg kaputt gesparter Markt, der das Preisniveau bei patentfreien Arzneimitteln so gedrückt habe, dass eine Reihe von Herstellern den Markt verlassen habe. Der Verband forderte einen Inflationsausgleich im Arzneimittelbereich.
Von Seiten der Krankenkassen hieß es dagegen, die Richtung des neuen Arzneimittel-Gesetzes stimme. Die Kritik der Pharma-Branche wies der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zurück. »Erst die Produktion ins Ausland verlagern, dann viel Geld verdienen und jetzt, wo sich die Probleme dieser Unternehmensentscheidungen zeigen, wird nach dem Staat gerufen«, sagte GKV-Spitzenverbandssprecher Florian Lanz am Montag der dpa.
Die Verwendung von eigentlich nicht in Europa zugelassenen Antibiotika beeinträchtigt laut Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) nicht die Arzneimittelsicherheit. Die Amtsapotheken vor Ort genehmigten und kontrollierten diese Einfuhren, versicherte Laumann am heutigen Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags zum Mangel an Arzneien für Kinder. Bei Großimporteuren überprüften die Bezirksregierungen, auch anhand von Proben, ob die Medikamente in Ordnung seien und wie sie hergestellt wurden.
Er müsse allerdings die Erwartung dämpfen, dass mit den gelockerten Einfuhrregeln alle Probleme gelöst würden. »Wir haben es bei Antibiotika mit einem weltweiten Mangel zu tun«, sagte der Minister. Das betreffe auch die Grundsubstanzen, aus denen Apotheker Säfte herstellen könnten. Daher seien die Mengen, die über die befristete Abweichung vom Arzneimittelgesetz zu besorgen seien, beschränkt. Auch die im geplanten Bundesgesetz zur Arzneimittelversorgung geplanten Mechanismen könnten erst mittelfristig wirken, sagte Laumann.
»Wir müssen mehr auf die Sicherheit unserer Lieferketten achten.« Wenn die Arzneimittelproduktion aus Ländern wie China und Indien zurück nach Europa geholt werden solle, müsse dafür aber auch mehr Geld in die Hand genommen werden, so der CDU-Politiker. Das werde höhere Krankenkassenbeiträge nach sich ziehen. Zur Wahrheit gehöre zudem, dass entscheidende Standortfaktoren – wie etwa lockerere Auflagen in der Pharmaforschung oder beim Abwasserschutz, die den jetzigen Herstellerländern zugute kämen – in den Jahren, in denen die Arzneimittelversorgung preisgünstig und sicher gewesen sei, ignoriert worden seien.