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Gehirn & Gedächtnis
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Kurzvideos könnten oberflächliches Denken fördern

Sie sind praktisch: kurze Videos, die man mal rasch zwischendrin schauen kann. Ein fesselndes Thema findet sich schließlich immer. Doch wie wirken sich solche Videos auf das Gedächtnis aus und wie beeinflussen sie unser Denken?
AutorKontaktJohanna Hauser
Datum 29.12.2025  07:00 Uhr

Sinnvoll dosiert eingesetzt können kurze Videos von Vorteil sein, um Inhalte zu vermitteln. Doch wie gut merkt sich das Gehirn, was sie präsentierten? Dazu hat Thorsten Otto vom Institut für Pädagogische Psychologie von der Universität Braunschweig ein Online-Experiment durchgeführt. Die Ergebnisse sind im Fachjournal »Computers & Education« veröffentlicht. Dabei stellte sich heraus, dass sie Einfluss auf unser rationales Denken haben.

Für ihre Untersuchung teilten die Forschenden 123 Versuchspersonen, die im Schnitt 25 Jahre alt waren, zufällig in vier Gruppen ein. Zwei Gruppen (A und B) zeigten sie ein dreiminütiges Unterhaltungsvideo, den anderen beiden Gruppen (C und D) nicht. Jeweils eine der beiden Gruppen (A und C) sah dann ein kurzes Lernvideo im TikTok-Stil, während die anderen beiden Gruppen (B und D) dieselben Inhalte als Text präsentiert bekamen.

Zum Schluss beantworteten alle Teilnehmenden Fragen zu den Inhalten und absolvierten weitere Tests zum Denkmodus. Am schlechtesten schnitten jene ab, die sowohl das Unterhaltungsvideo als auch das Lernvideo gesehen hatten. Auch hatte sich bei ihnen eine Tendenz zu oberflächlichem Denken gezeigt. Ebenso ungünstig auf die Gedächtnisleistung wirkte sich aus, wenn sie nur das Lernvideo sahen ohne vorher das Unterhaltungsvideo konsumiert zu haben.

Problem von Overload und Redundanz

Kurzvideos transportieren Informationen in hohem Tempo und oft auf mehreren Wegen – Bild, Untertitel und gesprochenes Wort. Dieser »Overload« könnte die kognitive Verarbeitung überlasten, heißt es in der Studie. Zudem werde das Lernen durch den sogenannten Redundanzeffekt, wenn also gleiche Information über verschiedene Kanäle auf jemanden einströmen – hier Sprache und Text – behindert.

Otto schreibt, dass Kurzvideos zwar »sofortige Befriedigung mit minimalem kognitivem Aufwand« bieten, vermutet aber, dass die Dopaminausschüttung, die dann im Gehirn stattfindet, ein passives, oberflächliches Denken fördert. Häufiger Konsum könnte so zu einem Dauerzustand führen, den Otto als »das verflachte Denken« bezeichnet.

Ottos Fazit lautet: Kurzvideos sind bei einer jungen Erwachsenenstichprobe aus Deutschland negativ mit rationalem Denken und positiv mit einem oberflächlichen Lernansatz assoziiert. Gleichzeitig weist er darauf hin, die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, da es sich um eine erste Studienreihe handelt.

Ähnliche Ansätze, wie gut Video-Inhalte im Gedächtnis hängen bleiben, hatte es kürzlich in den USA gegeben. Dort hatten Forschende untersucht, wie viel sich Studierende merken, wenn sie Online-Vorlesungen mit erhöhter Wiedergabegeschwindigkeit anschauen. Auch dabei stellte sich heraus, dass es zu einer kognitiven Überlastung kommt, wenn zu viele Informationen zu schnell eintreffen. Und dass in dem Fall genau das Gegenteil passiert: Wichtige Inhalte gehen verloren.

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