Kritik an »zerstörerischen« Plänen |
Apothekerkammern und -verbände warnen vor den Folgen der geplanten Apothekenreform. / Foto: Imago/Christian Ohde
Der Referentenentwurf zum »Gesetz für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform« war am Mittwoch bekannt geworden. Damit sollen Apotheken künftig auch ohne Apotheker geleitet werden können, wenn ein Approbierter per Video zugeschaltet werden kann. Mindestens acht Stunden soll sich die Apothekenleitung aber in der Filiale aufhalten.
An der bereits im Eckpunktepapier vorgesehenen Umverteilung des Honorars hält das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fest. Die Zuschüsse zum Nacht- und Notdienst sollen leicht steigen. Gleichzeitig ist aber geplant, diese Mittel aus dem Fonds für die pharmazeutischen Dienstleistungen abzuzweigen.
Zudem will Lauterbach die Eröffnung von Filialen erleichtern. So soll es künftig möglich sein, Filialen auch außerhalb benachbarter Kreise in einem größeren Umkreis zu betreiben. Die Prüfung und Herstellung von Arzneimitteln sollen an einer einzigen Apotheke des Verbunds durchgeführt werden dürfen. Weiterhin soll es leichter werden, Zweigapotheken zu gründen. In unterversorgten Regionen müssen diese vier Stunden am Tag betrieben werden und benötigen keine Rezeptur. Darüber hinaus sollen die Apotheken laut Entwurf die Möglichkeit haben, ihre Öffnungszeiten flexibel an Personalressourcen und Bedürfnisse der Versorgung vor Ort anzupassen.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bezeichnete die Pläne in einer Pressemitteilung und in einem Brief an die Apothekerschaft als »absoluten Tabubruch« und informierte über die nächsten Schritte. Auch Politiker von FDP und CDU übten Kritik am Entwurf. Nun haben weitere Landesapothekerkammern und Landesapothekerverbände dazu Stellung genommen.
Aus Sicht des Sächsischen Apothekerverbands und der Sächsischen Landesapothekerkammer sind die Pläne des Bundesgesundheitsministers »zerstörerisch« und zeugten von der »Beratungsresistenz« des Ministers. »Anstatt die flächendeckende Versorgung und damit die wichtige Arbeit der wohnortnahen Apotheken wirtschaftlich endlich zu stabilisieren, müssen Patientinnen und Patienten bei der Arzneimittelversorgung nun noch weitere Leistungskürzungen hinnehmen«, so Thomas Dittrich, Vorsitzender des Sächsischen Apothekerverbands, in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Er monierte, dass die Argumente der Apothekerschaft im Entwurf nicht berücksichtigt wurden. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Apotheken würden sich durch die Reform nicht verbessern. »Von dem durch uns geforderten sofortigen Rettungspaket kann auch beim aktuellen Referentenentwurf keine Rede sein«, kritisierte Dittrich.
Göran Donner, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer, erteilte den geplanten »Apotheken ohne Apotheker« eine Absage. Die Apothekenbetriebsordnung regele klar, dass ein Apotheker jederzeit zugegen sein müsse, um möglicherweise auftretende Probleme frühzeitig zu erkennen und damit die Sicherheit der Arzneimittelversorgung für die Patienten zu gewährleisten. Eine »zukunftsfeste Reform« sei Lauterbach mit dem Entwurf schuldig geblieben. »Dadurch wird die Versorgung der Bevölkerung in der Fläche noch schneller nachhaltig zerstört«, so Donner.
Aus Sicht der Landesapothekerkammer Thüringen löst der neue Entwurf keines der drängenden Probleme der Arzneimittelversorgung, sondern schafft viele neue. »Es ist eben nicht egal, ob eine Apothekerin oder ein Apotheker nach einem fünfjährigen Studium eine Apotheke leitet und die Arzneimittelsicherheit verantwortet oder eine beziehungsweise ein PTA. In Fragen der Gesundheit vertraut man eben nicht der zweitbesten Lösung, Gesundheit gehört in die besten Hände«, betonte Danny Neidel, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen. Die Vorschläge des Ministeriums seien »ein Konglomerat aus Entprofessionalisierung und Qualitätsabbau«, kritisiert Neidel.
»Scheinapotheken« ohne Apothekerin oder Apotheker seien aber nur »die Spitze des Eisbergs«. Neidel bemängelte auch, dass Apotheken dem Entwurf zufolge ihre Öffnungszeiten künftig flexibler anpassen dürfen. Die These, dass Apotheken durch das Reduzieren von Öffnungszeiten Einsparpotentiale heben könnten, sei eine direkte Aufforderung, die Qualität der bestehenden Arzneimittelversorgung zu verringern. Dass mit dem Entwurf Apothekerinnen und Apotheker ermutigt werden sollen, weitere Filial- und Zweigapotheken zu eröffnen, ist laut Neidel ein »Angriff auf die Selbstständigkeit«.
Der Landesapothekerverband Niedersachsen (LAV) lehnt den Referentenentwurf für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform laut einer Mitteilung ab. »Er beinhaltet keine Verbesserung der pharmazeutischen Versorgung, sondern entlarvt die Absicht des Bundesgesundheitsministers Lauterbach, das Apothekensystem unrettbar zu zerstören«, kritisiert Berend Groeneveld, Vorstandsvorsitzender des LAV. Er kündigte an, dass der Verband gegen den Gesetzentwurf kämpfen werde. »Der Entwurf setzt massiv die noch funktionierende Arzneimittelversorgung aufs Spiel und vernichtet damit unsere Existenz«, so Groeneveld.