Kritik an Dispensierrecht und »Zweitoffizin« |
Alexander Müller |
25.06.2024 15:46 Uhr |
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Die Bundesregierung will die Notfallversorgung reformieren. Laut dem Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) sollen Notdienstpraxen dazu künftig Versorgungsverträge mit Vor-Ort- Apotheken abschließen können.
Gemäß dem neuen § 12b Apothekengesetz (ApoG) muss die versorgende Apotheke in unmittelbarer Nähe zur Notfallpraxis liegen. Alternativ soll die versorgende öffentliche Apotheke eine Zweitoffizin direkt auf dem Klinikgelände des Notfallzentrums betreiben dürfen.
Grundsätzlich begrüßt die ABDA, dass der ambulante und der stationäre Notdienst besser verzahnt werden sollen, »insbesondere um Fehl- oder Doppelinanspruchnahmen zu vermeiden«. Der Referentenentwurf aus dem BMG sei aber nur bedingt geeignet, »den Besonderheiten der Arzneimittelversorgung in Notfällen angemessen Rechnung zu tragen«, heißt es in der Stellungnahme.
So werde das funktionierende System der Dienstbereitschaft durch öffentliche Apotheken nicht berücksichtigt. Ihnen obliege die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung – und damit sei ein ärztliches Dispensierrecht nicht vereinbar.
Die ABDA begrüßt, dass der Abschluss nicht ins Belieben des jeweiligen Trägers der Notdienstpraxis gestellt ist. »Wir lehnen aber ein ärztliches Dispensierrecht zur Überbrückung des Zeitraums, bis zu dem ein Versorgungsvertrag abgeschlossen worden ist, ab.« Die Arzneimittelversorgung könne in diesen Zeiträumen durch die normale Dienstbereitschaft der öffentlichen Apotheken organisiert werden.
Was die zweite Offizin einer entfernteren Apotheke auf dem Gelände der Notdienstpraxis betrifft, regt die ABDA »ein Rangverhältnis an, um die Arzneimittelversorgung vorrangig aus einer personell und sächlich voll ausgestatteten Apotheke zu ermöglichen«. Wo aufgrund regionaler Besonderheiten Probleme beim Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 12b ApoG auftreten, soll die Apothekerkammer Lösungen finden. »Eines darüber hinausgehenden ärztlichen Dispensierrechts bedarf es nicht«, stellt die ABDA klar.
Mit der Neuregelung sollen die Mindestöffnungszeiten der Notdienstpraxis auch für die Apotheke mit Versorgungsvertrag nach § 12b ApoG verbindlich werden. Soweit längere oder auch kürzere Öffnungszeiten zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und dem jeweiligen Krankenhausträger vereinbart werden können, fehlt der ABDA die Vorgabe, dass den berechtigten Interessen der Apotheke Rechnung getragen wird.
Bei der »zweiten Offizin« handelt es sich nach Ansicht der ABDA um einen Betriebsraum einer öffentlichen Apotheke, für den die Anforderungen nach der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) grundsätzlich Anwendung finden. Wie schon heute beim Versandhandel soll laut Entwurf der Grundsatz der »Einheit der Betriebsräume« ausnahmsweise nicht gelten. Die ABDA wünscht sich eine entsprechende Klarstellung, dass die »zweite Offizin« und die entsprechenden Lagerräume »in angemessener Nähe zu den übrigen Betriebsräumen der Apotheke liegen müssen«.
Denn notfalls müsse der Patient aus der Hauptapotheke umfassend versorgt werden können. »Wir lehnen eine überregionale Versorgung von in der Notdienstpraxis behandelten Patientinnen und Patienten durch unter Umständen weit entfernt ansässige Anbieter ab, weil dadurch die Arzneimittelversorgung dieser Patientinnen und Patienten auf das Niveau des Versandhandels degradiert werden würde«, heißt es in der Stellungnahme.
Die ABDA befürchtet grundsätzlich die Bildung von »Parallelstrukturen«, die auch noch mit Mitteln des Nacht- und Notdienstfonds (NNF) finanziert werden sollen. Zudem würden die zum Notdienst eingeteilten Apotheken wirtschaftlich geschwächt, wenn Patientinnen und Patienten zukünftig die Notfallzentren in Anspruch nehmen könnten. Die Standesvertretung fordert konkrete Regelungen zur Finanzierung dieses Pauschalzuschusses und eindeutige Leitplanken für die Abwicklung.