Kritik an AMTS-Prüfung durch Kassen erneuert |
Kurz vor der Anhörung zum GDNG im Gesundheitsausschuss erneuerte die ABDA ihre Ablehnung der geplanten AMTS-Prüfung durch die Kassen. / Foto: Adobe Stock/chagin
Der Gesundheitsausschuss des Bundestags befasst sich am heutigen Mittwochnachmittag in einer öffentlichen Anhörung mit dem Entwurf des »Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten«, kurz Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG). Ziel ist vor allem, die Nutzung gesundheitsbezogener Daten zu Forschungszwecken zu erleichtern. Die Geister scheiden sich an der geplanten Neuregelung in § 25b, wonach die Kassen künftig das Recht bekommen sollen, Daten ihrer Versicherten automatisiert auszuwerten und diese auf die Ergebnisse hinzuweisen. Das soll auch die automatisierte Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) umfassen. Während die Kassen dies begrüßen, forderten die ABDA sowie Ärzte- und Patientenverbände in Stellungnahmen, die geplante Neuregelung zu streichen.
In ihrer Stellungnahme lehnt die ABDA die Neuregelung in § 25b SGB V erneut als schwerwiegenden Eingriff in das persönliche Beratungsverhältnis zwischen Patientinnen und Patienten und den Leistungserbringern strikt ab und fordert, die Regelung ersatzlos zu streichen. Die bei den Kassen vorhandenen Datenbestände seien weder vollständig, noch aktuell. Die vorgesehenen »Empfehlungen« würden daher vorhersehbar Verunsicherung bei den Versicherten und unnötigen Mehraufwand bei den Leistungserbringern erzeugen. Erkenntnisse aus Projekten zur multidisziplinären Zusammenarbeit wie beispielsweise ARMIN belegten demnach eindeutig, dass »unverbindliche Empfehlungen« an Patientinnen und Patienten häufig negativ wirkten und regelmäßig zu Verunsicherungen bis hin zu möglicherweise riskanten Entscheidungen führten. »Auch hinsichtlich der Qualität der Empfehlungen und möglicher Leistungssteuerungen bestehen erhebliche Zweifel«, heißt es.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert ebenfalls, die geplanten Neuregelung in § 25b zu streichen. Bei der automatisierten Verarbeitung versichertenbezogener Daten mit der Zielsetzung, seltene Erkrankungen, Krebserkrankungen oder andere schwerwiegende Gesundheitsgefährdungen frühzeitig zu erkennen, handele es sich um eine Screening-Maßnahme mit unklarem Nutzen. Die KBV bezweifelt, dass es aktuell validierte Prognosemodelle gibt, die mit ausreichender Präzision eine sichere Vorhersage der genannten Risiken auf Basis der bei den Kostenträgern vorhandenen Daten zu ermöglichen. Dies müsse jedenfalls erst wissenschaftlich geprüft werden.
Wie die ABDA, rechnet auch die Bundesärztekammer (BÄK) mit einer Verunsicherung der Patientinnen und Patienten durch den Eingriff in die bestehende Behandlungsbeziehung. Auch die Ärztinnen und Ärzte würden verunsichert. Darüber hinaus stelle sich die Frage, warum es eine Überprüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit in den Händen der Kassen geben solle. Die BÄK begründet dies damit, dass es mit dem geplanten Digital-Gesetz eine individuelle Medikationsliste in der elektronischen Patientenakte (EPA) geben soll. »Es liegt dann also ein vollständiger Überblick der aktuellen und zurückliegenden Medikationen vor und somit eine valide Grundlage für eine Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung durch behandelnde Ärztinnen und Ärzte. Eine parallele AMTS durch die Krankenkassen ist nicht erforderlich«, heißt es in der Stellungnahme. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) lehnt die Pläne ebenfalls mit der Begründung ab, dies stelle einen massiven Eingriff in den heilkundlichen Kompetenzbereich von Psychotherapeuten und Ärzten dar.
Doch auch bei Patienten- und Wohlfahrtsverbänden stoßen die Pläne auf Ablehnung. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG Selbsthilfe) wehrt sich laut ihrer Stellungnahme »mit allem Nachdruck« gegen die geplante Auswertung von Versichertendaten. Sie befürchtet, dass Krankenkassen die neuen Möglichkeiten nutzen könnten, um Patientinnen und Patienten mit teuren und gleichzeitig risikoreichen Therapien – möglicherweise auch telefonisch – unter Druck zu setzen. Das ließen »Erkenntnisse aus der Vergangenheit zum Krankengeldmanagement leider befürchten«, heißt es. Die Caritas betont, dass insbesondere Informationen über Gesundheitsgefährdungen bei der Einnahme von Arzneimitteln der ärztlichen Versorgung vorbehalten bleiben müssten. Denn bei der Information über mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen könne ein abruptes Absetzen lebensnotwendiger Medikamente erheblichen Schaden anrichten.
Hingegen hält der GKV-Spitzenverband die geplanten Auswertungs- und Beratungsbefugnisse für »lange überfällig«. Anders als die jeweiligen Leistungserbringer könnten die Kassen die notwendige Infrastruktur vorhalten, um Daten auszuwerten. Die Verbände der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) begrüßen in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass sie künftig die Möglichkeit erhalten sollen, auf Basis von Abrechnungsdaten Ansatzpunkte zu finden, um den Gesundheitsschutz und die Versorgung ihrer Versicherten zu optimieren. Sie sehen dies nicht als Eingriff in die ärztliche Verantwortung für die Behandlung an. Vielmehr erhöhe das Gesetz die Chancen, dass Patienten im Bedarfsfall ärztliche Behandlung auch in Anspruch nehmen. Über die Therapie entschieden weiterhin die Ärzte, heißt es.