Kretschmer: Apothekenreform braucht Dialog |
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will eng mit Sachsens Apothekerschaft zusammenarbeiten um die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu stabilisieren und die Vor-Ort-Apotheken zukunftsfest zu machen. / Foto: SAV
Das Apothekensterben schreitet weiter voran. Im Jahr 2023 haben bundesweit knapp 500 Offizinen ihre Türen geschlossen. In Sachsen sind im vergangenen Jahr 20 Offizinen vom Netz gegangen. Und auch in diesem Jahr drohen dort weitere 20 Schließungen – insbesondere in strukturschwachen Regionen. Aktuell sind in dem Freistaat noch rund 900 Apotheken übrig.
Diesen Trend gelte es aufzuhalten, das betonte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Freitag beim 20. Sächsischen Apothekertag (SAT) in Dresden. Aus seiner Sicht sind die angekündigten Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht passgenau und daher nicht zielführend, um die Versorgung zu stabilisieren und zukunftsfest zu machen.
Wie gelingt es, die flächendeckende Versorgung durch die Apotheke vor Ort zu erhalten? Diese Kernfrage stand im Zentrum der gemeinsamen Veranstaltung der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK) und des Sächsischen Apothekerverbands (SAV).
Wichtig sei ein gutes Verhältnis zur Politik, unterstrich Kretschmer. »Wir müssen uns unterhaken!« Sachsens Ministerpräsident forderte explizit, die Expertise der Apothekerschaft für die Problemlösung besser mit einzubeziehen. Mit einem Seitenhieb auf Lauterbach sagte er: »Es bedarf das Gespräch mit denen, die täglich diese Arbeit machen und die Arzneimittelversorgung in der Apotheke realisieren.«
Lauterbach steht in der Kritik, seine Reformvorhaben aus dem Elfenbeinturm heraus zu konzipieren statt auf den direkten Dialog und Austausch mit der Apotheker- und Ärzteschaft zu setzen. Erst diese Woche hatten die Heilberufler in Berlin gemeinsam Kritik an der Ampelpolitik geübt und die fehlende Kommunikationsbereitschaft von Lauterbach gerügt. Auch Kretschmer attestierte dem Bundesgesundheitsminister mangelnde Offenheit: »Sprechen kann man mit dem Minister nicht«, so der CDU-Politiker.
Als Beispiel für schlechte gesetzliche Regelungen nannte Kretschmer etwa die Gestaltung der Arzneimittel-Austauschliste angesichts der Lieferengpass-Problematik. Hier kritisiert die Apothekerschaft, dass die Liste nicht wie ursprünglich angedacht den Austausch für die Apothekenseite wesentlich erleichtere. Denn viele Prüfpflichten bleiben bestehen. »Viele Punkte könnten hier anders sein, wenn Ihre Expertise bei der Planung besser hätte einfließen können«, so Kretschmer.
Gegenüber der sächsischen Apothekerschaft unterstrich der Minister seinen Willen zu guter Kooperation. Mit Blick auf die notwendigen Reformen zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken und dem Erhalt der flächendeckenden Versorgung wünsche er sich, »dass wir nah beieinander sind und gemeinsam kluge Vorschläge erarbeiten, die dann auch bundespolitisch umgesetzt werden«.
Auch zwischen den Bundesländern setzt Kretschmer auf enge Zusammenarbeit, etwa wenn es um die Nachwuchssicherung bei den Heilberufen geht. Als Beispiel nannte er Brandenburg und die dortige Entstehung einer medizinischen Hochschule in Cottbus. Ab 2026 sollen dort 200 Medizinstudierende starten. Zwei Milliarden Euro hat das Nachbarland laut Kretschmer dafür bereitgestellt.
Ein Studiengang Pharmazie ist bislang jedoch nicht geplant. »Was für die Ärzteschaft gemacht wird, muss auch für die Pharmazie möglich sein«, forderte Kretschmer. Seit Jahren kämpft Brandenburgs Apothekerkammer für die Einrichtung eines Studiengangs Pharmazie. Bislang jedoch ohne Erfolg. Brandenburg ist neben Bremen das einzige Bundesland, in dem kein Pharmaziestudium möglich ist. Die Entwicklung in Brandenburg habe Strahlwirkung für Sachsen. »Wir brauchen die Kooperation zwischen den Ländern zur Nachwuchssicherung«, unterstrich Kretschmer.
Auf die Frage, welche Möglichkeit er auf landespolitischer Ebene sehe, um in Sachsen den Strukturdefiziten in der flächendeckenden Versorgung entgegenzuwirken, sagte Kretschmer, er setze auf eine eigenwirtschaftliche Lösung. Es gelte die Freiberuflichkeit zu erhalten. Es brauche »mehr Freiheit und Eigenverantwortlichkeit, weniger Staat«. Dazu brauche es eine Reform-Gesetzgebung auf Bundesebene.
Es gehe darum, Prioritäten zu setzen: das zu stärken, was wirklich wichtig ist. Dabei dürfe »Eigenleistung nicht in Watte gepackt« werden. »Die staatliche Regulierung ist das Problem«, so der Ministerpräsident.
In diesem Zusammenhang kritisierte Kretschmer auch die Regulierungswut auf EU-Ebene. Mittlerweile sind zwei Drittel der Regelungen Verordnungen, die unmittelbar gelten. Es bedürfe eines breiteren Rahmens, mehr Flexibilität auf Basis von Richtlinien statt Verordnungen, mahnte Kretschmer.
Auch um hierzulande das Apothekenwesen mit seiner Freiberuflichkeit zukunftsstark zu machen, brauche es den politischen Dialog mit der Apothekerschaft. »Die Themen in der Apotheke sind so komplex, das geht nur mit Ihrer Expertise.«
Auf den Dialog mit den Apotheken setzt auch Petra Köpping, sächsische Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, in ihrem Grußwort. »Wir wissen um die Probleme der Apotheker«, versicherte die SPD-Politikerin und sprach Lieferengpässe, Bürokratiewust und Fachkräftemangel an.
»Im Jahr 2030 wird Sachsen laut Prognose das Bundesland mit der durchschnittlich ältesten Bevölkerung in Deutschland sein und darauf müssen wir uns vorbereiten«, mahnte die Ministerin. Eine Option sei die Digitalisierung, aber gerade in den Apotheken gehe es weiterhin sehr viel um den persönlichen Kontakt. Daher setze sie sich für mehr Studienplätze für Apotheker ein. Dazu müssten im neuen Haushalt entsprechende Gelder bereitgestellt werden. Sie hielt zudem die Anwerbung von Fachkräften für Apotheken im Ausland, ähnlich wie bei Pflegekräften, für möglich.
Auch die Sozialministerin warb für mehr Kooperation. »Wir wollen möglichst alle Gesundheitsbereiche miteinander verzahnen – mit dem Ziel der bestmöglichen Versorgung der Patienten.«
Wie der Ministerpräsident zeigte sich auch Köpping besorgt wegen der bevorstehenden Wahlen. »Wir haben Angst, dass wir keine demokratische Regierung mehr bilden können.« Sie wolle die Mehr-Parteien-Koalition fortsetzen. »Es geht um uns alle«, warb die Politikerin für die Demokratie.