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Pharmazeutische Betreuung

Krebspatienten brauchen gut verständliche Informationen

Medikationsfehler und unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) sind nach wie vor für einen signifikanten Anteil an Krankenhauseinweisungen verantwortlich. Das beklagt der Onkologe und langjährige Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AKdÄ), Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig im Rahmen eines Vortrags auf den NZW-Kongress in Hamburg. Derzeit wird erprobt, wie Apotheken das strukturiert verhindern können.
Theo Dingermann
08.02.2025  15:18 Uhr

Irren sei menschlich wie dies auch der Titel eines vielbeachteten Buches »To Err is Human« aus dem Jahr 2000 beschreibt. Aber daran könne man, ja muss man arbeiten, so Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig beim onkologisch-pharmazeutischen Fachkongress NZW dieses Wochenende in Hamburg. Dies gelte in besonderem Maße beim Einsatz oraler Tumortherapeutika, die in der klinischen Praxis immer mehr an Bedeutung gewinnen. Im Sinne der Medikamentensicherheit erfordern diese Medikamente eine engmaschige Patientenaufklärung, denn mit den oralen Onkologika werden die Patienten viel stärker als in der Vergangenheit mit in die Pflicht genommen, einen korrekten Einsatz der Krebsmedikation sicher zu stellen. Konkret betrifft dies Adhärenz-Probleme ebenso wie ein bestmögliches Vermeiden von Wechselwirkungen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Wenig hilfreich bei der Bewältigung dieser Probleme ist laut Ludwig die oft unzureichende Kenntnis über den wirklichen Zusatznutzen vieler neuer Onkologika zum Zeitpunkt ihrer Zulassung. Aktuelle Daten weisen aus, dass für mehr als 50 Prozent der zugelassenen Krebsmedikamente kein nachgewiesener Zusatznutzen dokumentiert ist. Gleichzeitig verursachen die Arzneimittel jedoch rasant steigende Kosten. Als besonders problematisch sieht Ludwig dabei die sukzessiven Indikationserweiterungen für diese Präparate nach ihrer Zulassung, wobei oft eine fundierte klinische Evidenz fehle. Dies birgt laut Ludwig nicht nur die Gefahr medizinischer Risiken, sondern belaste auch das Solidarsystem in erheblichem Maße.

Ludwig begrüßte die mehr und mehr konsequente Einführung und Bereitstellung von Medikationsplänen. Dadurch würde zum einen die Medikation für die Patienten besser dokumentiert. Zum anderen trügen Medikationspläne gerade auch in der Onkologie dazu bei, die Pharmakovigilanz zu verbessern, unter anderem auch dadurch, dass unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch die systematische Auflistung der Medikation leichter nachvollziehbar und so auch die Meldepflichten für Nebenwirkungen noch ernster genommen würden. Dazu würde auch die Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen beitragen, an die Patienten gerichtete, gut verständliche Informationen zu den oft komplexen Besonderheiten der Tumortherapeutika bereitzustellen.

Studien zum Nutzen einer intensiven Betreuung

Professor Dr. Frank Dörje, der Leiter der Apotheke am Klinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, demonstrierte im Anschluss an den Vortrag von Ludwig, wie sich die Arzneimittelanwendung durch eine interdisziplinäre Patientenbetreuung deutlich verbessern lässt.

Dörje stellte die Ergebnisse der AMBORA-Studie (Ambulante orale Tumortherapie) vor, in der die Auswirkungen einer strukturierten pharmazeutischen Begleitung auf Patientensicherheit und Therapieadhärenz wissenschaftlich untersucht wurde. AMBORA ist eine randomisierte, kontrollierte Studie, in deren Verlauf Tumorpatienten engmaschig pharmazeutisch betreut wurden, um die Hypothese zu beweisen, dass sich so Medikationsfehler, Nebenwirkungen und Therapieadhärenz verbessern lassen. In der Interventionsgruppe wurden die Patienten durch Apothekerinnen und Apotheker intensiv begleitet, um sie unter anderem zur korrekten Einnahme, zur Erkennung von Nebenwirkungen und zur Vermeidung arzneimittelbezogener Probleme zu schulten.

Die Ergebnisse der zwischenzeitlich abgeschlossenen Studie zeigen eine signifikante Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS): In der intensiv betreuten Gruppe wurden arzneimittelbezogene Probleme (ABP) um beachtliche 34 Prozent reduziert. Zudem ergaben sich positive Effekte auf patientenrelevante Endpunkte, darunter eine Reduktion ungeplanter Hospitalisierungen, Therapieabbrüche und schwerer Nebenwirkungen um 52 Prozent. Diese Resultate unterstreichen den Wert einer interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern gerade auch im Bereich der Onkologie.

Hochrechnung: Fast 5 Millionen Euro Einsparmöglichkeit

Dass eine solche interdisziplinäre Betreuung der Patienten nicht nur medizinische Vorteilen bringt, sondern auch ökonomische Effekte zeigt, ließ sich eindrucksvoll in einer Hochrechnung für die AOK Bayern demonstrieren. Danach würde eine flächendeckende Implementierung des AMBORA-Ansatzes jährlich Einsparungen von bis zu 4,75 Millionen Euro allein durch die Reduktion ungeplanter Krankenhausaufenthalte möglich machen. Trotz dieser vielversprechenden Daten bestehen weiterhin Hürden bei der Implementierung in das reguläre Versorgungssystem, insbesondere im Hinblick auf die Kostenübernahme durch Krankenkassen.

Dörje berichtete allerdings auch, wie groß die Hürden sind, die es zu überwinden gilt, will man ein solches Konzept tatsächlichen flächendeckend in die klinischen Praxis einzuführen. So untersuchten die Forschenden, welche Faktoren eine erfolgreiche Implementierung begünstigen. Dabei stellten sie fest, dass sich »Best-Performer«-Zentren durch gut strukturierte Prozesse und eine hohe interprofessionelle Koordination auszeichnen. Dass dies allerdings nicht flächendeckend der Fall ist, zeigt das enttäuschende Ergebnis, dass die von den Forschenden angestrebten Patientenzahlen im Rahmen ihrer Studie weit verfehlt wurden.

Mit Abschluss der AMBORA-Studie geben sich die Forschenden jedoch nicht zufrieden. Als direkte Folgeaktivität wurde die »Safety-First«-Studie ins Leben gerufen, um die Erkenntnisse in einer multizentrischen Erprobung zu validieren. Diese Cluster-randomisierte Studie untersucht aktuell an 24 Zentren in Deutschland, ob die positiven Effekte der AMBORA-Studie auch in der breiten Versorgung reproduzierbar sind. Mit einem geplanten Rekrutierungsziel von 600 Patienten soll überprüft werden, ob die intensivere pharmazeutische Betreuung flächendeckend die Patientensicherheit und Therapieadhärenz verbessert.

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