»Krebsimpfstoffe werden eine wertvolle Therapieoption werden« |
Christina Hohmann-Jeddi |
17.09.2025 15:30 Uhr |
Auch an therapeutischen Impfstoffen gegen Krebs wird schon seit einer Weile gearbeitet. »Das Prinzip hinter therapeutischen Krebsimpfstoffen ist einfach, das eigene Immunsystem in den Kampf gegen Krebs einzubinden.« Das Immunsystem erkenne zwar den Tumor, jedoch falle die Immunreaktion aber in der Regel nicht stark genug aus, um den Krebs zu beseitigen. Die Gründe sind unter anderem, dass der Tumor sich tarnen kann und dass die T-Zell-Antwort zu gering ausfällt. Therapeutische Impfstoffe sollen hier die Immunreaktion, vor allem die T-Zell-Antwort verstärken, indem sie auf tumortypische Mutationen trainiert werden.
»Die Entwicklung ist ein auf und ab gewesen«, berichtete Dingermann. Derzeit befinde man sich wieder in einer optimistischen Phase, auch wegen Fortschritten bei Vakzine-Plattformen und Wirkverstärkern (Adjuvanzien). Auch bei den therapeutischen Impfstoffen verfolgt man zwei Ansätze: Impfstoffe für größere Patientengruppen («Off-the-Shelf-Impfstoffe«) und personalisierte Impfstoffe. Die Off-the-Shelf-Vakzinen richten sich gegen tumorassoziierte Antigene, die in hoher Zahl von Tumorzellen in geringer Zahl aber auch in normalen Körperzellen exprimiert werden. Als Beispiele nannte Dingermann hier etwa HER2.
»Sicherlich interessanter werden noch Impfstoffe sein, die personalisiert sind, also auf den Tumor des Patienten abgestimmte Neoantigene enthalten«, sagte Dingermann. Diese basieren auf tumorspezifischen Antigenen, sogenannten Neoantigenen, die durch Mutationen entstehen und somit nur in den Tumorzellen vorkommen. Wenn diese als Antigen dienen sollen, ist zu beachten, dass sie aus körpereignen Proteinen entstehen. Diese sind – anders als Proteine von Viren und Bakterien – nicht immunogen, können also keine effektive Immunantwort hervorrufen. Nur kleine Bruchstücke des Proteins (Peptide) mit der Mutation wirken immunogen und können in Impfstoffen eingesetzt werden. Und um das noch zu verkomplizieren, werden auch nicht alle Peptide von den antigenpräsentierenden Zellen (APC) auch präsentiert. »Das ist individuell unterschiedlich«, erläuterte Dingermann.
Um personalisierte Impfstoffe herzustellen ist daher ein aufwendiger Analyseprozess notwendig. So werden die Neoantigene des Tumors bestimmt und die HLA-Ausstattung des Patienten (Ausstattung der APC). Dann werden Voraussagen gemacht, welche Peptide bei der Prozessierung der mutierten Proteine entstehen und welche davon von den APC auch dem Immunsystem gezeigt werden. »Geeignete Neoantigene zu finden, ist hochkomplex und wird inzwischen mit KI-Unterstützung vorgenommen«, sagte der Pharmazeut.
In den nächsten Jahren werden Krebsimpfstoffe zur Zulassung kommen, ist er überzeugt. »Ich bin extrem optimistisch, dass Impfen eine wertvolle Therapieoption bei Krebs werden wird.« Die Off-the-Shelf-Impfstoffe, zu denen schon eine Reihe von klinischen Studien etwa von Moderna oder Biontech liefen, könnten eine große Rolle spielen. Für »noch plausibler« hält er das Prinzip der personalisierten Impfstoffe, hier müsste die Produktion, die derzeit noch sehr teuer und langwierig ist, schneller und effizienter werden, bevor sie breit eingesetzt werden könnten.
Zu den Fortschritten beim therapeutischen Impfen gegen Krebs hatte Dingermann vor Kurzem auch in einem Podcast der Pharmazeutischen Zeitung gesprochen.