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Impfstoffforschung

»Krebsimpfstoffe werden eine wertvolle Therapieoption werden«

Können Impfstoffe nicht nur Viren, sondern auch Krebs besiegen? Professor Dr. Theo Dingermann zeigte heute auf der Expopharm in Düsseldorf, was der aktuelle Stand der Forschung zu therapeutischen Krebsimpfstoffen ist.
Christina Hohmann-Jeddi
17.09.2025  15:30 Uhr

Impfstoffe gegen Krebs lassen sich prinzipiell in präventive Impfstoffe, die bei Gesunden eingesetzt werden, und therapeutische unterscheiden, die für Krebspatienten gedacht sind. Ein Ziel beim präventiven Ansatz sind krebserregende Viren: »Ein Sechstel aller Krebserkrankungen wird von nur sieben Viren verursacht«. Dies seien Humane Papillomaviren (HPV), Hepatitis-B-Viren (HBV), Hepatitis-C-Viren (HCV), Epstein-Barr-Viren (EBV), Humane Herpes-Viren Typ 8 (HHV8), Humanes T-Zell-Leukämie-Viren Typ 1 (HTLV-1) und Merkelzell-Polyomaviren (MCPyV).

Gegen zwei dieser Erreger sind präventive Krebsimpfstoffe verfügbar, »die bereits einen erheblichen Einfluss hatten«, berichtete der Apotheker. So habe die Hepatitis-B-Impfung Berechnungen zufolge zwischen 2000 und 2030 etwa 38 Millionen Todesfälle durch Leberkrebs verhindert. Und auch die HPV-Impfung reduzierte bereits nachweislich die Inzidenz verschiedener Krebsraten und habe das Potenzial, das Risiko für Gebärmutterhalskrebs »nahezu zu eliminieren«. An präventive Impfungen gegen die anderen krebserregenden Viren werde gearbeitet. »Gegen alle diese Viren kann man theoretisch impfen.«

Zunehmend werden aber auch präventive Impfstoffe gegen nicht viral vermittelte Krebserkrankungen getestet. Diese basieren auf tumorassoziierten Antigenen (TAA). Hier liefen aktuell schon Studien zu dem sogenannten Lynch-Syndrom, einer genetisch bedingten Erkrankung, die das Risiko für verschiedene Krebsarten erhöht. Für diese Erkrankung werden derzeit Impfstoffe entwickelt, die auf gemeinsame Neoantigene abzielen und die die Krebsentstehung hinauszögern oder verhindern sollen.

Zudem könnten auch präventive Impfstoffe entwickelt werden, die auf klassische Onkogene wie die KRAS-Mutation, die in einer ganzen Reihe von Tumoren vorkommt, abzielen. Diese könnten Gesunde schützen oder bei Menschen mit Präkanzerosen, die Weiterentwicklung zu Krebs verhindern. Hier sind schon Kandidaten, etwa ein Peptid-Impfstoff gegen KRAS, in klinischen Studien.

Krebsimpfung als Therapie

Auch an therapeutischen Impfstoffen gegen Krebs wird schon seit einer Weile gearbeitet. »Das Prinzip hinter therapeutischen Krebsimpfstoffen ist einfach, das eigene Immunsystem in den Kampf gegen Krebs einzubinden.« Das Immunsystem erkenne zwar den Tumor, jedoch falle die Immunreaktion aber in der Regel nicht stark genug aus, um den Krebs zu beseitigen. Die Gründe sind unter anderem, dass der Tumor sich tarnen kann und dass die T-Zell-Antwort zu gering ausfällt. Therapeutische Impfstoffe sollen hier die Immunreaktion, vor allem die T-Zell-Antwort verstärken, indem sie auf tumortypische Mutationen trainiert werden.

»Die Entwicklung ist ein auf und ab gewesen«, berichtete Dingermann. Derzeit befinde man sich wieder in einer optimistischen Phase, auch wegen Fortschritten bei Vakzine-Plattformen und Wirkverstärkern (Adjuvanzien). Auch bei den therapeutischen Impfstoffen verfolgt man zwei Ansätze: Impfstoffe für größere Patientengruppen («Off-the-Shelf-Impfstoffe«) und personalisierte Impfstoffe. Die Off-the-Shelf-Vakzinen richten sich gegen tumorassoziierte Antigene, die in hoher Zahl von Tumorzellen in geringer Zahl aber auch in normalen Körperzellen exprimiert werden. Als Beispiele nannte Dingermann hier etwa HER2.

»Sicherlich interessanter werden noch Impfstoffe sein, die personalisiert sind, also auf den Tumor des Patienten abgestimmte Neoantigene enthalten«, sagte Dingermann. Diese basieren auf tumorspezifischen Antigenen, sogenannten Neoantigenen, die durch Mutationen entstehen und somit nur in den Tumorzellen vorkommen. Wenn diese als Antigen dienen sollen, ist zu beachten, dass sie aus körpereignen Proteinen entstehen. Diese sind – anders als Proteine von Viren und Bakterien – nicht immunogen, können also keine effektive Immunantwort hervorrufen. Nur kleine Bruchstücke des Proteins (Peptide) mit der Mutation wirken immunogen und können in Impfstoffen eingesetzt werden. Und um das noch zu verkomplizieren, werden auch nicht alle Peptide von den antigenpräsentierenden Zellen (APC) auch präsentiert. »Das ist individuell unterschiedlich«, erläuterte Dingermann.

Um personalisierte Impfstoffe herzustellen ist daher ein aufwendiger Analyseprozess notwendig. So werden die Neoantigene des Tumors bestimmt und die HLA-Ausstattung des Patienten (Ausstattung der APC). Dann werden Voraussagen gemacht, welche Peptide bei der Prozessierung der mutierten Proteine entstehen und welche davon von den APC auch dem Immunsystem gezeigt werden. »Geeignete Neoantigene zu finden, ist hochkomplex und wird inzwischen mit KI-Unterstützung vorgenommen«, sagte der Pharmazeut.

In den nächsten Jahren werden Krebsimpfstoffe zur Zulassung kommen, ist er überzeugt. »Ich bin extrem optimistisch, dass Impfen eine wertvolle Therapieoption bei Krebs werden wird.« Die Off-the-Shelf-Impfstoffe, zu denen schon eine Reihe von klinischen Studien etwa von Moderna oder Biontech liefen, könnten eine große Rolle spielen. Für »noch plausibler« hält er das Prinzip der personalisierten Impfstoffe, hier müsste die Produktion, die derzeit noch sehr teuer und langwierig ist, schneller und effizienter werden, bevor sie breit eingesetzt werden könnten.

Zu den Fortschritten beim therapeutischen Impfen gegen Krebs hatte Dingermann vor Kurzem auch in einem Podcast der Pharmazeutischen Zeitung gesprochen.

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