Krankschreibung erst ab dem vierten Tag? |
Wann brauchen Beschäftigte eine Krankschreibung? / © Getty Images/fizkes
Zur Entlastung des Gesundheitssystems schlägt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erneut weniger strenge Regeln bei der Krankschreibung vor. Arbeitnehmer sollten generell erst ab dem vierten Tag zum Arzt müssen, um sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu holen, bekräftigte Vorstandschef Andreas Gassen beim Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die aktuell geltende Möglichkeit für Arbeitgeber, schon in den ersten drei Tagen eine Krankschreibung zu verlangen, führe zu Abertausenden Arztbesuchen, die nicht zwingend notwendig wären, sagte er. Ähnliches hat Gassen schon häufiger gefordert.
Gassen regte außerdem an, die bisherige gesetzliche Frist, dass man drei Tage generell ohne Krankschreibung zu Hause bleiben darf, zu verlängern – auf vier oder fünf Tage. »Es geht uns um eine vom mündigen Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitnehmerin selbst verantwortete Karenzzeit.«
Auch bei Kindern sollte aus seiner Sicht nachgesteuert werden – hier ist die Krankschreibung sogar ab dem ersten Krankheitstag erforderlich. »Durch den Verzicht auf diese Bescheinigung bei kurzer Krankheitsdauer könnten, insbesondere in Zeiten mit hohem Infektionsgeschehen, sowohl die kinderärztlichen Praxen als auch die Eltern der erkrankten Kinder deutlich entlastet werden«, sagte Gassen.
Die Chancen für den Vorstoß des KBV-Chefs dürften allerdings gering sein: Deutschland hat in Europa eine relativ hohe Krankschreibungsquote, und die Arbeitgeber dürften Lockerungen kaum mitmachen. Die Entwicklung geht auch eher in eine andere Richtung: Union und SPD haben im Koalitionsvertrag etwa vereinbart, Online-Krankschreibungen über Plattformen abzuschaffen.
Von Vertretern der Arbeitgeber kam prompt Kritik. »Eine pauschale Verlängerung der Karenzzeit würde die Arbeitgeberseite zusätzlich belasten, ohne die strukturellen Probleme zu lösen«, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, der Deutschen Presse-Agentur.
Kampeter sagte, es brauche eine stärkere Patientensteuerung. »Nur so kann unser Gesundheitswesen leistungsfähig, treffsicher und bezahlbar bleiben.« Der Vorschlag der KBV greife jedoch zu kurz. Die Arbeitgeber unterstützen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) in ihren Überlegungen, die Ausgaben gezielt zu senken. »Die Ärzteorganisationen sollten daran konstruktiv mitwirken und nicht durch Nebelkerzen die Debatte in die falsche Richtung lenken.«
Ähnlich äußerte sich auch der Chef des Arbeitgeberverbandes Niedersachsenmetall, Volker Schmidt: »Dies sind keine Beiträge zur Verringerung des viel zu hohen Krankenstandes in unseren Betrieben, im Gegenteil, sie leisten dem Missbrauch weiteren Vorschub.« Auch, dass der Arbeitgeber in begründeten Fällen künftig nicht mehr das Recht haben soll, vorzeitig die Vorlage einer Krankschreibung zu verlangen, sei völlig indiskutabel.
Die Politik solle sich stattdessen auf eine Senkung »der viel zu hohen Lohnnebenkosten« konzentrieren. Dazu gehöre laut Schmidt auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Unter »dem Deckmantel von Entbürokratisierung« dürfte dem Blaumachen nicht weiteren Vorschub geleistet werden.